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Und wieder nichts – der FCSG verliert im Cupfinal gegen den FC Lugano

St. Gallens Jeremy Guillemenot schreit vor Schmerz, im Schweizer Fussball Cup Final zwischen dem FC Lugano und dem FC St. Gallen, am Sonntag, 15. Mai 2022, im Stadion Wankdorf in Bern. (KEYSTONE/Aless ...
Es schmerzt. Nicht nur Jérémy Guillemenot.Bild: keystone
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Und wieder nichts

Unser Reporter war zum dritten Mal in seinem Leben an einem Cupfinal. Zum dritten Mal musste er eine Niederlage seines FC St.Gallen miterleben. Sein Stimmungsbericht aus Bern.
15.05.2022, 16:4116.05.2022, 15:47
Ralf Meile, wankdorf
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Als im Wankdorf zwei Minuten vorbei sind, denke ich mir: Das ist es. Ein besseres Fussballerlebnis werde ich vermutlich für den Rest meines Lebens nicht mehr haben. Und da ist im Spiel noch gar nichts geschehen.

Vor dem Spiel beim Stadion: Unfassbar viele Lugano-Fans. So viele Tessiner hatte es im Cornaredo vermutlich noch nie. Doch so viele Lugano-Tifosi es auch hat – auf jeden kommen drei oder vier Ostschweizer. Das Stadion ist zu grossen Teilen grün-weiss und die Stimmung in beiden Fanlagern voller enthusiastischer Vorfreude. Zwei Underdogs stehen sich gegenüber, beidseits sind die Lust und der Hunger, endlich wieder einmal etwas zu gewinnen, riesig. Wem die Momente vor dem Anpfiff, als die Teams das Feld beschreiten, nicht nahe gehen, der wird in seinem Leben nicht mehr vom Fussballvirus befallen werden.

Der Fanmarsch der St. Galler Fans ueberquert die Lorrainebruecke, vor dem Schweizer Fussball Cup Final zwischen dem FC Lugano und dem FC St. Gallen, am Sonntag, 15. Mai 2022, im Stadion Wankdorf in Be ...
Völkerwanderung aus der Ostschweiz: Der St.Galler Fanmarsch zum Stadion.Bild: keystone

«Fiiret dä Moment»

Als im Wankdorf vier Minuten vorbei sind, geht Lugano schon mit 1:0 in Führung. Sollte es wieder nichts werden mit einem St.Galler Cupsieg? Auf dem Weg nach Bern merke ich, wie mich schon ewig kein Fussballspiel mehr so sehr beschäftigt hat. Vielleicht hat es auch mit der langen Corona-Pause zu tun. Ich schwanke zwischen Zuversicht und dem Gefühl, das jeder, der den FCSG schon so viele Jahre begleitet, kennt: dass es unser Klub eigentlich noch jedes Mal verpasst hat, wenn er etwas hätte erreichen können.

Die Wucht des Espenblocks verdrängt diesen Gedanken nach dem frühen Rückstand. Kurz nachdem der Ball im Netz liegt, peitscht die Fankurve die St.Galler Mannschaft schon wieder nach vorne, macht ihr Mut.

Der Cup vor der St. Galler Choreo, im Schweizer Fussball Cup Final zwischen dem FC Lugano und dem FC St. Gallen, am Sonntag, 15. Mai 2022, im Stadion Wankdorf in Bern. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Vor dem Spiel präsentieren die St.Galler Fans die Schlagzeile, die sie morgen lesen wollen – jene vom Cupsieg des FCSG.Bild: keystone

«Fiiret dä Moment» heisst es zur Melodie «Allez allez», welche die Fans des FC Liverpool bei ihrem Sieg in der Champions League populär gemacht haben, und die nun auch minutenlang im Wankdorf gesungen wird. Darin äussert sich auch die Hoffnung, dass die Spieler die Geister der Vergangenheit nicht an sich heranlassen. Sich nicht von der eindrücklichen Kulisse und der grossen Gelegenheit beeindrucken lassen. Sondern das machen, was sie schon als Buben am liebsten machten: tschutten, im Moment leben und diesen geniessen.

St.Gallen seltsam emotionslos

Fussball wird in diesem Cupfinal auch gespielt. Was auf dem Rasen geschieht, kann mit der fantastischen Atmosphäre neben dem Rasen nicht mithalten. Nach 21 Minuten glückt St.Gallen der Ausgleich, auch die Espen treffen nach einem Standard. Und als man sich schon in der Halbzeitpause wähnt, geht Lugano erneut in Führung, die St.Galler Verteidigung macht keine gute Falle. Es ist ein laues Spiel. Der Zuständige des Verbands, der akribisch die Pyros beider Fanlager mit Fotos und Notizen festhält, hat wesentlich mehr zu tun als die Reporter, die Torchancen aufschreiben.

