Grégory Hofmann, alles andere als der erneute Titelgewinn wäre für den EVZ eine Enttäuschung. Einverstanden?
Grégory Hofmann: Natürlich streben wir die Titelverteidigung an. Ich will aber nicht vom Final reden. Zuerst konzentrieren wir uns auf den Halbfinal.
Der HC Davos besiegte im Viertelfinal die SCRJ Lakers trotz 0:3-Rückstand in der Serie noch 4:3 und ist jetzt euphorisiert.
Wir hatten die letzten Tage genügend Zeit, um uns vorzubereiten. Davos hat nach dieser Wende Selbstvertrauen getankt. Wir müssen dem HCD Respekt entgegenbringen. Schauen Sie, was Andres Ambühl leistet, unglaublich. Ein super Typ. Schon bevor ich Profi wurde, war er mein Vorbild. Ich hoffe, ich kann mit 38 auch noch auf diesem Level performen.
Bis im letzten Jahr war das grosse Thema immer: Wenn es wirklich zählt, versagt der EVZ. Merken Sie, dass der Druck nach dem Titel nun etwas kleiner ist?
Das sehe ich anders. Es gab von aussen diese Fragen, ob wir nach dem Punkterekord in der Qualifikation die Leistung in den Playoffs bestätigen können. Aber ich war schon damals überzeugt, dass uns das nicht kümmert – so ist es gekommen. Nun ist der Druck genau gleich gross.
Vor den Playoffs unterschrieben Sie beim EV Zug einen «Rentenvertrag» bis 2028. Wie fühlt es sich an als Rentner?
Ja, ja, ich merke, ich werde langsam alt (lacht). Ich erinnere mich gut, als ich 18-jährig war, sagten mir die älteren Spieler stets: «Geniess die Zeit, die Zeit geht schnell vorbei!» Und jetzt, mit 29, sehe ich tatsächlich, dass da eine Generation heranrauscht, wo alles immer schneller geht. Man hat kaum mehr Zeit zum Nachdenken.
Wie meinen Sie das?
Früher, da hiess es auch mal: «Geht raus und spielt!» In Davos referierte Arno Del Curto in der Garderobe flammend über einzelne Spieler. Vor der ganzen Mannschaft. Danach hatte ich manchmal das Gefühl, ich sei der beste Spieler der Welt, so sehr hat er mich gelobt. Nicht nur mich. Es ging vielen so. Unser Selbstvertrauen wuchs ins Unendliche. Und es wurde nicht immer alles bis ins letzte Detail analysiert. Heute will jeder Klub den jungen Spielern die bestmögliche Ausbildung bieten, sie früh ans Profi-Niveau gewöhnen. Auf die Spieler prasseln früh ganz viele Informationen ein. Gleichzeitig finde ich es wichtig, auf dem Eis nicht zu viel nachzudenken. Man spielt meistens am besten, wenn man frei von Gedanken ist. Es gilt, die richtige Balance zu finden.
Warum haben Sie gleich bis 2028 verlängert?
Ganz einfach: Ich habe meinen Platz und die innere Ruhe gefunden. Und ich mag mir nicht alle zwei Jahre wieder von neuem Gedanken über meine Zukunft machen müssen. Ich bin vom EVZ als Organisation von A bis Z überzeugt.
Nun ist das Thema vom Tisch und lenkt nicht vom Eishockey ab ...
Genau. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich nicht zwingend vor den Playoffs unterschreiben müssen, zumal ich noch einen Vertrag für die nächste Saison hatte. Aber wir leben in einer digitalen Welt, da wird jeden Tag viel geredet und geschrieben. Es gab einfach sehr viele Spekulationen. Und auch wenn ich nicht selbst alles lese – es wird ja trotzdem alles an mich herangetragen von meinem Umfeld. Ich wollte nicht, dass ich mich weiter jeden Tag mit dem Thema beschäftigen muss, ob freiwillig oder nicht.
Im letzten Sommer sah Ihre Welt ganz anders aus: Sie versuchten, sich bei Columbus in der NHL festzusetzen. Im Dezember kehrten Sie vorzeitig in die Schweiz zurück. Ist das Kapitel NHL abgeschlossen?
Ich habe eine Entscheidung getroffen und bin mir den Konsequenzen bewusst. Klar, man weiss nie, was alles noch kommt. Aber ich sehe mich nicht mehr in der NHL in den nächsten Jahren. Ich habe es versucht. Es ist nicht alles so gelaufen, wie ich gedacht habe – so ist das Leben.
