Luzern-Sportchef Meyer: «Externe Spieler verpflichten wir nur mit einem klaren Plan»
Remo Meyer nimmt Platz auf der Tribüne in der Luzerner Arena. Es nieselt, doch er lächelt in die Kamera. «Jetzt ist es für mich wieder ein bisschen ruhiger geworden», sagt er. Als Sportchef sind die Sommermonate die intensivsten. Nun ist das Transferfenster geschlossen. Nach dem Fotoshooting nimmt er sich Zeit für ein ausführliches Gespräch – und spricht so offen wie selten zuvor.
Sie sind in ihre neunte Saison als Sportchef gestartet. Hätten Sie dies bei ihrem Amtsantritt 2017 für möglich gehalten?
Remo Meyer: Damals war das schon sehr überraschend – auch für mich. Ich bin angetreten mit dem Wissen, dass mich dieser Job sehr interessiert, ich ambitioniert bin und eine klare Idee habe. Dass ich so lange bleibe, hätte ich sicher nicht gedacht, aber im Fussball ist es nie ratsam für die eigene Karriere, zu langfristige Pläne zu schmieden.
Es ist viel passiert in dieser Zeit, auch Sie selber haben sich weiterentwickelt. Zu Beginn lagen Sie bei Trainerentscheiden und auch einigen Transfers daneben, in den letzten Jahren scheint aber fast alles aufzugehen.
Es ist ein Job «Learning by Doing». Natürlich habe ich extrem an Erfahrung gewonnen durch die vielen Jahre, in denen ich jetzt hier bin. Wir haben im sportlichen Bereich eine grosse Stabilität und Kontinuität aufgebaut. Dank der tollen Nachwuchsarbeit dürfen wir ernten, was wir gesät haben. Das ist nur möglich durch grosse sportliche Kompetenz, starker Vernetzung und Durchlässigkeit im Sport.
In der Schweiz gibt es keinen anderen Klub, der so stark auf die eigenen Junioren setzt wie der FCL. Wie sehen Sie die Nachwuchsförderung in anderen Klubs?
Ich habe in meiner Anfangsphase viel auf andere Klubs geschaut, mittlerweile beschäftigt es mich weniger, was die Konkurrenten machen. Mir ist wichtig, wie wir arbeiten und was wir für eine Philosophie haben. Es ist schön, dass wir eine eigene Identität haben und jungen Spielern aufzeigen können, dass es bei uns realistischer ist als bei anderen Klubs, im Stadion aufzulaufen.
Mit Ardon Jashari, Luca Jaquez und Sascha Britschgi wechselten zuletzt drei eigene Talente für viel Geld ins Ausland. Wie wichtig sind diese Transfers finanziell?
Unser Ziel ist es, unabhängig und selbsttragend zu werden. Transfers tragen dazu bei. Wir arbeiten gezielt mit den Jungen und verlangen viel von ihnen. Wir haben auch die nötige Geduld und geben ihnen Vertrauen. Transfers können dann zu einem Nebeneffekt der guten Arbeit werden. Geschichten wie jene von Ardon und Luca, die jetzt bei europäischen Topklubs spielen, sind natürlich wunderbar und auch emotional für uns. Wir beobachten sie weiterhin sehr genau.
Wie lief der Transfer von Sascha Britschgi ab, der in diesem Sommer nach nur drei Super-League-Spielen in die Serie A wechselte?
Sein Transfer kam für uns sehr überraschend. Wir haben ihn in dieser Saison fest in der ersten Mannschaft eingeplant. Dann hat die Sache aber eine unerwartete Dynamik angenommen. Uns war wichtig, dass der neue Klub einen klaren Plan für ihn hat und er selber den Wechsel will. Schliesslich kam auch der wirtschaftliche Aspekt dazu. Parma hat unsere hohen finanziellen Forderungen erfüllt. Insgesamt bin ich aber der Meinung, dass es besser ist, wenn junge Spieler bei uns Stammspieler werden, mehr Verantwortung übernehmen und erst dann den Schritt ins Ausland wagen.
Ihr älterer Sohn Leny spielt nun in der zweiten Mannschaft von Stuttgart, der jüngere Sascha im U21-Team des FCL. Wie schwierig ist es für Ihre Söhne, dass der Vater Sportchef ist?
Ich habe vier Kinder und jedes Kind tickt anders. Leny hat den Durchbruch bei uns nicht geschafft und hatte eher Mühe mit der Konstellation mit mir als Sportchef. Deshalb hat er einen anderen Weg gewählt. Nun will er sich in Stuttgart durchbeissen und sich entwickeln. Sascha hat bislang weniger Mühe mit meiner Position im Klub. Ich behandle meine Söhne nicht anders als die anderen Nachwuchsspieler.
Meyer ist Vater von vier Kindern. Die Söhne Leny (21, Stuttgart U21) und Sascha (19, FCL U21) entstammen ebenfalls dem FCL-Nachwuchs.
Geht das?
Ja, von aussen sieht das teilweise nicht so aus, aber ich habe ein Team und bin nicht alleine. Wir beurteilen das Potenzial und die Entwicklung von jedem Spieler ganz genau. Ich persönlich konnte immer gut damit leben, Sportchef des FC Luzern zu sein, auch wenn zwei meiner Kinder hier spielen oder gespielt haben.
