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Am Sonntag in Vaduz (16 Uhr, SRF 2) kann der FC Basel frühzeitig Schweizer Meister werden – zum siebten Mal in Serie, zum 19. Mal insgesamt. Voraussetzung dafür ist, dass am gleichen Tag YB gegen den FC Zürich weniger Punkte holt als der FCB in Liechtenstein. Meisterfeier im «Ländle» oder eine Woche später im eigenen Wohnzimmer, im «Joggeli»? FCB-Sportdirektor Georg Heitz antwortet auf diese und viele weitere Fragen.
Was wäre Ihnen lieber: Wenn der FCB am Sonntag in Vaduz Meister werden würde oder eine Woche später im eigenen Stadion gegen Sion?
Georg Heitz: Was man hat, das hat man. Umso früher wir es klar machen können, umso besser. Solche Gedankenspiele sind purer Luxus. Ich gehe zudem davon aus, dass YB am Sonntag gegen den FC Zürich gewinnt – somit könnten wir in Vaduz gar nicht Meister werden.
Wenn ein Schweizer Verein in einer Luxussituation ist, dann der FCB.
Wir sind hier nicht bei «Wünsch dir was». Unsere Aufgabe ist es, konzentriert zu bleiben und unsere Spiele zu gewinnen. Alles andere können wir nicht beeinflussen.
Der Mannschaft gelingt es erstaunlich gut, die Konzentration hoch zu behalten. Überrascht das auch Sie?
Das ist keine Selbstverständlichkeit und deshalb umso beeindruckender. Es zeigt, wie ehrgeizig und professionell die Spieler sind. Aber es geht natürlich auch für jeden einzelnen darum, sich für die nächste Saison zu positionieren. Auf einige wartet die Europameisterschaft, für die sie sich empfehlen wollen.
Es wäre irgendwo menschlich angesichts von 18 Punkten Vorsprung auf YB, wenn nicht mehr jedem Ball nachgerannt würde.
Von Fussballern wird allgemein erwartet, dass sie in jeder Situation Vollgas geben. Trotzdem ist die Konstanz, welche die Mannschaft derzeit an den Tag legt, ausserordentlich.
Der FCB steht vor dem siebten Meistertitel in Serie. Welche Emotionen löst das noch aus?
Eine schwierige Frage zu diesem Zeitpunkt. Wir sind noch nicht Meister – auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass wir es werden, gross ist. Aus Respekt dem Wesen dieses Sports gegenüber möchte ich noch nicht über Titelgefühle sprechen. Abgesehen davon geht es hier nicht um meine Gefühle, sondern um die Bedeutung des Titels für den Klub. Es wäre ein weiterer Meilenstein.
Verglichen mit den letzten verläuft die aktuelle Saison ausgesprochen ruhig.
Es gab auch in dieser Saison das eine oder andere Wellental. Ich gebe ihnen aber recht, es war schon unruhiger.
Geniessen Sie die Ruhe?
Geniessen können wir den Abend, an dem wir Meister werden, wenn es denn so weit kommt.
Warum ist es sportlich gesehen so ruhig rund um den FCB?
Der Trainer geht konsequent seinen Weg und investiert sehr viel in die Mannschaftsführung. Was eigentlich im Sinne des Erfinders wäre, leider aber nicht immer der Realität entspricht. Die Ruhe ist ein Hauptverdienst von Urs Fischer, in Verbund mit den Führungsspielern rund um Captain Matias Delgado.
Was genau macht Fischer im Umgang mit den Spielern so gut?
Ehrlichkeit und Direktheit tut vielleicht manchmal weh, ist für den Trainer auf lange Sicht aber das wichtigste Mittel zur Glaubwürdigkeit.
Wie sind Sie mit der spielerischen Entwicklung der Mannschaft unter Urs Fischer zufrieden?
Im Winter konnte Urs Fischer die Vorbereitung ganz nach seinem Geschmack abhalten, was im Sommer wegen verschiedener Faktoren nicht möglich war. Es hat eine gewisse Logik, dass dann in der Rückrunde alles einfacher fällt.
Welchen Einfluss hatte das Ausscheiden in der Europa League gegen Sevilla auf die zuletzt starken Auftritte?
