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Challenge League: Alex Frei und Stephan Keller im Doppel-Interview

Alex Frei und Stephan Keller verbindet eine gemeinsame Geschichte.
Alex Frei und Stephan Keller verbindet eine gemeinsame Geschichte.bild: imago images, watson
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«Du hast mich schon lange nicht mehr nackt gesehen» – Frei und Keller im Interview

In der U21-Nationalmannschaft feierten sie gemeinsam Erfolge, neben dem Platz verbindet sie der Mut zum Klartext: Heute treffen Alex Frei und Stephan Keller als Trainer im Spitzenspiel der Challenge League aufeinander (Freitag 20.15 Uhr). Ein Gespräch über Kapitulation im Aufstiegsrennen, David Beckham, stinkende Turntaschen und Anforderungen an die heutige Trainergeneration.
11.03.2022, 13:5511.03.2022, 14:18
sebastian wendel und françois schmid-bechtel / Aargauer Zeitung
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Der Vorstoss der Schweizer U21-Nationalmannschaft in den Halbfinal an der Heim-EM 2002 hievt unseren Fussball auf eine neue Stufe. «Seither sind wir nicht mehr die kleinen Schweizer», sagt Stephan Keller, damals Abwehrpatron der «Titanen» und neben Kumpel Alex Frei der Wortführer.

Trotz unterschiedlich erfolgreicher Spielerkarrieren waren sich der Zürcher und der Basler im Geist stets nah – heute treffen sie als Trainer im Challenge-League-Spitzenspiel Winterthur gegen Aarau aufeinander. Die beiden im Vorfeld gemeinsam an einen Tisch zu bringen, war terminlich unmöglich. Also sitzt Keller beim Interview in seinem Büro, Alex Frei im Zug von Winterthur nach Basel.

Warum steigt der FC Aarau auf?
Alex Frei:
Weil er sich punktuell verstärkt hat, mit einer klaren Idee dahinter und nicht Harakiri. Weil er mittlerweile mit einer grossen Selbstverständlichkeit auftritt. Als Konkurrent hofft man ständig auf einen Punktverlust, aber das passiert kaum noch. Und den FC Aarau zeichnet punkto Spielstil eine beeindruckende Konstanz aus. Vieles davon ist das Verdienst von Stephan.

Alex Frei – Cheftrainer FC Winterthur
Basel, Thun, Luzern, Servette, Rennes, Dortmund, Basel: Freis Spielerkarriere war eine überaus runde Sache, überall erzielte er überdurchschnittlich viele Tore. Sein grösstes Werk dauerte von 2001 bis 2011: Mit 42 Toren in 84 Spielen ist er bis heute Rekordtorschütze der Schweizer Nationalmannschaft. Frei, geboren am 15. Juli 1979, ist seit Dezember 2021 Trainer des FC Winterthur und lebt mit Frau Nina und den zwei Kindern in der Region Basel.

Das geht Ihnen runter wie Sirup.
Stephan Keller:
Fremdeinschätzungen nehme ich immer so auf. Nein – ist korrekt, gut analysiert.

Alex Frei, haben Sie im Aufstiegskampf kapituliert?
Frei:
Nein. Für uns ist es wichtig, den Traum vom Aufstieg so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Bis auf den FC Aarau hat sich kein Verein klar positioniert und sich den Aufstieg zum Ziel gesetzt. Wir versuchen, Aarau so lange wie möglich unter Druck zu setzen. Je länger wir vorne mitmischen, desto eher werden auch wir über den Aufstieg reden. Aber dafür ist es jetzt noch zu früh. Denn bei uns ist der Aufstieg keine Zielvorgabe.

Challenge League Tabelle, 11. März 2022
Bild: watson

Vermissen Sie die Klarheit bei der Konkurrenz ? Schliesslich sind die finanziellen Voraussetzungen bei den meisten anderen Challenge-League-Klubs nicht schlechter als in Aarau.
Keller:
Was die Finanzen betrifft, stimme ich Ihnen zu. Bezüglich Kommunikation muss jeder Verein für sich entscheiden, wie er sich positionieren will. Aber die Tiefstapelei erstaunt mich schon. Nehmen wir Winterthur: Ohne Aufstiegsambitionen hätten sie locker auf den Trainerwechsel von Ralf Loose zu Alex Frei während der Saison verzichten können. Aber klar: Wir sind ein gewisses Risiko eingegangen, weil wir den Aufstieg vor Saisonstart als Ziel ausgegeben haben.