In diesem Sommer verliessen wieder mehrere Stammkräfte den Klub. Ersetzt wurden sie hauptsächlich durch Leihspieler. Ist finanziell nur das der gangbare Weg für den FCL?
Leihgeschäfte sind interessant. Für beide Seiten besteht die Möglichkeit, einander kennenzulernen. Aber klar ist, dass wir kreativ sein müssen auf dem Transfermarkt. Wir können Top-Talente ausbilden in unserer eigenen Akademie. Aber solche von anderen Klubs zu holen, ist eher schwierig. Wir haben vier Leihgeschäfte gemacht in diesem Sommer – wobei wir Adrian Bajrami inzwischen fix verpflichten konnten.
Wie war das möglich? Schliesslich hiess es, dass die Kaufoption bei 5 Millionen liege.
Wir haben mit Benfica Lissabon eine gute Lösung gefunden. Es bot sich für uns die Möglichkeit, den Spieler zu verpflichten für Konditionen, die für uns passten.
Ist es nicht frustrierend, als Sportchef beim FCL mit so wenig finanziellen Mitteln arbeiten zu müssen?
Wir wollen nicht jammern und aus den bestehenden Mitteln das Bestmögliche herausholen. Es ist herausfordernd, das ist es aber für andere Klubs auch. Wir wollen unsere eigenen Talente ausbilden, externe Spieler verpflichten wir nur mit einem klaren Plan. Investitionen wie der Transfer von Matteo Di Giusto sind punktuell möglich, wenn wir früh am Spieler dran sind und ihm diesen Plan auch aufzeigen. Er ist in der Schweiz punkto Kreativität ein Ausnahmespieler, zudem ist er sehr mannschaftsdienlich.
Vor zwei Wochen trennten sich der FCL und sein CEO Simon Laager. Wie haben Sie dies wahrgenommen?
Der Verwaltungsrat und der Geschäftsführer hatten unterschiedliche Vorstellungen über die zukünftige Zusammenarbeit. Es wurde festgestellt, dass man voneinander anderes erwartet hat. Ich denke, es ist wichtig, dass man dann aufeinander zugeht und solche Dinge offen ansprechen kann – und danach, wenn nötig, zusammen eine Entscheidung trifft.
Wie problematisch ist es, dass der FCL auf der Position des Präsidenten und des CEO nur Interimslösungen hat?
Für mich gibt es das Wort «interim» gar nicht. Wir haben beim CEO mit Finanzchef Manuel Mohr, der jetzt auch schon einige Jahre im Klub ist, und beim Präsidenten mit Josef Bieri sehr gute Lösungen.
Der Konflikt mit Aktionär Bernhard Alpstaeg hängt wie ein Damoklesschwert über dem FCL. Begonnen hat alles mit einem Interview, in dem Alpstaeg Ihre Arbeit kritisiert hat. Es heisst, dass Sie sich mit ihm versöhnt haben. Stimmt das?
Ich habe mich weder zerstritten noch versöhnt mit ihm. Ich hatte die letzten drei Jahre gar keinen Kontakt mit ihm. Stattdessen habe ich immer versucht, meinen Job genau gleich zu machen. Ich versuche alles auszublenden, was von aussen kommt – auch die Thematik mit Herrn Alpsteag. Mittlerweile ist das Thema aber auch schon eine Weile her.
Geklärt ist es aber immer noch nicht.
Ja, aber ich kann keine Energie verlieren mit solchen Themen. Ich brauche meine Energie für unsere Mannschaft und die Nachwuchsabteilung, ich kann mich nicht mit Dingen beschäftigen, auf die ich 0,0 Prozent Einfluss habe. Ich habe vollstes Vertrauen, dass der Verwaltungsrat alles unternimmt, um im Wohle des Klubs zu handeln.
Wir haben das Interview damit begonnen, dass die Luzerner Jugendarbeit die beste im Land ist. Inwiefern steht und fällt dies mit dem Trainer? Mario Fricks Vertrag läuft Ende Saison aus, schon in diesem Sommer liebäugelte er mit einem Abgang.
Das Zugpferd wird immer die erste Mannschaft bleiben. Ich darf schon sagen, es ist eine ausserordentliche Zusammenarbeit mit Mario. Er ist bald vier Jahre hier und leistet mit seinem Trainerteam einen ausserordentlich guten Job. Ohne einen Trainer, der so ein grosses Interesse am Nachwuchs hat, wäre das, was in den letzten paar Jahre passiert ist, nicht möglich gewesen.
Was machen Sie, um ihn zu halten?
Wir schenken dem Trainer Vertrauen und eine grosse Stabilität. Aus dem Nachwuchs hat er immer wieder Zugriff auf interessante Spieler. Eines Tages wird für Mario der Schritt ins Ausland kommen. Aber ich glaube, er weiss, was er in Luzern hat. Die Gespräche über die Zukunft haben bereits begonnen. Noch im diesem Jahr möchten wir wissen, wie es weitergeht.
Falls man sich nicht findet, steht U21-Trainer Michel Renggli bereits in den Startlöchern.
Natürlich ist es mein Job, zu antizipieren, und unsere Nachwuchstrainer sind eine Option. Es ist generell so, dass wir nicht nur Spieler ausbilden, sondern auch auf der Trainerposition für Nachwuchs sorgen möchten. (aargauerzeitung.ch)
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