Die Doppelbelastung ist in der Tat enorm. Bei einem Weiterkommen wäre es zudem schwierig geworden, die vorgegebenen Ruhezeiten von 48 Stunden zwischen zwei Spielen einzuhalten. Der Spielplan der Super League ist nicht darauf konzipiert, dass eine Schweizer Mannschaft bis in die Schlussphase im Europacup dabei ist.
Wie unterscheidet sich ihre Zusammenarbeit mit Urs Fischer von derjenigen mit Paulo Sousa in der letzten Saison?
Nicht grundlegend, die ist so wie mit allen Trainern in den vergangenen Jahren. Sprachlich ist es einfacher, es ist immer von Vorteile, sich in der Muttersprache über die gegenseitigen Bedürfnisse auszutauschen.
Die Klubführung hatte gewisse Erwartungen an Urs Fischer – erfüllt er diese?
Mehr als das. Würde ich sagen, er erfülle sie, würde ihm das nicht gerecht.
Welche Rolle spielt in Fischers Arbeitsethos, dass er weder als Spieler noch als Trainer je einen Meistertitel gewonnen hat?
Ich schätze Urs Fischer nicht so ein, dass er nach seinem ersten Meistertitel nachlassen würde und nicht mehr den gleichen Hunger auf Erfolg hätte. Er ist ein Mensch, der den Fussball sehr gern hat und möchte, dass seine Mannschaft erfolgreich und attraktiv auftritt. Einen Titel zu bestätigen ist nicht selten schwieriger, als ihn zu holen.
Hat Urs Fischer sie in irgendeiner Weise überrascht?
Wir haben uns im Voraus sehr gut erkundigt über ihn, insofern sind Überraschungen ausgeblieben.
Welche Entwicklung hat er beim FCB genommen?
«Entwicklung» ist ein zu starker Begriff. Er hat sich den Gegebenheiten beim FCB angepasst. Was wohl jeder Trainer bei einem neuen Arbeitgeber machen muss, will er ein guter Trainer sein. Urs musste wie seine Vorgänger feststellen, wie hoch die Ansprüche an den FCB sind. Von Seiten Medien und Publikum verträgt es nicht viel.
Wird Fischer genug wertgeschätzt?
Ich kann dies nur aus interner Sicht beurteilen: Er geniesst von den Spielern und allen anderen FCB-Angestellten eine riesige Wertschätzung. Beim FCB besteht die Gefahr, dass die Rolle des Trainers extern als nicht so wichtig angesehen wird. Das ist falsch, jedes Jahr ist ein neues Projekt und hinter jedem Titel steht ein Haufen harter Arbeit.
Die wichtigste Fähigkeit, die ein FCB-Trainer haben muss: Er muss ein Menschenfänger sein, er muss die Individuen bei Laune behalten. Fussballerisch kann er sich darauf verlassen, dass die Qualität stimmt.
Menschenführung ist das Stichwort. Und mit etwas vom Schwierigsten für den Trainer des FC Basel.
Im Winter haben wie schon ein Jahr zuvor viele Spieler den FCB nach der Hälfte der Saison verlassen. Eine Entwicklung, die Ihnen Sorgen bereitet?
Unser Ziel ist es, möglichst viel Erfolg zu haben. Wenn dafür viele Mutationen nötig sind, ist es halt so. Solche Dinge können wir im Voraus nur sehr bedingt beeinflussen. Das sind Dynamiken, die vom Markt, von Spielern und ihren Agenten gesteuert werden.
Muss sich der FCB darauf vorbereiten, künftig nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter einen Kaderumbruch zu bewältigen?
Das glaube ich nicht. Ein Spieler, der mit uns einen Vertrag abschliesst, verpflichtet sich im Grundsatz für die ganze Saison. Doch es gilt immer den Einzelfall zu betrachten. Wenn sich einem eine riesige Chance bietet und er hat wie zum Beispiel Elneny grosse Verdienste beim FCB, dann kann man einen Transfer kaum verhindern.
Tätigt der FCB im Winter auch eine Art Kaderbereinigung, weil im Frühling der Spielplan nicht mehr so eng ist wie im Herbst?
