Sport
Interview

Fussballgott Erich Hänzi erklärt den Höhenflug der Berner Young Boys

Einmal YB, immer YB: Erich Hänzi beim Interview im Stade de Suisse.
Einmal YB, immer YB: Erich Hänzi beim Interview im Stade de Suisse.Fotomontage: watson/nfr
Interview

«YB ist kein Loser-Klub!» – «Fussballgott» Erich Hänzi über den Berner Höhenflug

YB-Legende Erich Hänzi stemmte 1987 als einer der letzten Spieler bei den Young Boys einen Siegerpokal und durchlebt mit dem Verein seither eine Achterbahnfahrt. Im Video-Interview spricht der heutige Talent-Manager über wilde Siegesfeiern, Meisterträume und sagt, warum Junioren aus dem Club fliegen. 
13.04.2018, 10:4613.04.2018, 12:04
adrian müller, nico franzoni
Mehr «Sport»

>>> Das lange Videointerview mit Erich Hänzi gibt's am Ende des Artikels.

Da sitzt er nun, der Berner Fussballgott schlechthin: Erich Hänzi, der «blonde Engel», hat mit seinen 52 Jahren seine legendäre Mähne etwas zurückgestutzt. Wir treffen den früheren Verteidiger und heutigen Talent-Manager von YB im Stade de Suisse. Der Lengnauer Uhrmacher-Sohn gehört zum Verein wie die YB-Wurst. Kein Wunder, trat Kuno Launener mit Züri West  einst gar unter dem Namen «Friends of Hänzi» in der Bundesstadt auf.  

Erich Hänzi im Zweikampf mit Servette-Stürmer Alex Frei.Bild: KEYSTONE

Erich Hänzi, du gehörst zu den letzten Spielern, die bei YB einen Pokal stemmen durften. 1987 hast du mit den Young Boys in der Verlängerung den Cupsieg gegen Servette geholt. Welcher Moment ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Erich Hänzi: Bei mir hat sich ein Bild besonders eingebrannt: Als mir Adolf Ogi auf der Tribüne den Cup-Kübel überreichte. Kaum in der Hand, gab ich ihm den mit Schampus gefüllten Pokal wieder zurück. Dölf sollte sich auch noch einen Schluck genehmigen können. In diesem Moment realisierte ich: Wir haben es geschafft. Das war ein unglaubliches Gefühl. 

Hänzi über ...
Adolf Ogi und den Meisterpokal:

Video: watson

Die meisten YB-Fans wissen gar nicht, wie man einen Titel feiert. Was ging damals ab? 
Im Stadion jubelten wir zuerst mal so richtig mit den Fans, das war ein Riesenfest. Die Leute strömten auf den Rasen. Unglaubliche Emotionen kamen hoch. Danach gingen wir mit dem Team ganz dick essen und den Cupsieg zelebrieren. Nähere Details dazu weiss ich nicht mehr – und will ich auch nicht preisgeben (schmunzelt). 

Wer war die grösste Rampensau im Team?
Es ist wirklich zu lange her (grinst). Wir waren aber eine gute Truppe. Ich hörte, dass einige Spieler erst am nächsten Morgen nach Hause kamen. Aber an die Details kann ich mich nicht erinnern. Für mich war es ein ganz spezielles Gefühl, nach der berauschenden Nacht aufzuwachen. «Wir haben etwas ganz Grosses erreicht», ging mir damals durch den Kopf. 

«Damals haben wir Geschichte geschrieben.»

Was löste der Titel in dir als Spieler aus?
Man sieht plötzlich seinen Namen in den Vereinsbüchern und weiss: Damals war ich mit dabei und habe Geschichte geschrieben. Das zeigt sich jetzt. Wir sind auch 32 Jahre später noch ein Thema. 

Hänzi mit der Cupsieger-Mannschaft von 1987. Bild: KEYSTONE

Den YB-Meistertitel 1986 hast du hingegen als Spieler um ein Jahr verpasst. Das wurmt dich bis heute, oder? 
Überhaupt nicht, ich spielte damals beim FC Lengnau und wollte meine Ausbildung und das Militär abschliessen. 1986 wäre ich für die erste Mannschaft noch nicht reif gewesen. 

YB kämpfte im Jahr 2000 gegen den Abstieg in die erste Liga. Trotzdem bist du nach einem Abstecher nach Lausanne zu den Young Boys zurückgekehrt. Dann ging es steil aufwärts mit dem Verein. Seither bist du für viele YB-Fans der «Fussballgott». Was bedeutet dir das?
Natürlich ist der Begriff eine Ehre, aber ich habe mir deswegen nie etwas eingebildet. Die Fans haben den Erfolg wohl mit mir als Rückkehrer in Verbindung gebracht. Es war einfach eine unglaublich tolle Zeit. Die Euphorie kannte keine Grenzen, als wir uns im Neufeldstadion unter Marco Schällibaum als Aufsteiger für die Finalrunde qualifizierten. Bei YB hat man in den letzten 31 Jahren zwar nie einen Titel geholt, aber trotzdem viele grossartige Momente erlebt. Das darf man nie vergessen. Die Zeit im Ausweichstadion Neufeld war die schönste Phase meiner Karriere als Fussballer. 

