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Schwingen: Samuel Giger verrät, wie er Schwingerkönig werden will

Festsieger Samuel Giger (1b) posiert beim Glarner Buendner Schwingfest, am Pfingstmontag, 9. Juni 2025, in Ziegelbruecke. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Co-Festsieger Samuel Giger am Glarner-Bündner Schwingfest am Pfingstmontag in Ziegelbrücke.Bild: keystone
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«Dann klappt es wahrscheinlich nicht» – Samuel Giger erklärt, wie er König werden will

Samuel Giger verrät, wie er Ende August in Mollis Schwingerkönig werden möchte und wie er an seinem ersten Eidgenössischen 2016 wie im Rausch schwang. Sehr wichtig ist für den 27-jährigen Thurgauer die Unterstützung durch seine Frau Michelle.
14.06.2025, 15:1614.06.2025, 15:16
daniel good / ch media
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Er ist das Aushängeschild des Schwingsports in der Ostschweiz und einer der Favoriten am Eidgenössischen 2025. Alle Kranzfeste, die Samuel Giger in dieser Saison bestritten hat, beendete er als Sieger. Schwingerkönig war er aber noch nie. Das möchte der 27-jährige Thurgauer Ende August im Glarnerland nachholen. Am Bündner-Glarner Fest am Sonntag in Domat/Ems nimmt Giger wegen einer leichten Muskelverletzung nicht teil.

Sind Sie im Fahrplan im Hinblick auf das Eidgenössische?
Samuel Giger: Ich fühle mich sehr im Fahrplan. Ich konnte den ganzen Winter gut trainieren. Ich bin gut in die Saison gestartet. Deshalb bin ich auf Kurs.

Es kann im Schwingen in einem Gang sehr schnell gehen. Wie stellen Sie sich darauf ein?
Die Vorbereitung ist eigentlich immer gleich. Ich befasse mich kurz mit dem Gegner, mit seinen Stärken und Schwächen. Ich stelle mich dann auf den Gang ein, technisch und taktisch. Dann versuche ich, den Plan so umzusetzen, wie ich mir das vorgenommen habe.

Sie wollen immer der Chef im Ring sein, haben aber auch einen Plan B oder sogar C, wenn es sein muss. Wie muss man sich das vorstellen? Wann ist für Sie in einem Kampf der Zeitpunkt gekommen, um die Strategie zu ändern?
Das kann manchmal schon beim ersten Greifen sein. Der Gegner macht ja das gleiche wie ich, er stellt sich auch auf mich ein. Wenn ich beim ersten Greifen schon merke, dass mein Plan nicht funktioniert, dann muss ich meine Strategie bereits ändern. Es kann aber auch sein, dass zwei, drei Angriffe so funktionieren, wie ich es mir vorgenommen habe. Wenn ich aber noch nicht reüssiert habe, muss ich wieder eine andere Variante wählen. Sofern Plan A zunächst nicht zum Erfolg führt und Plan B auch nicht, muss ich vielleicht wieder auf Plan A wechseln. Der Gegner passt sich mir ja auch ständig an.

Welches war der bisher härteste Kampf in Ihrer Karriere?
Da kommen mir auf die Schnelle zwei in den Sinn. Der erste war der Schlussgang am Nordostschweizer Verbandsfest 2017 in Davos gegen Armon Orlik. Da konnte ich nach 12 oder 13 Minuten gewinnen. Der zweite sehr harte Gang war jener im vergangenen Jahr am Berner Kantonalen im Schlussgang gegen Fabian Staudenmann, den ich in den letzten paar Sekunden verloren habe. Es war auch vom Wetter her anspruchsvoll, weil sehr heiss. Zudem war der Gang natürlich sehr intensiv.

Blicken wir auf ihre bisherige Saison zurück. Der erste Härtetest im Regen von Kriessern fiel sicher zufriedenstellend aus. Wie kommen Sie nach einer längeren Wettkampfpause wieder in den Sieger-Modus?
Ich probiere, jedes Schwingfest gleich zu bestreiten, egal, ob es ein Kranz- oder ein Rangfest ist. Ich versuche, immer die gleichen Abläufe abzuspulen. Ich habe mittlerweile den Weg gefunden, wie ich mich wohl fühle, wie ich mich fokussiere und wie ich in die richtige Wettkampfspannung komme.

