
Sag das doch deinen Freunden!
Ich bin nicht Sion-Fan. Höchstens ein bisschen. Aus Mitleid mit meinem Bruder. Aber international drücke ich den Schweizer Teams die Daumen. Und dann muss ich miterleben, wie Sion gegen Braga auch wegen diesem unfassbaren Elfmeterentscheid raus fliegt.
Schon wieder ein Fehlentscheid! Schon wieder sehen die Unparteiischen – die einzigen, die es aufgrund ihres Jobs wirklich wissen müssten – nicht, was Sekunden nach der fraglichen Szene die ganze Welt weiss. Aus allen Winkeln wird den Sofasportlern die Aktion gezeigt.
Super-Slowmotion, bei Offside-Entscheidungen eine Hilfslinie und allerlei 3D-Superduper-Technik – innert 30 Sekunden kann die unsportlichste «Couch Potato» eine weitere Hand voll Chips mampfen und rufen: «Der Schiri ist ja blind! Das habe sogar ich gesehen!»
Alleine in den letzten fünf Tagen sind mir als Fussball-Fan, der das Geschehen der hier bekannten Ligen und Teams verfolgt, sieben (!) Szenen aufgefallen, bei denen der Videobeweis Klärung gebracht hätte.
Bayerns Rafinha schlägt Darmstadts Sandro Wagner in der gleichen Szene einmal den Ellbogen in die Rippen, dann ins Gesicht. Er kommt mit Gelb davon. Schiedsrichter-Experten wie Markus Merk sind sich einig: «Klar, Rot.»
Der Aufreger des Wochenendes: Roger Schmidt muss auf die Tribüne und wenig später unterschlägt der Unparteiische Leverkusen einen klaren Penalty, als Dortmunds Sokratis den Ball mit der Hand spielt. Rudi Völler unterstellt dem Schiedsrichter Absicht.
In der Schweiz wird am gleichen Tag Luzerns Jahmir Hyka von Silvan Hefti im Strafraum gelegt. Es wäre die Chance auf das 1:1 gegen St.Gallen gewesen. Beni Thurnheer findet im SRF zwar, man könne «auf beide Seiten entscheiden». Wir finden: Penalty. Wie auch immer: Hätte der Schiri sich die Szene anschauen können, er hätte in aller Ruhe, statt in Sekundenbruchteilen entscheiden können.
Aus der Türkei erreicht uns die Meldung von vier Roten Karten zwischen Trabzonspor und Galatasaray. Zwei davon gab es nach einem strittigen Elfmeterentscheid:
In der 2. Bundesliga kämpft Nürnberg um den Aufstieg, Düsseldorf gegen den Abstieg. Beim Stand von 0:0 fällt Fortunas Sercan Sararer nach einem Zweikampf mit Miso Brecko. Der Schiri entscheidet auf Elfmeter, dabei war Sararer nur ausgerutscht. Nürnbergs Niclas Füllkrug sagt danach: «Dem Schiedsrichter mache ich keinen Vorwurf, der Schwalbenkönig ist schuld.» Sararer meint: «Ich dachte, ich habe was gespürt. Der Schiedsrichter hat es genauso gesehen. Man hätte es aber auch nicht pfeifen können.»
Barcelonas Jordi Alba wird von Olivier Girouds Hand an der Schulter getroffen. Er geht runter wie eine faule Tomate, hält sich dabei schmerzverzerrt das Gesicht. Würde er das auch machen, wenn er wüsste, dass er im Nachhinein dafür gesperrt werden könnte?
Ich lasse am Dienstag den Fehlentscheid von Adrien Jaccottet in der Youth League weg. Man stellt schliesslich auch nicht solche Tore auf.
Da wären wir wieder beim siebten strittigen Entscheid, dem ich in den letzten fünf Tagen – ohne gross danach suchen zu müssen – begegnet bin, dem Penaltyentscheid gegen Sion:
Und wen trifft es heute? 15 Spiele stehen in der Europa League an. Wird ein Team wegen eines Fehlentscheids um den gerechten Lohn und grosse finanzielle Einnahmen gebracht? Trifft es Saint-Etienne? Oder Schweizer Meister Basel?
Und jetzt stell' dir vor, alle diese Szenen hätte der Schiedsrichter auch in Zeitlupe und aus drei Winkeln gesehen.
Mit den technischen Möglichkeiten wäre eine Art Challenge, ähnlich wie im Tennis, problemlos umsetzbar. Beispielsweise so: Jedes Team erhält pro Partie zwei Challenges. Wird die gefordert, schaut sich der Schiedsrichter mit dem 4. Offiziellen am Spielfeldrand auf einem TV die Bilder nochmals an. Die Partien werden sowieso live übertragen oder von TV-Anstalten gefilmt. Die Überprüfung dauert nicht viel länger, als die Proteste der Spieler auf dem Platz sowieso dauern würden. Dafür hätten wir zwar keine endgültige Gerechtigkeit, aber zumindest würden wir dieser einen (grossen) Schritt näher kommen.
Ja, die jahrelangen Emotionen und die endlosen Diskussionen über mögliche Fehlentscheide würden dem Fussball genommen. Aber wäre das schlimm, wenn dafür der Sport siegen würde? Und wollen wir wirklich eine Sportart, die wegen hinterhältiger Schwalben oder unglaublichen Fehlentscheiden jede Woche in den Schlagzeilen steht?