Hallo Barth, wir würden gerne mit dir über die Bank sprechen …
(lacht) Du bringst mich zum Lachen mit deiner Bank! Du hast letzten Samstag in deinem Kommentar gesagt, dass der Präsident und ich uns etwas mehr im Hintergrund halten sollten.
Das war ein Vorschlag.
Ja, aber mein Lieber, ich sage dir etwas: Bei Fabio Grosso sass ich nicht auf der Bank. Ich bin nicht immer dabei, das hängt von vielen Faktoren ab, etwa vom Profil des Trainers. Paolo Tramezzani, zum Beispiel, wollte mich dabei haben.
Aber du sitzt oft auf der Bank. Auch jetzt mit Marco Walker.
Das ist wahr. Das erste Mal sass ich 2014 mit Laurent Roussey auf der Bank. Vielleicht war es auch schon vorher bei Gennaro Gattuso. Ich weiss es nicht mehr.
Was machst du dort auf der Bank? Was ist deine Aufgabe?
Als ich Teamleiter war, musste ich die Unterlagen für die Wechsel vorbereiten. Jetzt, wo ich Sportchef bin, bin ich da, um den Trainer zu unterstützen, wenn er eine zusätzliche Meinung haben möchte, wie er das Spiel betrachten soll. Aber ich bin nicht derjenige, der dem Trainer sagt …
(unterbricht) … ein ausgebildeter Trainer wird wohl kaum seinen Sportdirektor, der keine Trainerlizenz hat, um dessen Meinung bitten.
(verärgert) Du kennst mich nur von aussen. Wie willst du meine Vorstellung von Fussball beurteilen, ohne diese wirklich zu kennen?
Der Trainer ist der Chef auf der Bank. In jeder anderen Firma geht der Chef auch nicht mit einer Frage zu einem Angestellten, wenn er selbst schon das nötige Wissen hat, um die Frage zu beantworten.
Der Trainer hat seine Vorstellungen. Aber er weiss auch, dass er auf mich und die gesamte Belegschaft zählen kann, wenn es um die letzte Mission dieser Saison geht: den Verein zu retten.
Du fühlst dich an der Seitenlinie also nützlich?
(genervt) Warum soll ich mich nicht nützlich fühlen?
Vielleicht liege ich ja falsch, aber auf der Bank ist ein Trainer grundsätzlich allmächtig.
Aber Fussball ist ein besonderes Umfeld. Es sprechen alle darüber, obwohl sie nicht Trainer sind. Es ist wie bei Corona: Wir haben alle eine Meinung dazu und sind doch keine Ärzte. Ich persönlich glaube, dass ich die Kompetenz habe, Fragen vom Trainer zu beantworten. Du kannst mir nicht sagen: «Barth, du hast kein Diplom, also kannst du den Trainer nicht beraten.» Ein Coach braucht alle Informationen, die er kriegen kann. Restlos alle.
Ich habe den Eindruck, dass dich diese Fragen nach deinen Qualifikationen stark treffen.
Nein, nein, das ist nicht so. Die Diskussionen über meine Qualifikationen sind mir egal. Ich werde von überall her angegriffen. Wenn ich gegen all diese Leute würde kämpfen wollen, könnte ich auf die Facebook-Seite des FC Sion gehen und dort die meisten Nutzer wegen Belästigung anzeigen. Aber mittlerweile ist es mir – entschuldige den Ausdruck – scheissegal, was die Leute darüber denken.
Wenn man dich an der Seitenlinie beobachtet, dann sitzt du nicht einfach dort und verfolgst das Spiel. Du bist richtig aktiv.
Wenn man mich von der Bank aus schreien sieht, dann ist das, um die Spieler zu ermutigen. Niemals, um einen Spieler zu kritisieren oder auszuwechseln. Das ist die Aufgabe des Trainers. Er ist derjenige, der das Team zusammenstellt und leitet. Er hat seinen Spielplan, seine Ideen. Der Trainer wird mich nie um taktische Ratschläge bitten. Ich bin nur ein weiteres Paar Augen für ihn. Er kann mich jederzeit um meine Meinung bitten.