War ein Heimsieg am Thurgauer Kantonalen fast Pflicht für Sie, obschon wieder namhafte Kon­kurrenten wie etwa Armon Orlik am Start waren?
Pflicht ist vielleicht das falsche Wort. Aber es ist mittlerweile schon so, dass ich überall, wo ich antrete, zu den Favoriten gehöre. Die Erwartung an mich ist ja auch, dass ich das bestmögliche Resultat heraushole. Aber wie es im Sport ist, man muss es zuerst auch machen. Immer Gang für Gang schwingen. Was dann herausschaut, sieht man am Abend.

Feste im kleineren Rahmen wie Ziegelbrücke am Pfingstmontag schätzen Sie sehr. Weshalb?
Die heutigen Kantonalen haben immer so 5000 bis 6000 Leute, das hat viel Betrieb auf dem Festgelände zur Folge. In Ziegelbrücke hatte es wohl etwa 3000 bis 4000. Da hast du einfach etwas mehr Ruhe. Das schätze ich auch sehr. Aber natürlich, wenn du vor ganz viel Publikum schöne Gänge gewinnen kannst, löst das schon Emotionen aus. Das kannst du sonst fast nirgendwo erleben.

In Ziegelbrücke setzte es aber die erste Niederlage in dieser Saison ab. Wie gingen Sie damit um? Sie gewinnen sonst ja fast immer ...
Mit dieser Niederlage gehe ich um, wie immer. Meiner Meinung nach ganz normal. Es war gegen Armon Orlik eine kleine Unaufmerksamkeit von mir. Es mag auf diesem Niveau einfach nicht leiden, eine halbe Sekunde unkonzentriert zu sein. Aus solchen Fehlern lernt man aber wieder.

Sie wurden im Glarnerland trotzdem Co-Festsieger. Was ist das für ein Gefühl mit dem 1b?
Co-Sieger ist schon nicht ganz das Gleiche, wie wenn man den Schlussgang bestritten hat. Es ist ein Sieg, aber in diesem Sinne auch nicht mehr.

Die beiden Festsieger Armon Orlik (1a, links) und Samuel Giger (1b), posieren beim Glarner Buendner Schwingfest, am Pfingstmontag, 9. Juni 2025, in Ziegelbruecke. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
In Ziegelbrücke musste Samuel Giger seinen Verbandskollegen Armon Orlik den Vortritt lassen.Bild: keystone

Wie empfinden Sie den Heimvorteil bei einem Schwingfest?
Feste in der Ostschweiz sind für mich mehr oder weniger Heimfeste. Da hat es Gegner, die man kennt, auch vom Training her. Und im Publikum bekannte Gesichter. Wenn es zu anderen Teilverbänden geht, ist man dann aber anders gefordert.

Reden wir über die Popularität des Schwingsports: Da wurden Sie zur richtigen Zeit geboren. Oder hätten Sie es manchmal lieber etwas ruhiger? Im Internet steht: Sie sind eine Person des öffentlichen Lebens.
Ruhiger muss ich es nicht unbedingt haben. Es ist doch ein Glück oder ein Privileg, wenn der Sport, den man mit Leidenschaft betreibt, so eine Popularität erlebt. Es ist auch schön, dass die Leute den Aufwand, den wir treiben, anerkennen und schätzen und uns an den Festen zahlreich unterstützen.

Was leisten Sie sich gerne als Ausgleich zum beinharten Spitzensport?
Gerne verbringe ich Zeit mit der Familie. Das ist in dem Sinn kein «sich etwas leisten». Weil ich die ganze Woche im Training bin, sozusagen den Sportleralltag lebe, kommt die Zeit manchmal schon zu kurz für die Mitmenschen. Damit man zusammen einmal an einem Abend etwas grillieren kann, es gemütlich haben, reden und vielleicht einmal jassen oder was immer auch kann. Wenn ich es einrichten kann, dass wir einen gemütlichen Abend oder vielleicht sogar einen ganzen Tag zusammen verbringen können, schätze ich das ausserordentlich.