Als Sie Mitte Dezember für die Geburt Ihrer Tochter in die Schweiz zurückgekommen sind, wussten Sie schon, dass eine Rückkehr nach Amerika ausgeschlossen ist?
Nein, das war es nicht. Aber als ich meine Tochter zum ersten Mal in den Armen hielt, schüttelten mich die Emotionen durch. Diese Gefühle haben alles verändert. Ich will jeden Tag zu Hause sein, meine Tochter und meine Frau sehen. Und ich will trotzdem auch meine Karriere als Eishockeyspieler geniessen können. Das wäre in der NHL nicht möglich gewesen.
Als klar wurde, dass Sie das NHL-Abenteuer abbrechen, wurde Ihnen vorgeworfen, Sie hätten zu wenig Biss. Wie sind Sie damit umgegangen?
Ich war mir bewusst, dass Kritik auf mich einprasseln wird. Aber ich bin auch nur ein Mensch. Auch ich habe Emotionen. Und ich weiss selber am besten, was sich richtig anfühlt. Als Person der Öffentlichkeit muss man akzeptieren, dass es viele Leute gibt, die über einen reden. Aber ich will es nicht allen recht machen, sondern nur mir selbst.
Columbus-Torhüter Elvis Merzlikins, ein Freund aus Lugano-Zeiten, sagte in einem Interview: «Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so schnell aufgab.»
Wir haben darüber diskutiert, er hat sich bei mir gemeldet, als das Interview erschienen ist. Er hat mir gesagt, dass seine Aussage nicht ganz korrekt rübergekommen ist. Aber er hat das recht zu sagen, was er denkt.
Ist also nichts hängen geblieben, was das Verhältnis belasten würde?
Elvis ist ein guter Freund von mir. Aber er kann nicht einschätzen, wie es in mir drin aussieht. Logisch, ist er enttäuscht. Er pushte mich in der Organisation, hat viel investiert dafür, dass ich in Columbus gelandet bin.
Wenn Sie jetzt Bilanz ziehen über dieses NHL-Abenteuer, wie sieht diese aus? Hätten Sie im Rückblick lieber darauf verzichtet oder sind Sie froh, es probiert zu haben?
Ich akzeptiere voll und ganz, was passiert ist. Und ich bin zufrieden mit dem, was ich erlebt habe. Klar, als ich in Columbus unterschrieb, war mir wohl zu wenig bewusst, was das alles mit sich bringt. Manchmal bist du einfach eine Nummer. Du musst einfach performen. Und wenn nicht, kommt ein anderer und du bist sofort ein Niemand. Und dann hast du deine Tochter auf dem Arm und solltest dich motivieren dafür, jeden Tag von neuem alles zu geben für einen NHL-Platz, fängst immer wieder bei null an. Das ist mental sehr schwierig.
Schwierig waren für Sie auch die Olympischen Spiele. Kein Tor, kein Assist – wie haben Sie das verdaut?
Es war schwierig für mich, zu akzeptieren, wie die Spiele aus sportlicher Sicht gelaufen sind. Es ist weder mir persönlich noch dem Team gelungen, das beste Eishockey zu zeigen. Ich weiss, meine Vorbereitung war nicht ideal, aber es schmerzt gleichwohl. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als die Spiele zu analysieren und mit hohen Ambitionen in die Nationalmannschaft zurückzukehren. Trotzdem bleiben die Olympischen Spiele ein tolles Erlebnis.
Was hat Sie beeindruckt?
Auch wenn die Spiele in China waren, auch wenn es wegen Corona nicht einfach war, gab es viele bleibende Momente. Die Eröffnungszeremonie, das olympische Dorf und auch einige Events ausserhalb des Eishockeys zu erleben, das war toll. Wir waren zum Beispiel live dabei, als Marco Odermatt im Riesenslalom seine Goldmedaille gewann.
Als Fans im Zielraum?
Genau. Zusammen mit Killian Mottet, Gaëtan Haas und Romain Loeffel habe ich diesen Tagesausflug gemacht. Wir fuhren um 10 Uhr morgens los, zwei Stunden bis ins andere Village, dann den Berg hoch, sodass wir den zweiten Lauf verfolgen konnten. Ich glaube, man hat uns sogar im TV jubeln sehen.
Nichtsdestotrotz denke ich, das er auf dem kleinen Eisfeld schlicht nicht so gut ist wie wir es an den Olympischen Spielen gerne gehabt hätten.