«Ein Aufstieg soll nicht an Vorgaben scheitern.»
Alex Frei

Halten Sie Alex Frei für einen Tiefstapler, wenn er sagt, den FC Aarau lediglich ärgern zu wollen?
Keller:
Ich kenne ihn nicht anders.
Frei: Klammern wir Aarau mal aus. Thun hat ein Stadion, in dem man ohne weitere Aufwendungen Super League spielen kann. Schaffhausen und Xamax ebenso. Wenn wir aufsteigen, muss man einfach mal 1,5 Millionen aufwenden. Das beginnt beim Licht und endet bei den VIP-Plätzen, wobei es fraglich ist, ob es diese überhaupt braucht. Item: Die 1,5 Millionen muss man erst mal stemmen. Das heisst, es braucht Support von aussen. Und deshalb können wir nicht einfach so den Aufstieg zum Ziel ausrufen.

Stephan Keller – Cheftrainer FC Aarau
In jungen Jahren war auch Keller Schweizer Nationalspieler (drei Einsätze), der grosse Durchbruch als Spieler blieb ihm jedoch verwehrt: In der Schweiz spielte er als Profi für den FCZ, Xamax und Aarau, im Ausland für Erfurt, Sydney und mehrere Vereine in Holland, wo er mit Frau Michèle und den drei Kindern dann auch sesshaft geworden ist. Keller, geboren am 31. Mai 1979, ist seit Juli 2020 Trainer des FC Aarau.

Soll man denn im alten Brügglifeld Super League spielen dürfen?
Frei:
Ein Aufstieg soll nicht an Vorgaben scheitern, von denen ich einige für unnötig erachte. Sicher, das Licht muss stark genug sein, damit das Fernsehen anständig produzieren kann. Für den Ausbau von Gästefansektoren habe ich auch Verständnis. Aber wenn es darum geht, statt 100 neu 250 VIP-Plätze anbieten zu müssen, weiss ich nicht, ob die Relationen gewahrt werden. Selbstverständlich soll Aarau im Brügglifeld Super League spielen dürfen. Das hat schon funktioniert, als ich mit Servette und später mit dem FC Basel dort gespielt habe und es noch Schwarz-Weiss-Fernsehen gab.

Herr Keller, funktioniert der FC Aarau auch in einem neuen Stadion, wenn es denn mal kommt?
Keller:
Das Stadion ist die Verpackung. Aber der Inhalt bleibt sehr wichtig. Trotzdem ist es Zeit, auch den Anwohnern ums Brügglifeld, mit einem neuen Stadion an einem anderen Standort etwas Entlastung zu bieten.

Eine Frau mit einer beschrifteten Weste "Covid Angel" kontrolliert die Gaeste anlaesslich der Maskenpflicht im Halbfinale des Schweizer Cup 2020/21 zwischen dem FC Aarau und dem FC Luzern im ...
Das legendäre Brügglifeld in Aarau.Bild: keystone

Wie war es für Sie, als Sie 15 Jahre nach ihrer Zeit als Spieler nach Aarau zurückgekehrt sind? Eine Zeitreise in die Vergangenheit?
Keller:
Ja, es hat sich angefühlt, als sei die Zeit stehen geblieben, zumindest was die Stadion-Infrastruktur betrifft. In der Corona-Zeit hat es aber verschiedene Verbesserungen gegeben. Darüber bin ich froh und dankbar.

Gibt es Momente, in denen Sie die Zeit gerne zurückdrehen möchten, nochmals Spieler sein?
Frei:
Nein, überhaupt nicht. Aber ich denke gerne zurück. An die Zeiten mit Steph in der U21, an die Spiele mit der A-Nati und mit den Klubs. Aber es fehlt mir heute nicht und ich denke auch nicht, dass ich etwas verpasst hätte.

Gerade diese Zeit um 2002 mit der U21-Heim-EM. Scheinbar unbeschwert. Erfolgreich. Ein riesiger Kitt im Team. So etwas erleben Sie als Trainer nie mehr.
Frei:
Wir sind alle den gesellschaftlichen Entwicklungen ausgesetzt.

