Rafael Nadal gegen Novak Djokovic im Viertelfinal eines Grand-Slam-Turniers – was für eine Affiche. Gestern fand das grösste Tennisspiel dieses Jahres statt. Doch halb Europa sah vermutlich nur die Hälfte davon. Denn die Partie am French Open in Paris war als Night-Session-Spiel angesetzt und begann erst um 21 Uhr.
Es ist bekannt, dass Roland Garros oft sehr spät auf den Trend-Zug der anderen Grand Slams aufspringt. Bis vor drei Jahren hatte die Anlage beim Bois de Boulogne weder ein Stadion mit Dach, noch Flutlichter für Spiele am späteren Abend. «Hawkeye» gibt es beim Sand-Grand-Slam bis heute nicht. Dafür hat das French Open seit letztem Jahr die Night-Session vom Australian Open und dem US Open übernommen. Eine selten dämliche Idee.
Sandplatztennis ist langsamer als Tennis auf den anderen Unterlagen, die Partien dauern länger. Die Kracherpartie zwischen Nadal und Djokovic endete mit einem Viersatzsieg des Spaniers (6:2, 4:6, 6:2, 7:6) – um 1.20 Uhr morgens. Mit Medienterminen, Duschen, allfälligen Mahlzeiten und generellem Herunterfahren des Körpers wird es nach der Night-Session früher Morgen, bis die Spielerinnen und Spieler ins Bett gehen können. Doch weil es in Paris nur ein Night-Session-Spiel pro Abend gibt, ist die Chance, dass der nächste Einsatz während des Tages ist, deutlich grösser als in Melbourne oder New York. So leidet die Regeneration der Athleten.
Bereits beim Masters-1000-Turnier in Madrid wurde oft bis tief in die Nacht gespielt. Ein Umstand, der unter anderem Weltnummer 3 Alexander Zverev sauer aufstiess: «Die Organisation der ATP war in dieser Woche eine absolute Schande. Zwei Tage in Folge ging ich nach 4.30 Uhr ins Bett», sagte er nach dem Turnier.
Doch nicht nur für die Spieler (von den bislang zehn Night-Sessions in diesem Jahr war bloss eines ein Frauenmatch) sind die Auftritte am späten Abend ein Nachteil. Als Nadal nach vier Stunden und 12 Minuten die Partie beendete, waren die meisten Mittel- und Osteuropäer – ein äusserst wichtiger Tennismarkt – bereits im Bett. Das bislang grösste Spiel des Jahres und man kann nur die Hälfte schauen, ohne am nächsten Tag völlig übermüdet zu sein. Barer Unsinn.
Auch für die Zuschauer vor Ort stellte das späte Ende ein Problem dar. Als sie das Gelände von Roland Garros verliessen, fuhr keine Metro mehr. Diese stellt den Betrieb an Wochentagen um 1.15 Uhr ein.
Die Night-Session in Paris sorgt jeweils schon im Vorfeld der Partien für Probleme. In der Nacht ist es kälter und feuchter als tagsüber, was für deutlich langsamere Verhältnisse auf dem Platz sorgt. Der Einfluss ist dabei im Pariser Frühling grösser als in den heissen (Spät)Sommernächten von Melbourne und New York. So entbrannte vor dem Duell zwischen Nadal und Djokovic eine hitzige Debatte über den Spielzeitpunkt. Der spanische Rekordsieger hätte lieber tagsüber gespielt und war enttäuscht, dass seine Wünsche nicht berücksichtigt wurden. Die serbische Weltnummer 1 hätten die Verhältnisse eigentlich bevorteilt, weshalb er mit der Ansetzung leben konnte.
Dass die Night-Session für gute Zahlen in den amerikanischen TV-Märkten sorgt, ist auch kein Argument. Das Spiel lief in den USA am Nachmittag und war auf keinem der grösseren Sportsender wie ESPN oder Fox Sports zu finden. Für die asiatischen Zuschauer fand die Partie hingegen in den frühen Morgenstunden statt.
Die Motivation der French-Open-Organisatoren für die Spiele am späten Abend ist klar: mehr Geld. Einerseits können für die Night-Sessions zusätzliche Tickets verkauft werden. Andererseits zahlt Amazon Prime rund 15 Millionen Euro für die exklusiven Übertragungsrechte der Abendspiele in Frankreich.
Aus Sicht der sportlichen Fairness und des Fanservice macht die Night-Session in Paris aber überhaupt keinen Sinn. Turnierdirektorin Amélie Mauresmo sagt zwar: «Wir werden nach diesem Turnier analysieren, ob Anpassungen nötig sind.» Die Hoffnung, dass die Vernunft für einmal den Kommerz aussticht, stirbt zuletzt, ist aber dennoch gering.