Josh Holden kommt nach dem Training mit der ersten Mannschaft in die Sportsbar 67 in der Bossard Arena. Elegant in schwarz gekleidet, die Tattoos auf den Oberarmen schauen unter dem kurzärmeligen Hemd hervor.
40 ist er vor wenigen Tagen geworden. Er lebt in zwei Welten. Auf der einen Seite ist er hauptsächlich Spieler der EVZ Acadmey, andererseits hilft er in der 1. Mannschaft aus. 27 Mal lief er in dieser Saison für die Nachwuchsmannschaft in der Swiss League auf, 18 Mal für das Fanionteam in der National League.
watson: Ich sehe grad ihr Tattoo am linken Ringfinger. Was hat es damit auf sich?
Josh Holden: Das sind die Initialen meiner Frau. Ich musste meinen Ehering bei Trainings und Spielen immer ablegen. Wenn ich ihn dann mal wieder vergass anzustecken, zog sie mich immer auf. Darum habe ich das gemacht. Den Ring hab ich natürlich immer noch. Wenn wir ausgehen, ziehe ich ihn natürlich an. Übrigens: Es brauchte danach sieben Jahre, bis meine Frau sich meine Initialen auf ihren Ringfinger stechen liess. (lacht).
Wie wichtig ist Ihre Frau für Ihre Karriere?
Sehr wichtig. Sie macht sehr viel, organisiert alles. Sie ist eigentlich unser «Familien-Sportchef» (lacht). Ohne sie hätte ich womöglich vor vier oder fünf Jahren aufgehört.
Kommt sie noch immer Ihre Spiele schauen?
Ja, meine ganze Familie mit den drei Töchtern sitzt oft auf der Tribüne (der Stiefsohn lebt in Kalifornien). Das ist jetzt mit den Spielen für die Academy eigentlich sogar schöner geworden. Sie sind näher dran.
Aber vor 200 Leuten spielen, das macht doch keinen Spass, wenn man sich volle Hütten gewohnt ist?
Es war schon eine Umstellung. Das fühlte sich manchmal wie ein Testspiel an. Aber es hat auch schöne Seiten. Meiner Familie kann ich vor dem Spiel zuwinken. Ich habe auch Freunde ausserhalb des Eishockeys, die sagen: Zu den Academy-Spielen, da kommen wir hin.
Spielen Ihre Töchter auch Eishockey?
Nein, das nicht. Die jüngste spielt Unihockey, die anderen gehen lieber schwimmen oder spielen Volleyball. Ich sah so viel im Eishockey, ich weiss nicht, ob ich wollte, dass sie da mitspielen (lacht). Aber klar, sie kennen sich im Eishockey schon aus. Ich geniesse es auch, ihnen bei anderen Sportarten die Daumen zu drücken.
Sie sind vor wenigen Tagen 40 geworden. Sagt Ihre Frau nicht: «Josh, lass gut sein.»
Nein, sie ist stolz und macht alles, damit ich meine Leistung abrufen kann.
Wie fühlt sich die 4 auf dem Rücken an?
Ach, Alter ist eine Zahl. Als ich 38 war, buchte ich gleich viele Punkte wie ich Spiele bestritt (Saison 2015/16, 48 Partien, 18 Tore, 30 Assists). Schon damals sagten viele, ich sei zu alt. Aber das ist nicht fair. Ich will zeigen, dass du mit Passion, Liebe und Energie immer noch Leistung bringen kannst.
Fühlt es sich trotzdem manchmal schlecht an, mit Mannschaftskollegen zu spielen, die kaum halb so alt sind?
Bisher nicht (lacht). Ich war zu Beginn etwas nervös. Ich war zum Saisonstart auch noch verletzt und pendelte zwischen den beiden Teams. Aber dann sagte ich mir: Ach komm, hab einfach Spass. Das klappte. Einmal trainierten zwei Goalies mit uns mit Jahrgang 2002. Die sind so alt wie meine MITTLERE Tochter. Das ist schon speziell.
Haben Sie Privilegien im Team?
Nein, wir sind alle gleich. Das war auch einer der wichtigsten Faktoren, warum der EVZ es im letzten Jahr ins Playoff-Final schaffte. Wir waren alle auf einer Ebene. Natürlich gibt es kleinere Aufgaben, welche die ganz Jungen erledigen müssen.
Wie war das eigentlich, als Sie so jung waren?
Die Zeiten haben sich total geändert. Heute sind die Jugendtrainer eher Lehrer, wir arbeiten an Einzelskills und so. Früher lief es so: Wenn du das nicht machst, spielst du nicht. Als ich mit 16 zu den Regina Pats (WHL) kam, war mein Trainer einer der grössten Idioten, die ich je traf. Er hat nur geschrien. Und er machte mentale Spielchen.
Was für Spielchen?
Er liess dich einmal 60 Minuten auf der Bank, in der nächsten Partie hattest du 15 Minuten Eiszeit. Er wollte in deinen Kopf. Das hatte nichts mit «beibringen» zu tun.