Was meinen Sie?
Frei:
Der Egoismus scheint mir ausgeprägter als früher. Trotzdem bleibt der Trainerjob auch so interessant. Heute ist es herausfordernder, eine Homogenität im Team hinzukriegen. Die Zeiten, als man diktatorisch führen konnte, sind vorbei. Steph und ich haben erlebt, dass man uns sagte, nimm zwei Medizinbälle und renn zehn Kilometer. Wir haben das gemacht. Heute hast du als Trainer sofort den Anwalt und den Spielerberater am Hals. Ich will damit nicht werten, ob es früher besser oder schlechter war. Was aber gleich geblieben ist: Wenn dich die Mannschaft nicht mag, wenn du keinen Kitt hinkriegst, bist du nach sechs Monaten als Trainer auf verlorenem Posten.

Kitt ist wichtiger als Laptop?
Frei:
Das ist mir zu einfach, zu kategorisch. Es ist ja nicht so, dass heute alle Trainer nur noch mit dem Laptop rumrennen. Sich die Fachkompetenz anzueignen, ist mit den modernen Mitteln vielleicht einfacher. Aber Ideen und Philosophien zu vermitteln, das ist die grosse Herausforderung. Und das hat nicht mehr viel mit Laptop zu tun.
Keller: Es gibt auch Punkte, die einem Trainer das Arbeiten leichter machen. Die heutige Spielergeneration hat ein professionelleres Körperbewusstsein. Teilweise musst du sie bremsen, dass sie nicht an jedem freien Tag Zusatzschichten machen. Das war zu unserer Zeit nicht der Fall. Wichtig ist für einen Trainer die Erkenntnis, dass man nicht sein Alter Ego trainiert, sondern Spieler, die eine oder zwei Generationen jünger sind.

Foto Manuel Geisser 19.02 2022 . Fussball Challenge League.Saison 2021/2022 SC Kriens-FC Aarau Bild : Trainer Stephan Keller - Kevin Spadanuda (FC Aarau) Aktion *** Photo Manuel Geisser 19 02 2022 Foo ...
Stephan Keller im Gespräch mit Kevin Spadanuda.Bild: IMAGO / Geisser

Warum haben die Spieler heute eine professionellere Berufseinstellung als Ihr sie hattet?
Keller: Jede Spielergeneration hat ihre prägende Figur. Für viele Spieler von heute ist das Cristiano Ronaldo. Er hat aufgezeigt, dass man mit absoluter Seriosität der beste Spieler der Welt werden kann. Zu unserer Zeit eiferten wir eher dem schlauen Fuchs nach. Wir eiferten dem Spieler nach, der mit wenig Aufwand drei Gegner ins Leere laufen lässt. Ronaldo hat für eine neue Bewegung gesorgt. Jeder ist topseriös, jeder will einen Waschbrettbauch, jeder will alles in Ordnung haben und ordnet alles dem Fussball unter.

«Früher gab es in jedem Team drei, vier Spieler, für die man ins Stadion ging, um sie entweder zu sehen oder sie zu beleidigen.»
Alex Frei

Wer hat Ihre Generation geprägt?
Keller: Ich meine, David Beckham. Er war nicht unbedingt mein Vorbild, aber er hat uns alle irgendwie geprägt. Er war auf seine Art Non-Konformist. Strichen wir Gel in die Haare, gabs garantiert einen Spruch vom Trainer. Ebenso, wenn die Schuhe nicht schwarz waren. Beckham machte den individuellen, den trendigen Fussballer salonfähig. Wenn man den Materialwart um ein Trikot der Grösse M statt XL bat, weil wir ja gut in Form waren, hiess es: Mund halten, keine Starallüren, anziehen, was vorhanden ist. Beckham hat dafür gesorgt, dass man sich mit und ohne Ball auf dem Platz ausdrücken kann.

