Lars Weibel, als die USA in der Verlängerung das entscheidende 1:0 erzielten, was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?
Ich glaube, ich hatte in meinem Leben noch nie so eine Leere in mir. Es war zunächst ein furchtbares Gefühl. Denn dieses Jahr stimmte alles, wir hätten den Titel verdient.
Wie weit sind Sie schon im Verarbeitungsprozess?
Ehrlich gesagt schon sehr weit. Ich habe mittlerweile gelernt, dass man Geschehenes nicht ändern kann. Mir war rasch bewusst, dass wir nicht nur umsetzten, nachhaltig zu sein und Junge zu integrieren, sondern sogar unser Spiel noch weiterentwickelt haben. Wir waren schneller, agierten gradliniger, waren physisch noch stärker. Das stimmt mich positiv für die Olympischen Spiele und die Heim-WM. Insofern fand ich den Fokus rascher wieder als die Mannschaft, die logischerweise immer noch an der Niederlage zu beissen hat.
Weshalb konnte im Final nicht die beste Leistung abgerufen werden oder anders gefragt: Was fehlt noch zum letzten Schritt?
Es ist schwierig, darauf schon eine genaue Antwort zu geben. Am Mittwoch machen wir eine Nachbesprechung. Aber die USA sind eine starke Nation, sie haben ebenfalls unglaublich gut gespielt und uns nicht viele Möglichkeiten gegeben. Aber ja, wir taten uns schwer. Es gelang uns nicht mehr ganz, die gleiche Energie wie zuvor hinzubekommen, und es fehlte erneut im Final der eiskalte Goalgetter. Wir werden das Ganze nun sauber analysieren und die Erkenntnisse in der nächsten Saison umsetzen.
Was macht Sie am meisten stolz?
Der Charakter des Teams. Ich weiss, dass klingt nach einer Floskel. Aber wenn ich sehe, wie diese Mannschaft aufgetreten ist, wie sich die Spieler den Tränen nahe Vorwürfe machen, dass sie «Büeli» zum Abschluss der Karriere keine Goldmedaille ermöglicht haben. Wenn ich sehe, dass ein Topshot wie Nico (nach der Verletzung) sagt, dass er unbedingt beim Team bleiben wolle. Das alles ist einzigartig. Die Mannschaft ist bodenständig. Es gibt keine Hackordnung im Team, jeder ist gleich. Die Jungs setzen das um, was wir vorleben. Wir sind unbeirrt und entschlossen unseren Weg weitergegangen und haben so Herr und Frau Schweizer stolz gemacht. Das ist schon ein cooles Gefühl.
An der letztjährigen WM wart Ihr enorm abhängig von den NHL-Spielern, dieses Jahr erzielten zwei Spieler aus der National League am meisten Punkte, war die Breite im Team deutlich grösser. Was ist Ihre Erklärung dafür?
Es sind zwei Komponenten. Das eine ist, dass der Coaching-Staff an die Jungen glaubt, was diese mit starken Leistungen zurückzahlen. Das andere ist, dass wir unsere Visionen konsequent umsetzen. Da die letztjährige WM-Mannschaft nicht die jüngste war, suchten wir nach Lösungen. Wir haben den Mut langfristig zu denken, obwohl wir stets erfolgreich sein wollen. Das unterstreicht unsere Überzeugung.
Zum Schluss: Wie viel Schub gibt der erneute Finaleinzug für die Heim-WM im kommenden Jahr?
Es war eine super Kampagne für die Heim-WM. Allerdings sind damit die Erwartungen weiter in die Höhe gestiegen. Wir wissen aber genau, was es braucht, um nur schon erneut die Viertelfinals zu erreichen, geschweige denn mit 19 Punkten Gruppensieger zu werden. Ich freue mich riesig, jeder möchte mal eine Heim-WM erleben, jedoch ist diese für mich derzeit noch in weiter Ferne. Zunächst stehen ein neuer Aufbau in der Euro Hockey Tour und die Olympischen Spiele an. (riz/sda)