Wie viel Profi sind Sie in einem Eidgenössischen Jahr?
So wie immer eigentlich. Ich fahre noch gewisse Tage mit dem Lastwagen. Aber im Hinblick auf das Eidgenössische werde ich sicher ein paar Wochen nicht mehr fahren.

KEYPIX - Samuel Giger, rechts, gewinnt gegen Philipp Lehmann, im sechsten Gang beim Glarner Buendner Schwingfest, am Pfingstmontag, 9. Juni 2025, in Ziegelbruecke. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
In Siegerpose: So sieht sich Samuel Giger am liebsten.Bild: keystone

Nach dem Nordostschweizer Fest Ende Juni folgen im Juli das Innerschweizerische und der Rigi-Schwinget. Wie sehr freuen Sie sich auf die Feste in der Innerschweiz?
Auf diese freue ich mich sehr. Mein Ziel muss sein, an jedem Fest meine beste Leistung abzurufen. Und wenn ich das schaffe, resultieren in der Regel auch Spitzenplätze.

Nach dem Kilchberger und dem Unspunnen haben Sie sicher gute Chancen, auch Schwingerkönig zu werden. Was trauen Sie sich zu? Das Ziel für Sie muss ja der Königstitel sein.
Das sagen Sie richtig. Ich habe ja schon zwei eidgenössische Anlässe für mich entschieden, das Eidgenössische fehlt noch. Vom Leistungsausweis her, den ich mittlerweile habe, muss es schon das Ziel sein, das Eidgenössische zu gewinnen. Aber wenn ich die ganze Zeit daran herum studiere, das Eidgenössische zu gewinnen, funktioniert es sehr wahrscheinlich nicht. Ich gehe ans Eidgenössische mit dem Ziel, in jedem Gang die Bestleistung abzurufen. Ich werde mich auf die einzelnen Gänge fokussieren und nicht auf das, was am Eidgenössischen am Sonntagabend sein wird.

Wie genau schauen Sie auf die Schwingplätze in den anderen Regionen?
Das ist unterschiedlich. Ich schaue schon Gänge an, vor allem solche von möglichen Gegnern, die ich dann haben könnte. Das analysiere ich dann schon auch.

Kann ein Schwinger Ihres Formats Sommerferien machen?
Nein, ich mache keine Sommerferien. Das einzige Zeitfenster im Jahr, in dem ich Ferien mache, ist im Herbst, wenn die Saison vorbei ist. Dann nehme ich mir schon Zeit und gehe mit meiner Frau zwei Wochen weg.

Wie unterstützt Sie ihre Frau Michelle, wenn es ums Spitzenschwingen und anderes geht?
Sie ist eine riesige Unterstützung. Da gibt es Sachen, die man messen kann, zum Beispiel in Form der ganzen administrativer Arbeit. Wie Sie vorher gesagt haben, bin ich eine Person des öffentlichen Lebens. Das hat viele Mails, Anfragen und weiteres zur Folge. Zu Hause erhalte ich mentale Unterstützung. Mit Michelle kann ich über alles reden. Übers Schwingen, aber natürlich auch über anderes. Sie steht zu hundert Prozent hinter mir, sodass ich den Kopf frei habe, um mich ganz auf meine Sachen zu konzentrieren.

Es kommt Ihr schon viertes Eidgenössisches. Ihr Début gaben Sie 2016 in Estavayer-le-Lac. Sie haben geschwungen wie im Rausch.
Ich habe es damals wohl zum ersten Mal geschafft, richtig in einen Flow zu kommen und einfach zu schwingen. Das ging dann natürlich super. 2019 in Zug aber war ich angespannter und nervöser. Am Samstag gelang es mir nicht, in jedem Gang meine Bestleistung abzurufen. Das schaffte ich erst am Sonntag. Und 2022 in Pratteln lief es ähnlich wie in Zug. Da gelang es mir auch erst am Sonntag, so zu schwingen, wie ich mir das eigentlich vorgestellt hatte.

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Alle Schwingerkönige seit 1961
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2022 in Pratteln: Joel Wicki.
quelle: keystone / peter schneider
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So geht Schwingen – ein Crash-Kurs zum Eidgenössischen
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