Wenn die Spieler schon derart seriös und professionell sind, scheint es einiges einfacher, heute Trainer zu sein.
Frei:
Einverstanden. Die meisten Spieler sind dank der Leistungszentren, die vor etwas mehr als 20 Jahren initiiert worden sind, besser ausgebildet. Die Professionalität stimmt. Aber ich weiss nicht, ob sie immer wissen, wann was zählt, weil sie sich häufig in einer Art Parallelwelt bewegen. Die erste Aktion nach dem Match: Der Griff zum Smartphone. Das war zu unserer Zeit nicht möglich. Wir hatten kein Instagram, Facebook und so Zeugs. Zum Glück gab es das noch nicht. Denn das hat uns auch ein paar Mal den Arsch gerettet. Ich glaube, die Persönlichkeitsentwicklung leidet heute. Die Spieler in den Leistungszentren müssen nicht viel überlegen, weil ihnen ausser der Arbeit auf dem Platz fast alles abgenommen wird. In der U16 wird deine Wäsche gewaschen. Steph und ich kannten das nicht. Wenn wir vergessen haben, zu Hause die Wäsche aus der Tasche zu nehmen, haben unsere Trikots im nächsten Training fürchterlich gestunken. Denn uns hat Mami die Tasche nicht ausgeräumt.

Was stört Sie, wenn der erste Griff zum Smartphone geht?
Frei:
Schauen Sie in die Super League. Früher gab es in jedem Team drei, vier Spieler, für die man ins Stadion ging, um sie entweder zu sehen oder sie zu beleidigen. Wenn ich heute die zehn Mannschaften anschaue, fällt es mir schwer, Persönlichkeiten zu finden.

Wünschen Sie, dass nach dem Spiel in der Garderobe ein paar Kisten Bier leergetrunken werden und die Spieler sich danach unters Volk mischen?
Frei:
Nein, nein. Man müsste die Spieler viel früher zur Selbstständigkeit erziehen. Und man soll die Spieler in den Leistungszentren nicht gleichschalten, sondern ihnen ihre Individualität und Kreativität lassen. Ich habe das selbst erlebt. Wenn einer in der U16 etwas unbequem war, diskutierte man dreimal hin und her, ob man ihn weiter fördert.

Die U-21 Nationalmannschaft mit Mario Eggimann, Stephane Grichting, Reto Zanni, Ludovic Magnin, Alain Rochat, und Stephan Keller, oben, vlnr, Alex Frei, Remo Meyer, Nicolas Beney, Daniel Gygax und Ric ...
Stephan Keller (oben rechts) und Alex Frei (unten links) gemeinsam in der U21-Nati.Bild: keystone

Wie soll die Persönlichkeit gefördert werden, wenn man mit 15, 16 schon voll auf Fussball setzt?
Keller:
Was die Jugendförderung betrifft, habe ich mehr Wissen über Holland als über die Schweiz. Dort haben wir die kreativen Spieler schon gelassen, wie sie sein sollen. Ich sage auch: Das Smartphone ist ein gesellschaftliches Problem. Die meisten Menschen wissen kaum mehr etwas mit sich anzufangen, wenn sie nicht ins Gerät starren können. Aber bestimmt haben sich auch unsere Trainer an den Kopf gegriffen, wenn wir die Marotten unserer Zeit, iPod, Playstation, DVD-Player oder so, ins Trainingslager mitbrachten. Andererseits musst du als Trainer dank der Digitalisierung nicht mehr kontrollieren, ob die Spieler um 24 Uhr zu Hause sind. Die liegen schon um 20.00 Uhr im Bett, schlafen halt erst um 04.00 Uhr – Screentime ohne Ende!

«Ich muss wahrscheinlich doppelt so viel Aufwand betreiben als Steph, um als Trainer und nicht als ehemaliger Nati-Spieler wahrgenommen zu werden.»
Alex Frei

Themawechsel: Wenn Alex Frei hustet, ist er zwei Tage in den Medien. Sie, Stephan Keller, müssen einen Ballbub zusammenstauchen, um es auf die Titelseite zu schaffen. Wären Sie gerne mal der andere?
Frei:
Nein. Ich kann nichts dafür, dass es so ist. Ich kenne es nicht anders, und das hat nichts mit Überheblichkeit zu tun. Denn ich suche die Aufmerksamkeit auch nicht. Es ist mein Los.

Und ist das mühsam?
Frei:
Ja, weil Steph viel mehr als Trainer wahrgenommen wird als ich. Mich fragen Leute immer noch, wo ich spielen würde. Aber ich spiele schon neun Jahre nicht mehr.

Einmal Nati-Rekordtorschütze, immer Nati-Rekordtorschütze. Zumindest, bis der nächste kommt.
Frei:
Dann habe ich aber ein Problem.

