Wenn nicht jetzt, wann dann?
Als die Kölner Band «Höhner» 2007 diese Frage in ihrem gleichnamigen Song stellte, war die Antwort: Jetzt. Denn es war der Song zur Handball-WM in Deutschland und am Ende triumphierte tatsächlich der Gastgeber.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Seit der FC Bayern München vor einer Woche zuhause gegen RB Leipzig verlor, stellte sich jeder Fussballfan, der sich für die Bundesliga interessiert, diese Frage. Nach zehn Meistertiteln in Folge war die Möglichkeit sehr gross, dass die Schale wieder einmal an einen anderen Klub geht. Borussia Dortmund ging mit dem Vorteil der Tabellenführung in den letzten Spieltag.
Doch dann zeigte der BVB Nerven. Wieder einmal, ist man versucht zu sagen.
Aus Köln kam die Kunde, dass die Bayern früh in Führung gingen. Und im eigenen, euphorisierten Signal-Iduna-Park kassierte Dortmund nach 15 Minuten das 0:1 gegen Mainz, für das es um nichts mehr ging. Nach 24 Minuten hiess es 0:2 und zwischen den beiden Gegentreffern scheiterte Borussen-Stürmer Sébastien Haller mit einem Penalty.
Die ach so schöne Ausgangslage – ein Heimsieg gegen ein Team, das die letzten vier Bundesliga-Spiele in Folge verloren hatte, würde reichen – war früh verspielt. 80'000 im Dortmunder Fussballtempel rieben sich die Augen. Das darf doch nicht wahr sein!
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Bayern München spielte eine für seine Verhältnisse miserable Saison. Entliess den Trainer, schied aus dem Pokal aus, scheiterte in der Champions League. Es drohte eine titellose Saison. Derweil spielte Borussia Dortmund eine überragende Rückrunde. Elf Jahre nach dem letzten Titel, errungen unter dem legendären Trainer Jürgen Klopp, war die Meisterschale plötzlich in Griffweite.
Aber dann dieser Nachmittag. Um 16.59 Uhr schöpfte Dortmund neue Hoffnung, als Raphael Guerreiro auf 1:2 verkürzte. Und der BVB war virtuell Meister, als um 17.11 Uhr der Kölner Dejan Ljubicic einen Handspenalty zum 1:1 gegen Bayern München verwertete. Nichts für schwache Nerven.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Jetzt. Es muss doch klappen! JETZT!
Diese gelb-schwarze Herrlichkeit währte acht Minuten. Als in Köln schon fast fertig war, es lief die 89. Minute, schoss Jungstar Jamal Musiala das 2:1 für den FC Bayern München.
Das war die Entscheidung an einem Bundesliga-Nachmittag, der hier wie dort noch lange in Erinnerung bleiben wird. Dank der besseren Tordifferenz holte sich doch wieder der punktgleiche Serienmeister aus München die Schale.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
So wie der Endspurt dieser Saison verlief, ist man geneigt zu glauben, dass die Antwort in Dortmund nur «nie» heissen kann.
Heute, morgen und auch übermorgen wird Borussia Dortmund trauern. Aber irgendwann wird es sich wieder aufrichten müssen. Eines Tages kann es wieder klappen. Wie heisst es im Song der Höhner auch?
Auf und nieder, immer wieder,
Glück erkennst du nur im Leid.
Alles wäre angerichtet gewesen, die anderen Favoriten schwächeln aber die Nerven machen im entscheidenden Moment einfach nicht mit. Mentalitätsproblem. Man hatte auch schon davor mehrfach die Ausrutscher der Bayern nicht wirklich für ein grösseres Punkte-Polster nutzen können. Die Transformation vom "Underdog" zur Top-Mannschaft und der damit verbundene Druck liefern zu müssen und nicht zu dürfen, damit kommen viele nicht zurecht. Siehe auch Arsenal in der PL. Das braucht Zeit. Aber ob so eine Chance in der Art und weise nochmals kommen wird?