Die St. Galler Fans brennen Pyros ab, im Schweizer Fussball Cup Final zwischen dem FC Lugano und dem FC St. Gallen, am Sonntag, 15. Mai 2022, im Stadion Wankdorf in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Va ...
Die Stimmung ist vor dem Spiel überragend, nach dem 4:1 ist sie nur noch auf Seiten Luganos gut.Bild: keystone

Von St.Gallen kommt zu wenig, zumal Lugano seine Stärken in der Defensive hat. Zehn Minuten nach der Pause bringt St.Gallens Stürmer Kwadwo Duah mit einem übermotivierten Foul an der Seitenlinie endlich ein wenig Emotion ins Spiel. Vielleicht ist das ein Moment, der nochmals einen Ruck durch die Mannschaft gehen lässt.

Man wird es nie herausfinden. Denn nach der Aktion vergehen nur wenige Minuten, da schiesst Lugano nach einem blitzsauberen Konter das 3:1. Direkt vor der Tessiner Fankurve, die nun kocht, wie sie wahrscheinlich nicht einmal kochte, als Lugano damals im UEFA-Cup den grossen Nachbarn Inter Mailand rauskegelte.

Schwarz-weisse Papierschnipsel in der Konfetti-Kanone

Auf der anderen Seite ist es kaum noch mehr als die Macht der Gewohnheit, «Hopp Sanggalle» zu rufen. Nichts, wirklich gar nichts deutet darauf hin, dass der FC St.Gallen in diesem Final noch etwas zu melden hat. Zu souverän tritt Lugano auf, zu harmlos ist St.Gallen an diesem Nachmittag.

Zwanzig Minuten vor dem Ende ist endgültig jedem im Stadion klar, wer den Pokal in die Höhe stemmen wird. Die Konfetti-Kanone kann getrost mit schwarz-weissen Papierschnipseln gefüllt werden. St.Gallen ist hinten schon offen wie die Grenze zwischen Kreuzlingen und Konstanz, mit dem 4:1 entscheidet Maren Haile-Selassie die Partie.

Luganos Numa Lavanchy, links, bejubelt das 3-1 durch Luganos Mattia Bottani gegen St. Gallens Lukas Watkowiak, im Schweizer Fussball Cup Final zwischen dem FC Lugano und dem FC St. Gallen, am Sonntag, ...
Lavanchy bejubelt mit den eigenen Fans Luganos Tor zum 3:1.Bild: keystone

St.Gallens Niederlage im Cupfinal 1998 war episch, nach 2:0-Führung, verschossenem Penalty und schliesslich im Penaltyschiessen war es Lausanne unterlegen. Die Niederlage im Cupfinal 2021 gegen Luzern war das Ergebnis einer schlechten Leistung in einem seltsamen Spiel vor leeren Rängen wegen der Corona-Pandemie.

Das nächste Mal kommt – irgendwann

2022 wiederholte sich diese Nichtleistung. Als es darauf ankam, war von den Tugenden, die den FC St.Gallen unter Trainer Peter Zeidler so stark machen, nichts zu sehen. Dass dieser im Tor auf Lukas Watkowiak statt Stammgoalie Lawrence Ati Zigi setzte, war übrigens kein Faktor. Auch mit Zigi hätte St.Gallen verloren.

Es war ein schöner Nachmittag mit einem Cupsieger, dessen Erfolg völlig verdient war. Ich hoffe sehr, dass ich mich nach zwei Minuten getäuscht habe und ich eines Tages ein noch besseres Fussballerlebnis haben werde. Vielleicht sogar einmal einen Cupfinal mit dem Sieger FC St.Gallen. Aber gerade jetzt habe ich da meine Zweifel.

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2022: FC Lugano – FC St.Gallen 4:1.
quelle: keystone / alessandro della valle
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Andri Ragettli fährt Ski und jongliert gleichzeitig mit einem Fussball
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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Herren
15.05.2022 19:50registriert März 2016
Als YB-Fan kann ich nur sagen: warten, seriös arbeiten, bereit fürs nächste Mal sein; irgendeinisch fingt ds Glück eim.
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Cupsieger Maxi
15.05.2022 17:01registriert Dezember 2014
Manchmal dauert es halt etwas ... Ich sah 97,05,07,12 auch vier Niederlagen bis es endlich geklappt hat.
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greeZH
15.05.2022 18:02registriert Juni 2015
Die Liverpoolfans haben diesen Song übrigens auch nicht erfunden. Der wurde schon vor ihnen durch halb Europa kopiert.
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Nur schon das Anmeldeprozedere ist eine Herausforderung. Was ihn im Frozen Head State Park in Tennessee erwartet, wusste Marco Jaeggi bis zu seiner Ankunft nicht. watson hat mit ihm über seine Erfahrung beim Barkley Marathon gesprochen.

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