Weil kein Nachfolger in Sicht ist?
Frei:
Es wird immer einen Nachfolger geben. Ich denke jedoch, bis dahin wird noch etwas Zeit vergehen. Zu Ihrer eigentlichen Frage: Ich muss wahrscheinlich doppelt so viel Aufwand betreiben als Steph, um als Trainer und nicht als ehemaliger Nati-Spieler wahrgenommen zu werden.

Foto Manuel Geisser 30.01.2022 Winterthur , Stadion Schützenwiese , Saison 2021/2022 Herren Fussball Challenge League FC Winterthur - SC Kriens Trainer Alexander Frei (FC Winterthur)
Alex Frei hat im Dezember den FC Winterthur übernommen.Bild: IMAGO / Geisser

Vielleicht geht Alex Frei wegen seiner Bekanntheit die eine oder andere Türe mehr auf als Stephan Keller.
Frei: Vielleicht mehr, vielleicht aber auch weniger…
Keller: Ich jammere nicht. Tendenziell hat ja jeder das Gefühl, beim Nachbarn sei das Gras grüner als bei einem selber. Die Aufmerksamkeit, die ich erhalte, ist sicher genau richtig.

Spüren Sie aus Holland mehr Anerkennung?
Keller:
Wenn Sie damit meinen, ob mich jede Woche fünf Reporter aus Holland anrufen? So ist es nicht. Wenn Alex sagt, dass gewisse Leute nicht mal wissen, dass er kein Spieler mehr ist, spricht das ja für sich. Aber: Schweizer Rekordtorschütze, das bleibt für immer. Wir beide haben zum Glück Wege gefunden, uns nach der Aktivkarriere in Ruhe auf unsere Rollen als Trainer vorbereiten zu können.

Stichwort «finanzielle Unabhängigkeit»? Ihr müsst nicht, sondern dürft Trainer sein?
Keller:
Es geht nach der aktiven Karriere nur sehr bedingt um Geld. Sondern darum, eine Aufgabe zu finden und seine Komfortzone zu verlassen, wenn der Tagesablauf nicht mehr nur vom Trainingsplan bestimmt wird. Dazu kommt, dass plötzlich dein Name nicht mehr jeden Tag in der Zeitung steht. Ich wusste früh, dass ich Trainer werden will und habe mir im Nachwuchs vom PSV Eindhoven und NAC Breda die Sporen abverdient. Es gab jeden Tag einen Grund, aus dem Haus zu gehen. Ich denke, das gilt auf seine Art und Weise auch für Alex, der seine interessante Aufgabe im Juniorenbereich des FC Basel fand.

Das nennt man dann wohl Karriereplanung am Reissbrett. Ist das im Trainermetier überhaupt möglich, Stephan Keller?
Keller:
Diese Frage stellen Sie mir ein paar Jahre zu früh. Ich wollte mich nach der Spielerkarriere erst mal ausruhen. Das Sabbatical dauerte dann nur drei Monate, weil mir einfach saulangweilig war. Alle Gleichaltrigen arbeiten, die Kinder sind in der Schule. So begann ich, an verschiedenen Orten reinzuschauen und versuchte, die Dinge, die mich während meiner Karriere gestört haben, anders zu machen. Wenn das funktioniert, gibt das Bestätigung und es geht immer weiter.

Sie haben in der U17 begonnen – warum nicht weiter unten?
Keller:
Kindern die Schuhe zu binden und Werte zu verändern, die sie von den Eltern bekommen, betrachte ich nicht als meine Aufgabe. Bei einem 17-Jährigen indes ist die Persönlichkeit ein Stück weit gereift, er interessiert sich für Bezugspersonen abseits des Elternhauses. Eben zum Beispiel für den Fussballtrainer.

Apropos Kinder: Während Stephan Keller in der Schweiz arbeitet, lebt seine Familie 700 Kilometer entfernt in Holland. Wäre das auch für Sie denkbar?
Frei:
Für mich persönlich unmöglich! Dafür gebührt Steph meine volle Bewunderung.

Ist die Trennung von der Familie ein Opfer zugunsten Ihrer Trainerkarriere?
Keller:
«No bad feelings» gegenüber der Schweiz: Aber meine Frau will unsere Kinder nicht aus ihrem Umfeld in Holland herausreissen. Die zwei älteren Söhne haben einige Umzüge mitgemacht, was positiv war für die Persönlichkeitsentwicklung, in der Schule aber zum einen oder anderen Problem führte. Sie sollen in Holland die Ausbildung abschliessen, dann schauen wir weiter.