Das mag sein. Es ist jedoch so, dass wir im Sommer den einen oder anderen Transfer tätigen, der von der Quantität her zwar nicht nötig ist, wir uns damit aber auf einen möglichen Abgang eines anderen Spielers vorbereiten. Kommt es bis Ende August nicht dazu, besteht auf der entsprechenden Positionen vielleicht ein Überangebot.
Inwiefern erleichtert es die Kaderplanung für die nächste Saison, dass der FCB quasi als Meister feststeht und somit Spieler mit der Champions League gelockt werden können?
Diese Perspektive erschwert unsere Arbeit zumindest nicht. Auf der anderen Seite sagen wir einem potenziellen Neuzugang, dass es in Basel in erster Linie darum geht, an der Spitze der Super League zu stehen. Es wäre ein schlechtes Zeichen, wenn ein Spieler nur wegen den sechs oder acht Spielen in der Champions League zu uns kommen würde. Der internationale Wettbewerb ist und bleibt für den FCB ein Dessert.
Ist im Sommer die Rückkehr von Zdravko Kuzmanovic möglich? Aufgrund der Vertragssituation ist dies möglich. Alles andere wird sich zeigen, wir haben Ende April, es ist noch früh.
Der Abgang von Breel Embolo gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als klare Sache. Ist die Sache für Sie auch so klar? Nein, klar ist das nicht. Wir orientieren uns an Fakten, Stand heute gibt es keine Fakten.
Haben Sie Angebote für Embolo auf ihrem Schreibtisch?
Wie gewohnt geben wir keine Wasserstandsmeldungen zu Personalien ab. Mit der Gefahr, mich zu wiederholen: Ein Spieler wie Breel weckt Begehrlichkeiten. Aber es ist bei weitem keine klare Sache, dass er uns im Sommer verlässt. Wie gesagt, wir haben Ende April. Hoffen wir doch, dass sich das sommerliche Wetter nun stabilisiert, statt vorauseilend verschiedene Szenarien zu beschwören.
Sie müssen eine Mannschaft bauen, die Meister wird und europäisch eine gute Falle macht. Wie schwierig ist heutzutage?
Als Schweizer Klub ist es ein Ding der Unmöglichkeit, eine Mannschaft zusammenzustellen, die sich ziemlich sicher für den Champions-League-Achtelfinal qualifiziert. In welchem Umfeld bewegen wir uns? Reihum gibt es neue TV-Verträge, die immer höher dotiert sind. Man könnte den Schweizer TV-Vertrag verdreifachen, der Abstand zum Ausland würde trotzdem wachsen. Die Frage ist, ob man die internationale Konkurrenz überhaupt noch als solche bezeichnen kann.
Eine Europameisterschaft steht an – welchen Einfluss hat so ein Turnier auf den Transfermarkt?
Auch dies wird wohl überschätzt von den Medien. Heutzutage ist das Scouting der Grossklubs derart verfeinert, dass grosse Transfers schon lange vor einer EM in die Wege geleitet werden. Es ist kaum mehr möglich, dass ein Klub einen Spieler erst an der EM entdeckt. Man darf zum Beispiel nicht so naiv sein und glauben, dass Arsenal Elneny nur in drei Spielen beobachtet und ihn dann verpflichtet hat. Dahinter steckt ein viel längerer Zeitrahmen.
Scoutet der FCB an der Europameisterschaft?
Nicht mit der Absicht, Spieler zu entdecken. Wir besuchen einzelne Partien, um etwa taktische Neuerungen zu beobachten. Erstens ist es für uns praktisch unmöglich, einen Spieler zu verpflichten, der an der EM herausragend spielt. Zweitens sollten wir unsere Planungen zum Zeitpunkt der EM praktisch abgeschlossen haben – eine Woche nach dem Final beginnt bereits die neue Saison.
Verfolgen sie die EM als Sportdirektor oder als Fan?
Als Fussballliebhaber.
Was trauen sie der Schweizer Nationalmannschaft zu?
Es ist alles auch eine Frage der Eigendynamik, die an so einem Anlass entsteht. Der Start ist sicher sehr wichtig. Man sollte weder voraussagen, die Schweiz werde gar nichts erreichen, noch sollte man vom Titel sprechen. Die Schweiz hat hochtalentierte Spieler, aber es gilt im entscheidenden Moment bereit zu sein. Es ist wie ein 100-Meter-Sprint – erst einmal durch die Gruppenphase.