Welche Fragen stellt Marco Walker dir? Erinnerst du dich an das letzte Mal, als er dich während dem Spiel etwas gefragt hat?
Ich erinnere mich immer daran, was auf dem Spielfeld passiert, was in einem Spiel vor sich geht. Aber nicht, was drumherum passiert.
Wenn die Trainer so viele Ratschläge brauchen, warum machen es andere Vereine nicht wie Sion und setzen ihren Sportchef auf die Bank?
Welcher andere Sportdirektor muss, wenn seinem Vater etwas zustösst, den Verein übernehmen, für den er arbeitet?
Nicht viele.
So ist es. Es ist dumm, aber als mein Vater letzten Monat einen Autounfall hatte, auf der Strasse zwischen Martigny und Les Marécottes, hätte er in eine Schlucht fallen können. Nicht einmal 30 Zentimeter haben gefehlt.
Deine Anwesenheit auf der Bank dient also auch dazu, Kontinuität zu gewährleisten.
Es ist nicht nur das. Sion ist in gewisser Weise auch mein Klub. Ob du es magst oder nicht. Wenn meinem Vater etwas zustösst, trage ich die Verantwortung. Ob ich dann bereit bin oder nicht.
Du hast schon mit vielen verschiedenen Trainern die Bank geteilt.
Fast mit zu vielen. (lacht)
Gibt es einen Trainer, der dich besonders beeindruckt oder beeindruckt hat?
Tramezzani, Walker jetzt. Ich mag diese Art von Trainern, denn bei ihnen ist es die Arbeit, die zählt. Sie arbeiten, suchen nach Lösungen. Es liegt in ihrer Mentalität, immer mehr zu wollen.
"Aujourd'hui, Murat Yakin est le meilleur entraîneur suisse." Barthélémy Constantin était l'invité de notre émission Match après match. pic.twitter.com/bQ38LgeRMj
— blue Sports Romandie (@blueSports_fr) September 24, 2018
Wirst du aufgrund deiner Erfahrungen auf der Bank eines Tages selbst Trainer?
Das ist mir nie in den Sinn gekommen. Wenn du Trainer bist, bist du nicht mehr Manager. Du machst keine Transfers mehr. Das ist eine andere Sache. Was mich am meisten interessiert, ist, Dinge zu entwickeln: das Stadion, die administrative Seite, eine Strategie im medizinischen Bereich zu haben. Abgesehen davon liebe ich auch Fussball und das Spiel.
Wenn wir dich an der Seitenlinie sehen, haben wir den Eindruck, dass du leidest. Du kaust an deinen Fingernägeln, du gestikulierst …
Ich kaue seit Jahren an meinen Nägeln, es macht mich verrückt, es kotzt mich an! (lacht). Ich benutze sogar ein Produkt, um zu verhindern, dass ich darauf rumkaue. Aber was Sie an mir sehen, ist nicht Nervosität, sondern mein Wunsch, zu gewinnen. Ich kann es nicht ausstehen zu verlieren, egal ob es um Fussball, Bowling, Karten oder die Konsole geht. Ich habe das Gefühl, wenn man etwas tut, muss man alles geben, um es durchzuziehen. Das liegt in meiner Natur.
Ist die Trainerbank der beste Platz, um ein Fussballspiel zu sehen?
Es ist sicherlich der Ort, an dem ich das Spiel am besten sehe und analysiere. Wenn ich auf der Tribüne sitze, bin ich mir zu 200 Prozent sicher, dass ich mir das Spiel ein zweites Mal ansehe, wenn ich nach Hause komme. Andererseits bin ich nach einem Abend auf der Bank manchmal mit gewissen Sequenzen sogar zufrieden.