... seine schönste Zeit im Leben als Fussballer:

Züri West nannte sich zeitweise zu deinen Ehren als «Friends of Hänzi». Was ging dir da durch den Kopf?
Meine Schwester hat mich darauf hingewiesen, ich wusste nichts davon! Ich wusste nicht genau, was da abging. Mein persönlicher Fussballgott war übrigens Robert Prytz, ein unglaublicher Fussballer. Selbst im Training hat sein Team jedesmal gewonnen. Er war ein absoluter Leader. 

«Wir warteten manchmal monatelang auf unsere Löhne. Es kam uns aber nie in den Sinn, zu streiken.»

Viele Clubs standen damals vor dem Ruin. Profis warteten vergeblich auf ihren Lohn. Wie bist du über die Runden gekommen? 
Die meisten Fussballer arbeiteten damals, ich war in einem Ingenieurbüro in der Administration tätig. Das war auch bitter nötig. YB kämpfte mit finanziellen Problemen, wir warteten manchmal monatelang auf die Löhne. Es kam uns aber nie in den Sinn, zu streiken oder einen Aufstand zu machen. Wir wussten, dass der Verein alles versucht, damit wir unseren Lohn erhalten. Damals gab es für die Spieler übrigens eine Zuschauer- und keine Siegprämie. Wir kassierten fünf bis zehn Rappen pro Fan, heute ist das undenkbar. 

Was hat sich seither im Fussball-Business aus Spielersicht am meisten verändert?
Heute muss ein Spieler 24 Stunden pro Tag für den Fussball leben. Sich richtig ernähren, genug schlafen. Sein Verhalten in der Öffentlichkeit ist wegen den sozialen Medien viel wichtiger geworden. Früher konnte man auch mal in den Ausgang gehen, ohne dass es am nächsten Tag gleich alle wussten. 

«Heute muss ein Spieler 24 Stunden pro Tag für den Fussball leben.»

Schauen wir in die Gegenwart. YB dominiert die Liga, hat schon eine Hand am Meisterkübel und kann gar das Double gewinnen. Warum haben die Berner nach über 30 Jahren  plötzlich Erfolg?
Es herrscht Ruhe bei YB! Zudem sind Sportchef Spycher und seinem Team gute Transfers gelungen. YB hat die beste Mannschaft seit 32 Jahren und der Teamgeist ist toll. Die Equipe und der Staff harmonieren bestens. Es ziehen einfach alle am selben Strick. Das war nicht immer so. Wir erinnern uns noch an die ‹Phase 3›: YB kündigte in der Vergangenheit viel zu viel an und wollte den schnellen Erfolg erzwingen. Um Titel zu holen, braucht es aber eine gewisse Kontinuität. Erfolg kann man nicht erkaufen. Das ist das Schöne am Fussball, sonst würde nur noch das Geld regieren. 

Mit über 20'000 Zuschauern hat YB einen doppelt so hohen Zuschauerschnitt wie in der letzten Meistersaison vor 32 Jahren. Warum ist Fussball wieder in?
Das Stadion ist sicher ein entscheidender Faktor. Ein Match ist heutzutage ein Event mit grossem Drumherum. Früher ging es nur um den Fussball, heute trifft man sich im Stadion und ist schon lange vor dem Match da. Die YB-Fangemeinde wird derzeit  fast stündlich grösser. Man hört von allen Seiten wieder den Spruch «YB macht glücklich». Der Verein hat in der Region eine enorme Euphorie  ausgelöst, die unserer Stadt gut tut. 

bscyb.ch

Die Young Boys sind bereits auf die Zielgeraden im Meisterrennen eingebogen. Gegen Aussen sprechen die Spieler aber trotz 13 Punkten Vorsprung noch immer nicht vom Titel. Wie sieht es im Team wirklich aus?
Natürlich ist die Vorfreude riesig. Aber überheblich auf den Platz zu gehen wäre der erste Schritt zur Niederlage. Die Spieler sind sich bewusst, dass die Ausgangslage sehr vielversprechend ist. Wir bleiben aber bescheiden, bis das Team die nötigen Punkte eingefahren hat. Es ist sicher kein Nachteil, dass die meisten Spieler die letzten 30 Jahre gar nicht mitbekommen haben. Sie haben nur ein Ziel vor Augen: das Double zu gewinnen. 

