In Katar kicken auch Frauen. Theoretisch.
Zumindest wurde 2009 die katarische Frauen-Fussballnationalmannschaft gegründet. Ein Jahr bevor der Golfstaat die Zusage für die diesjährige Fussballweltmeisterschaft erhielt. Zufall?
Fakt ist: Die FIFA machte bei der WM-Vergabe im Jahr 2010 zur Bedingung, dass Frauen- und Mädchenfussball gefördert wird. Heute findet man kaum mehr Informationen über das katarische Frauenteam.
Es entsteht der Eindruck, dass das Narrativ der freien und starken katarischen Frauen, das Katar zurzeit so vehement zu etablieren versucht, spätestens dann bröckelt, wenn man den Fokus auf den Frauenfussball im Land schärft. Und das tun wir nun:
2014 bestritt das katarische Frauenteam sein letztes Länderspiel. Mittlerweile fehlt in der FIFA-Weltrangliste von der Mannschaft jede Spur. Der Grund: Inaktive Teams – solche, die mindestens 18 Monate nicht gespielt haben – fallen aus der Rangliste.
Auch auf der offiziellen Website vom katarischen Fussballverband gibt es keinen Hinweis auf eine Frauen-Nationalmannschaft. Denn in Katar sind das Nationalteam und die 2012 gegründete Frauenliga nicht dem Fussballverband unterstellt, sondern einem Frauen-Sportkomitee.
Und doch besteht diese Frauenmannschaft noch. Irgendwie zumindest. Denn ein Team von Arte hat die Mannschaft 2022 aufgestöbert. Vielleicht liegt es daran, dass in dem arabischen Land Fussball keinen grossen Stellenwert hat, aber Arte berichtete, dass das Team zu 90 Prozent aus Einwanderinnen bestehe. Diese stammen aus Kenia, Frankreich und den USA. Viel mehr ist über das Team nicht bekannt.
Das Training findet völlig abgeschottet statt. Denn solange niemand zuschaut, spielen auch ein paar wenige katarische Talente aus konservativen Familien mit.
Eines dieser katarischen Talente ist die zwanzigjährige Fatma. Sie sprach mit «Deutschlandfunk Kultur» darüber, wie sie an der Universität in Doha im Fussball alle überragt. Der jungen Frau bleibt eine Karriere als Fussballerin dennoch verwehrt, denn ihre Familie stelle sich quer:
Und dann sagt Fatma noch etwas, das das ganze Dilemma des Frauensports im ultra-konservativen Land auf den Punkt bringt:
Wie Fatma mit richtigem Namen heisst, ist nicht bekannt. Das Interview gab sie nur anonymisiert.
Handys und Kameras müssen vor dem Training und den Spielen abgegeben werden, damit keine Bilder aufgenommen werden können. Bei Spielen sind nur weibliche Zuschauer gestattet.
Dass konservative Familien sich talentierten Spielerinnen in den Weg stellen, bestätigt auch eine der wenigen Personen, die es wissen muss: die ehemalige Trainerin der katarischen Frauennationalmannschaft, Monica Staab. Die Deutsche trainierte das Team 2013 während gut eines Jahres. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte sie im Jahr 2013:
Was sie auf solchen Unsinn geantwortet hat, verrät Staab in der WM-Ausgabe des Magazins «11 Freunde»:
Genützt hat es scheinbar wenig. Denn das letzte offizielle Spiel bestritt die Mannschaft am 19. April 2014 gegen Bahrain. Es war das letzte Spiel unter Staab. Danach verschwand die Mannschaft vom internationalen Rasen.
Ein paar Frauen messen sich von Zeit zu Zeit in der Liga – diese findet aber nur unregelmässig statt und untersteht nicht einmal dem Fussballverband.
Für fünf auserwählte katarische Frauen gibt es eine Sonderbehandlung. Sie dürfen in einem Austauschprogramm von den Erfahrungen profitieren, die Amerika dem Golfstaat in Sachen Frauenfussball voraus hat. Und zwar im Rahmen des Förderprogramms «Women's Football QatarExchange Champions in Sports and Life». Gesponsert von der US-Botschaft in Katar.
Auf der Webseite des Programms steht:
Die fünf Talente heissen Shaima Abdullah A. al-Siyabi (Torhüterin), Suaad Salim R. al-Hashimi (ehemals Kapitänin), Dwana Khalifa (ehemalige Nationalspielerin), Hagar Nader Nessim Aziz Saleh und Abeer Ahmed al-Kuwari. Von vier der fünf sind Fotos auf der Website aufgeschaltet.