Und Sie haben das alles akzeptiert?
Ja klar, wir mussten. Sonst warst du weg.
Hat er Sie in die «Bad Boy»-Rolle gepusht?
Das war eher die nordamerikanische Mentalität. Wenn du es nicht machst, dann warten hinter dir 20 andere, die es machen. Du musst mit allem um deinen Platz kämpfen. Seit ich klein war, sagte ich mir immer: Das ist mein Puck. Diese Fightermentalität gehörte immer dazu. In Kanada spielten wir viel aggressiver.
Sie gelten als «Böser». War das Absicht?
Ich wollte nie der Böse sein, ich wollte einfach immer alles machen, um zu gewinnen. Ich war nie der wirklich grosse Brocken, darum musste ich mich auch mit mentalen Tricks durchsetzen. Wenn der Gegner stets weiss, dass du mit Vollgas kommst, dann hat er vielleicht etwas Respekt. Ich wollte, dass meine Gegner immer wussten: Wenn du den Puck hast, hole ich ihn mir. Egal ob in der Defensive oder Offensive.
Trashtalk gehört da wohl dazu?
Ich war nie der grosse Trashtalker. Ich habe das vor ein paar Jahren eigentlich ganz abgestellt. Vielleicht ist es das Alter. Ich habe nicht mehr die Energie, um den ganzen Match zu schreien. Vor fünf, sechs Jahren wurden wir in den Playoffs von einem Team immer angemacht. Da entschied ich: Jetzt sag ich nichts mehr, aber zeige dem Gegner in jedem Einsatz, dass ich besser bin. Ich habe die Energie darauf fokussiert. Dieses Gefühl war super.
Martin Steinegger sagte bei uns kürzlich, früher war Eishockey «schmutziger». Stimmen Sie dem zu?
Zu 100 Prozent. Da hilft natürlich auch der Videobeweis. Nichts entgeht mehr und es gibt im Nachhinein Strafen. Früher kamst du auch mal davon. Steinegger war übrigens ein sehr harter Gegner.
Wer war denn der unangenehmste Gegenspieler ihrer Karriere?
Steinegger gehört da dazu. Von einem Schweizer hätte ich das nicht erwartet, wie er vor dem Tor jeweils aufräumte. Der härteste war Shawn Heins. Es gibt noch ein paar andere. Aber doch: Heins war der schwierigste Gegner. (Anmerkung der Redaktion: Holden und Heins spielten einst bei Fribourg eine Saison zusammen).
Wer war der beste Gegenspieler?
Da gibt es auch ein paar. Ich nehme die Ausländer raus, welche nur kurz in der Schweiz spielten. Es ist schwierig. Ich sag es so: Wenn ich als Sportchef auswählen müsste: Roman Wick. Wenn er spielen will und in der richtigen Linie aufläuft, dann kann er jeden Abend der Beste sein.
Und der beste Mitspieler?
Auch hier ohne Ausländer. Als ich bei Zug in meiner zweiten Saison mit Damien Brunner und Fabian Schnyder in einer Linie spielte. Brunner überlegte nicht, er spielte einfach. So während drei bis vier Jahren war er wohl der Beste.
Sie wurden in der NHL einst in der ersten Runde gedraftet. Den Durchbruch schafften Sie aber nicht. In einem früheren Interview eröffneten Sie, dass Sie nicht realisiert haben, dass man jeden Tag hart arbeiten muss. Wann änderte dies?
Nach meinem ersten Jahr in Zug bat mich Trainer Doug Shedden nach der Saison in sein Büro. Wir waren damals ca. sieben Ausländer. McTavish war da, DuPont, Isbister, Goran und so weiter. Er meinte: «Unsere Ausländer sind schlecht.» Ich dachte nur: Was? Ich bin ja auch einer davon. Ich hatte aber noch einen Vertrag, lief aus dem Meeting und sagte mir: Wirklich? Dir zeig ich's. Danach stellte ich mein Essen um, die mentale Vorbereitung und das Training. Ich zog es den ganzen Sommer durch. In der nächsten Saison bildete ich eine Linie mit den jungen Brunner und Schnyder – wir spielten super. Da wurde mir bewusst: Eishockey ist 12 Monate pro Jahr.
Sie stellten ihr Essen um. Ich las auch schon, dass Sie Vegetarier wurden.
Nicht zu 100 Prozent. Wenn Sie mir sagen würden: Holen wir uns einen Burger – ich wäre dabei. Oder ich liebe auch mal ein feines Steak. Aber wenn ich meine Menüs plane, dann lasse ich Fleisch weg. Ich esse viel Fisch, Gemüse und Salat. Wichtiger ist jedoch, dass ich nicht immer das Gleiche esse.
Der Auslöser war das Gespräch mit Shedden?
Nicht nur. Ich spielte mal eine Saison, in welcher ich fünf Kilo zunahm. Normalerweise ist es eher andersrum. Ich ging zum Arzt und er meinte, dass ich in der Magengegend blockiert sei. Meine Frau besuchte danach einen entsprechenden Kochkurs und ich stellte um. Seither verdaue ich besser und schneller. Das hilft.