Veryoungboysen war gestern – gewinnt YB heuer einen Titel, geht der ganze Verlierer-Kult verloren, der die Berner so lange begleitet und sie in der ganzen Schweiz sympathisch gemacht hat. 
Da muss ich den Verein verteidigen: YB ist seit 31 Jahren ohne Titel, aber ganz bestimmt kein Loser-Klub! Viele Vereine in der Schweiz wären froh um die Erfolge, die wir in der letzten Zeit gehabt haben. Wir sind aber sicher glücklich, wenn die Worte, die ich jetzt nicht ausspreche, endlich verschwinden (er meint veryoungboysen, die Red.). 

... das Image eines Loser-Vereins:

Als Talent-Manager betreust du die besten Talente bei YB auf und neben dem Platz. Wie wirkt sich der Erfolg auf den Nachwuchs aus?
Die erste Mannschaft ist das Zugpferd des Vereins. Es ist während einer erfolgreichen Phase sofort einfacher, die besten Talente an den Verein zu binden, damit sie ihre Auslandabenteuer nicht zu früh starten. Manchmal muss man die Junioren noch zusätzlich antreiben, damit sie noch eine Ausbildung abschliessen. Darauf bestehen wir. Bei uns bricht niemand die Lehre ab. Es gab aber schon Fälle, wo wir uns von Spielern trennen mussten. Etwa weil sie hinter unserem Rücken mit anderen Vereinen verhandelt hatten. 

Talentmanager Erich Hänzi.Bild: KEYSTONE

Welche Rolle spielen die Berater?
Es kommt tatsächlich vor, dass bei 14-jährigen Buben plötzlich externe Berater auftauchen und der Familie den Kopf verdrehen. Da müssen wir Gegensteuer geben und die Jungs wieder erden.

Kommen wir zum Schluss: Kann YB den Titel überhaupt noch verspielen?
Die Mannschaft ist dermassen gefestigt, sie wird sich die Butter nicht mehr vom Brot nehmen lassen. Davon bin ich voll und ganz überzeugt. 

Warum ist heuer eigentlich der Fussballgott YB-Fan?
Wir haben es einfach verdient. Wir haben uns den Erfolg erarbeitet, erkämpft, verdient, nichts anders. Da braucht es keinen Gott. Bei mir steigt mit jedem Match die Nervosität. Manchmal habe ich ein wenig das Gefühl, dass ich träume. Wir können ja sogar das Double holen. 

Das Interview in voller Länge

Video: watson/nico franzoni, adrian müller

Die YB-Geschichte – die besten Bilder seit der Gründung 1898

1 / 47
Die YB-Geschichte – die besten Bilder seit der Gründung 1898
Am 14. März 1898 gründeten die Gymnasiasten Max Schwab, Hermann Bauer, Franz Kehrli und Oskar Schwab den FC Young Boys. Den Klubnamen Young Boys wählten sie in Anlehnung an den damals populären Basler Verein BSC Old Boys. Hier wird auf dem «Schwellenmätteli» unterhalb der Kirchenfeldbrücke trainiert.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
11 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Gulash Ka None
13.04.2018 11:41registriert März 2017
🎶Dr Kuno gseht ar Bar,
e Schöni mit blonde länge Haar
Er geit zu ihre für es Tanzli
Si dreit sech um, es isch dr Erich Hänzi🎶

Hei Kuno, lue zersch woher dr Wind wäiht
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
satyros
13.04.2018 12:43registriert August 2014
Kann mich noch gut an mein erstes Spiel im Wankdorf erinnern. Irgend ein grauer Novembertag Anfang der 90er. Ziemlich trostloses Gekicke gegen Sion. Auf der anderen Seite des Stadions steigt bei einem Corner ein Blondschopf am Höchsten und köpft zum 1:0-Sieg ein. Eine Liebe war geboren.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
ChlyklassSFI // FCK NZS
13.04.2018 10:57registriert Juli 2017
Wunderschön, dieses Interview zu lesen! Ich habe Jahrgang 1987 und Erich Hänzi gerne beim Fussball zugeschaut. Jetzt nach einem bisherigen Leben ohne Cup- und Ligatitel für mich schliesst sich wohl der Kreis.

Züri West, "Fingt ds Glück eim?":
00
Melden
Zum Kommentar
11
FCB unterliegt trotz Dominanz – GC verlässt letzten Platz der Super League
Der FC Basel kassiert zum Abschluss des Jahres eine überraschende Heimniederlage. Er unterliegt den zuvor neun Spielen in Folge sieglosen Grasshoppers mit 0:1.

Die Weihnachtspause kommt für den FCB zum richtigen Zeitpunkt. Nach den fast perfekten Wochen im November und dem zwischenzeitlichen Sprung an die Spitze der Super League hat er etwas seinen Elan verloren. Aus den letzten drei Partien in der Meisterschaft gab es nur noch zwei Punkte. Gegen GC blieb das Team von Fabio Celestini zum ersten Mal seit Ende September ohne Treffer.

Zur Story