Joseph blieb eine Weile lang auf der Bahn sitzen und schüttelte nur den Kopf. Er hatte von sich mehr erwartet als 13.46 Sekunden und Platz 5 in seiner Halbfinal-Serie. Nur zu gerne hätte er es den Sprinterinnen nachgemacht und gezeigt, dass auch die Schweizer Männer bei Olympia final-tauglich sind.
«Zu schön, zu passiv gelaufen», analysierte der 22-Jährige. Am Vortag hatte er bei identischen Bedingungen in 13.31 Sekunden noch bewiesen, was ihn im steckt. Diesmal fehlte ihm nach einem guten Start im Mittelteil die Aggressivität. «Schade. Von der Zeit her habe ich den Final drauf», sagte der U23-Europameister aus dem Jahr 2019. Zum Glück sei die Saison noch nicht fertig. So könne er noch zeigen, was wirklich ihm stecke.
Der Schweizer Rekordhalter (13.29) ist fest entschlossen, dereinst die Schallmauer von 13 Sekunden zu durchbrechen. Aus diesen Grund hat er sich in den USA der Trainingsgruppe um Coach Rana Reider angeschlossen. «Dort triffst du Typen, die für die Olympischen Spiele und nicht für Schweizer Meisterschaften trainieren. Das pusht dich in jeder Einheit», beschrieb er den Unterschied zu früher und zählte die Namen Andre De Grasse, Trayvon Bromell oder Christian Taylor auf.
Zu Beginn der Saison musste Joseph schlechte Zeiten im Wettkampf verdauen, obwohl er in den USA an Kraft und Schnelligkeit zugelegt hatte. Die Power brachte er zunächst nicht sauber ins Hürdenkorsett. Er stand sogar unter Druck, mangels Leistungsbestätigung von Swiss Olympic nicht für Tokio nominiert zu werden. Erst am Ende der Selektionsphase an den Schweizer Meisterschaften in Langenthal gelang ihm der Befreiungsschlag.
Die saubere Lauftechnik hat Joseph inzwischen wieder gefunden. Bei den Einsätzen im kommenden Monat hat er nur ein Ziel: den Schweizer Rekord. (abu/sda)