Welche Vorteile bringt die räumliche Trennung von der Familie mit sich?
Keller:
Wenn ich meine Familie hier hätte, wäre dieser Interviewtermin wahrscheinlich so nicht zustande gekommen. Dann wäre ich wie Alex gerade unterwegs nach Hause und würde nach einem langen Trainingstag nicht im Büro sitzen und mit Euch reden. So gesehen bewundere ich Alex auch, wie er Familie und Trainerjob unter einen Hut bringt. Ich bin froh, kann ich während der Saison von morgens bis abends an Fussball denken. Dafür steht in den Auszeiten die Familie im Vordergrund. Für meine Frau und mich stimmt die Situation, aber ewig wird es nicht so bleiben.

«Es sind noch keine Gespräche im Familienrat vereinbart.»
Stephan Keller

Ihre nächste Trainerstation wird demnach in Holland sein?
Keller:
Für meine Frau ist es, wie gesagt, schwer vorstellbar, in die Schweiz zurückzukehren. Es gibt ja noch andere Länder.

Als Sie 2017 als Assistenztrainer nach Aarau kamen, vereinbarten Sie mit Ihrer Frau maximal fünf Jahre Trennung. Müssen Sie die Frist bald neu verhandeln?
Keller:
2018 habe ich den FCA für ein halbes Jahr verlassen, dann war ich 2020 wegen Corona sechs Monate zuhause. Es sind noch keine Gespräche im Familienrat vereinbart.

Hat ein Trainer ein vordefiniertes Ablaufdatum?
Frei:
Das hängt vom Klub ab, ein Guy Roux (von 1961 bis 2005 Trainer in Auxerre; d. Red.) wird künftig jedoch sicher die absolute Ausnahme sein. Abnützung eines Trainers gegenüber dem Team ist nicht zwingend, solange man authentisch bleibt. Vielmehr besteht für einen Trainer die Gefahr, auszubrennen, wenn die Work-Life-Balance nicht stimmt.

Was tun Sie, um körperlich und geistig fit zu bleiben?
Frei:
Leider nicht mehr so viel wie früher. Velofahren, Krafttraining, viel Sauna.
Keller: Krafttraining? Du?
Frei: Du hast mich schon lange nicht mehr nackt gesehen!
Keller: Das müssen wir nachholen – vielleicht nach dem Spiel? (lacht)
Frei: Die Proportionen haben sich von oben nach unten verschoben. Der Geist ist zum Glück wach wie immer.

Und was machen Sie für Ihren Körper?
Keller:
«The sixpack is built in the kitchen!» Auf die Ernährung achten nach dem Motto: Weniger ist mehr. Sonst finde ich im Suhrer Wald neben dem Brügglifeld tolle Joggingrouten – das wärs dann.

DANKE FÜR DIE ♥
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Die Bilder des FC Aarau nach dem verpassten Aufstieg
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Die Bilder des FC Aarau nach dem verpassten Aufstieg
quelle: keystone / peter klaunzer
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3 Kommentare
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Wir wünschen euch einen so guten Tag, wie ihn Pep damals beim Training hatte
Du hast schlechte Laune? Führ' dir mal dieses Video von Manchester-City-Coach Pep Guardiola zu Gemüte. Es geht dir dann besser, versprochen.

(Und Pep selbst sollte es vielleicht auch gleich schauen, nachdem er gestern Abend auf ziemlich bittere Art und Weise aus der Champions League ausgeschieden ist und sich emotional gerade in weniger berauschenden Dimensionen bewegen dürfte ...)

Liebe Community,
aktuell kann einem vieles auf die Stimmung schlagen (was soll dieser erneute Wintereinbruch, gopf?! Schnee??? Ernsthaft?
🤬). Aber jetzt bloss nicht den Kopf hängen lassen. Wir haben hier eventuell genau die Dopamin-Spritze, die ihr braucht. Toggi meinte jedenfalls, ihm sei es nach dem Video direkt wieder besser gegangen. «So fühl ich mich amis, und so rede ich zu den Kindern, wenn die mal selber das Zimmer aufgeräumt haben», gab er zu Protokoll.

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