Es gibt Leute, die behaupten, dass Fleischesser aggressiver sind.
Ich würde dem wohl total zustimmen (lacht). Für mich ist das so. Vielleicht liegt's aber auch am Alter. Ich bin geduldiger und ruhiger geworden.
Wie sieht es mit dem mentalen Training aus. Was machen Sie da?
Es ist eine Audiohypnose. Da geht es mehr darum, dass ich mir positive Dinge anhöre. Es geht ums Gewinnen, ums positive Denken. Das dauert 20 Minuten. Ich mache es hin und wieder.
Mit der Erfahrung aus einer über 20-jährigen Karriere. Was würden Sie dem jungen Josh Holden raten?
Ein 18- bis 20-Jähriger muss vor allem spielen. Meine besten Jahre hatte ich ab 27. Bis dahin musste ich viel sehen und lernen. Die Jungen sollen nicht denken, sie müssen jetzt in die National League. Sie haben noch so viele Trainings und Spiele vor sich. Wichtig ist einfach, dass man in jedem Training besser als der Nebenmann sein will. Irgendwann wird das zur Gewohnheit und du wirst besser.
Sehen Sie bei Ihren Academy-Teamkollegen Spieler mit Potential für eine grosse Karriere?
Ich will hier keine Namen nennen, das wäre nicht fair. Mit den aktuellen Trainern sind wir auf einem guten Weg. Einige werden in ein paar Jahren feste Grössen sein. In der Swiss League können sie sich gut entwickeln, aber sie müssen weiter hart arbeiten.
Fällt es Ihnen eigentlich leicht, Ihre Tipps weiterzugeben?
Das ist nicht immer einfach. Manchmal ist es wirklich nur meine Meinung und ein Spieler braucht für seine Entwicklung meine Tipps nicht. Aber in Sachen Erfahrung kann ich schon vieles beitragen. Ich will die Jungen unterstützen, im Eishockey 2018 muss man positiv miteinander umgehen. Und ich gebe ihnen meine Einstellung weiter. Wir spielten in dieser Saison in Rapperswil, es stand bis kurz vor Schluss 3:3. Wir verloren, aber viele waren zufrieden. Für mich war es eher ärgerlich und ich fragte, hätten wir hier nicht ein Topteam schlagen können?
Sind die jungen Spieler heute verweichlicht?
Ich weiss es nicht. Ich sage Ja und Nein. Es ist hier anders als in Kanada. Wie vorher gesagt, dort hatten wir so viele Spieler. Es heisst «do or die». Hier rutscht du eher kurzfristig mal ins NL-Team nach, musst dann aber auch im kalten Wasser schwimmen. Und sie haben heute viel um die Ohren. Schule, Arbeit, Training, Selbsttraining, Essen. Das war bei mir noch einfacher.
Gehören Sie eigentlich fast ein wenig zum Trainerteam in der Academy?
Nein, die Trainer sind Stefan und Janick. Klar besprechen wir uns. Ich bin irgendwo in der Mitte. Ich versuche ein Leader zu sein und den Jungs zu zeigen, was es braucht, um als Profi zu leben.
Werden Sie ein zweiter Jaromir Jagr, der bis 46 spielt?
(Lacht). Nein. Ich weiss nicht, wie er das macht.
Endet die Spielerkarriere von Josh Holden im Sommer?
Ich weiss es noch nicht. Wenn ich mich mit Zug finde, super. Es hängt nicht nur mit dem Schweizer Pass zusammen.
Streben Sie eine Trainerkarriere nach der Spielerkarriere an?
Ich besuche im Sommer vermutlich einen Trainerkurs, aber ich weiss noch nicht, ob ich als Headcoach arbeiten möchte. Ich mag die Arbeit mit Jungen und will diese weiterbringen. Oder irgendwas im Scouting.
Was, wenn Sie nicht im Eishockey bleiben?
Ich habe einige Ideen. Vielleicht eröffnen wir mit Freunden eine Weinbar. Aber jetzt geniesse ich es, zu spielen. Es kommt dann schon gut.
Was machen Sie eigentlich neben dem Eishockey?
Ich gehe Biken oder Joggen. Ob ich Skifahren dürfte, weiss ich gar nicht genau. Das riskiere ich nicht. Ich will mich nicht verletzen.
Wie sieht's mit Wandern aus. Waren Sie schon einmal auf der Rigi oder dem Pilatus?
Ich muss gestehen: Nein. Meine Frau sagt's mir jedes Mal. Aber wir waren wohl schon auf allen Bergen rundherum. Es ist wie so oft: Was vor der Haustüre liegt, macht man selten. Die Familie meiner Frau stammt aus der Region des Grand Canyons. Aber zusammen waren wir noch nie dort.
Glauben Sie, dass irgendwann Ihre Nummer 27 unter dem Zuger Hallendach hängt?
(Lacht.) Keine Ahnung. Die Nummer hat mir Glück gebracht. Sie war gut zu mir. Wir werden sehen.