Der erste Teil des Fussballprogramms fand im vergangenen September in den USA statt. Auf Instagram wurden fleissig Fotos geteilt. Die zweite Hälfte des Programms wird im Februar 2023 in Katar stattfinden.
Auf der Website des Förderprogramms steht:
watson hat versucht, die Verantwortlichen des Programms zu kontaktieren, hat aber keine Antwort erhalten.
Seit dem Abgang von Trainerin Staab 2014 rückt die Mannschaft immer weiter in die Dunkelheit. Über diese Entwicklung zeigt sich Staab enttäuscht. In einem Interview mit dem renommierten Fussballmagazin «Kicker» sagte sie 2021:
Staab ist eine Fussball-Grösse in der Branche und leistete quasi Fussball-Entwicklungshilfe – erst in Bahrain, dann in Katar und heute in Saudi-Arabien.
Und gerade mit der Frauen-Nati von Katar verzeichnete sie grosse Erfolge: Nachdem die Kickerinnen bei ihren ersten Spielen gnadenlos untergingen (0:17 gegen Bahrain und 0:18 gegen Palästina) verloren sie ihr erstes Spiel unter Staabs Führung gegen die Malediven nur noch 0:1. Die Deutsche stellte das Team danach auf den Kopf und scoutete in Schulen jungen Talente für die National-Elf. In den nächsten acht Monaten begleitete sie ihr Team an elf Länderspiele.
Doch im patriarchalischen Katar gilt:
Warum ihr Vertrag mit Katar trotz ihrer Erfolge nicht verlängert wurde, begründet sie so: Man wolle einen Mann, der Arabisch spreche, wie sie 2019 dem Spiegel und kürzlich «11 Freunde» sagte.
Obwohl sich die Brotkrumen der Mannschaft nach Staabs Abgang fast gänzlich verlieren, soll es die Mannschaft noch geben. Das sagt zumindest Saleh – eine der fünf Talente im Austauschprogramm – zum Magazin «11 Freunde». Saleh wurde als 14-jährige von Staab entdeckt und ins Nationalteam aufgenommen. Heute glaubt sie fest daran, dass es mit dem Nationalteam bald wieder aufwärts gehe.
Tatsächlich stand die Frauen-Nationalelf in jüngster Vergangenheit sogar auf dem Rasen, wenn auch abseits des Rampenlichts: 2020 für ein Freundschaftsspiel gegen das US-Profiteam Washington Spirit und 2021 in einem inoffiziellen Länderspiel gegen Afghanistan. Dieses Spiel fand im Khalifa-Stadion in Doha statt, eine der Spielstätten der Männer-WM. Aber selbstverständlich ohne Kameras oder männliche Zuschauer.
Katar verlor beide Spiele.
Die aktuelle Trainerin heisst wohl Feddah Alabdullah. Zumindest findet sich auf Facebook ein Beitrag vom August dieses Jahres, in dem zu sehen ist, wie Alabdullah junge Schülerinnen für Fussball motiviert – und als Trainerin der Frauen-National-Elf getaggt ist. Erreichen konnte watson die Frau nicht.
Katar mag sich zurzeit alle Mühe geben, international ein progressives Bild von sich und den Frauen- und Menschenrechten im Land zu etablieren. Doch die Unsichtbarkeit der Frauen-Nationalmannschaft steht sinnbildlich für die Stellung der Frau im Land: Frauen haben in allen Aspekten des Lebens weniger Rechte als Männer, stehen immer unter Vormundschaft eines Mannes. Viele Frauen sind in der Öffentlichkeit bedeckt und unsichtbar.
Für junge Frauen wie die anonyme Fatma oder Staabs Schützling Saleh bleibt nur, weiterhin den Spagat zwischen Tradition und Modernisierung zu gehen. Als Pionierinnen auf dem Fussballplatz.
Da ist nicht alles miteinander zu vereinbaren.
Aber im Grunde ist es nur ein weiterer Beweis, wie falsch und dreist, ja eigentlich fast schon krank, die Vergabe an Katar war.
Wenn es nicht die Väter sind, dann werden die Väter und Famiien durch Nachbarn, Politiker und die Imame dazu gezwungen.
Die Fifa stellt eben Bedingungen (wenn’s um Kohle geht) und „Bedingungen“ (wenn’s um die whitewashing Aktionen geht).
Oder gibts jetzt Sanktionen? Gerichtsverfahren? Busen?