Caster Semenya ist eine Leichtathletin aus Südafrika. Die heute 32-Jährige startete über die Mittelstrecke. Sie ist zweifache Olympiasiegerin und dreifache Weltmeisterin über 800 Meter. 2017 in London holte sie zudem WM-Bronze über 1500 Meter.
Caster Semenya ist eine intergeschlechtliche Frau. Sie wurde ohne Gebärmutter und Eierstöcke geboren, dafür mit innenliegenden Hoden. Bei der Geburt wurde sie dennoch als weiblich eingestuft. Sie besitzt XY-Chromosomen und einen erhöhten Testosteronspiegel. Gerade letzteres soll der Südafrikanerin in der Leichtathletik unfaire Vorteile gegenüber anderen Frauen verschaffen, monieren Kritiker.
Im Vorfeld der WM 2009 kamen erstmals Spekulationen zu Semenyas Intergeschlechtlichkeit auf. Nach ihrem überlegenen Sieg ordnete der Internationale Leichtathletikverband (IAAF) eine Überprüfung des Geschlechts an. Trotzdem durfte die Südafrikanerin weiterhin bei den Frauen starten – allerdings nur, wenn sie sich gleichzeitig einer androgensenkenden Behandlung unterzog.
2019 gab der Internationale Sportgerichtshof (CAS) bekannt, dass eine neue Regelung zu den Testosteronwerten bei Leichtathletinnen eingeführt werden soll. Bei Renndistanzen zwischen 400 Metern und einer Meile beträgt die Obergrenze fünf Nanomol pro Liter Blut (Gesamt-Testosteron bei Männern: 10,4–34,7 nmol/l). Der CAS bestätigte, dass eine Diskriminierung gegenüber Athletinnen wie Semenya vorliege, diese aber nötig sei, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.
Semenya verlangte eine provisorische Aussetzung dieser neuen Regelung. Kurzzeitig durfte sie daraufhin wieder zu Rennen antreten, das Schweizer Bundesgericht hob diese Aussetzung allerdings Ende Juli 2019 auf. Die Leichtathletin zog diesen Entscheid dann weiter vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
Um das zu beantworten, muss zuerst geklärt werden, was in Strassburg denn genau entschieden wurde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass die Schweiz Caster Semenya diskriminiert hat. Dabei ging es allerdings nicht um ein konkretes Startverbot, sondern um das juristische Verfahren.
Judgment Semenya v. Switzerland - Discrimination against international-level athlete who was not afforded sufficient procedural safeguards when challenging World Athletics regulationshttps://t.co/b1iSVzZ9fM#ECHR #CEDH #ECHRpress pic.twitter.com/VJWCPGdZaC
— ECHR CEDH (@ECHR_CEDH) July 11, 2023
Semenya legte gegen das Urteil des CAS vor dem Bundesgericht Beschwerde ein. Das Bundesgericht lehnte diese aber ab. Der EGMR kam nun zum Schluss, dass Semenyas Beschwerde hätte besser geprüft werden müssen. «Der Klägerin wurden in der Schweiz keine ausreichenden institutionellen und verfahrensrechtlichen Garantien gewährt, die es ihr ermöglicht hätten, die Beschwerden wirksam zu prüfen», steht in der Begründung des Urteils. Die Schweiz soll der Läuferin nun eine Entschädigung von 60'000 Euro zahlen.
Nein. Das Urteil des EGMR bedeutet nicht, dass die Testosteron-Obergrenze des Leichtathletikverbands ausser Kraft gesetzt wird. Im Gegenteil: Die IAAF hat die Regeln in diesem Jahr noch einmal verschärft. Neu dürfen bei den Frauen nur Athletinnen starten, die über zwei Jahre einen Testosteronwert von weniger als 2,5 nmol pro Liter nachweisen können.
Bei der IAAF gibt es keine Bestrebungen, die Testosteron-Obergrenze wieder abzuschaffen. «Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass diese Regelungen ein notwendiges, angemessenes und verhältnismässiges Mittel zum Schutz des fairen Wettbewerbs in der Frauenkategorie sind», schrieb der Weltverband in einer Stellungnahme. Die IAAF werde sich nun mit den Schweizer Behörden absprechen und den Fall möglicherweise vor die Grosse Kammer des EGMR weiterziehen.
World Athletics responds to European Court of Human Rights decision.
— World Athletics (@WorldAthletics) July 11, 2023
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Die Frage ist hier, was ist höher zu Gewichten, das Individuum oder die sportliche Fairness im Wettkampf.
Ist halt ähnlich wie im Behindertensport, hier gelten zum Teil auch für unterschiedliche Beeinträchtigungen Regeln, die nicht in jedem Fall für die Teilnehmer gerecht sind.
Wie weit die Gesellschaft auf eine individuelle Situation Einzelner zu reagieren hat bleibt die grosse Frage.
Dito zu hoher Testosteronwert.
Alles andere ist Wettbewerbsverzerrung.
Ich verstehe den Unmut der konkurrierenden Frauen zu 100%.