Sport
Leichtathletik

Die wichtigsten Fragen und Antworten im Fall Caster Semenya

FILE - In this April 13, 2018, file photo, South Africa's Caster Semenya celebrates after winning the woman's 800m final at Carrara Stadium during the 2018 Commonwealth Games on the Gold Coa ...
Caster Semenya konnte gestern einen juristischen Teilerfolg feiern.Bild: keystone

Vorwurf der Diskriminierung – was du zum Fall Caster Semenya wissen willst

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sagt, die Schweiz habe die Leichtathletin Caster Semenya diskriminiert. Was das bedeutet und wie es jetzt weitergeht.
12.07.2023, 10:3213.07.2023, 09:07
Mehr «Sport»

Wer ist Caster Semenya?

Caster Semenya ist eine Leichtathletin aus Südafrika. Die heute 32-Jährige startete über die Mittelstrecke. Sie ist zweifache Olympiasiegerin und dreifache Weltmeisterin über 800 Meter. 2017 in London holte sie zudem WM-Bronze über 1500 Meter.

Wo liegt die Kontroverse?

Caster Semenya ist eine intergeschlechtliche Frau. Sie wurde ohne Gebärmutter und Eierstöcke geboren, dafür mit innenliegenden Hoden. Bei der Geburt wurde sie dennoch als weiblich eingestuft. Sie besitzt XY-Chromosomen und einen erhöhten Testosteronspiegel. Gerade letzteres soll der Südafrikanerin in der Leichtathletik unfaire Vorteile gegenüber anderen Frauen verschaffen, monieren Kritiker.

Im Vorfeld der WM 2009 kamen erstmals Spekulationen zu Semenyas Intergeschlechtlichkeit auf. Nach ihrem überlegenen Sieg ordnete der Internationale Leichtathletikverband (IAAF) eine Überprüfung des Geschlechts an. Trotzdem durfte die Südafrikanerin weiterhin bei den Frauen starten – allerdings nur, wenn sie sich gleichzeitig einer androgensenkenden Behandlung unterzog.

Caster Semenya gewinnt 2016 in Rio Olympiagold.Video: YouTube/Olympics

2019 gab der Internationale Sportgerichtshof (CAS) bekannt, dass eine neue Regelung zu den Testosteronwerten bei Leichtathletinnen eingeführt werden soll. Bei Renndistanzen zwischen 400 Metern und einer Meile beträgt die Obergrenze fünf Nanomol pro Liter Blut (Gesamt-Testosteron bei Männern: 10,4–34,7 nmol/l). Der CAS bestätigte, dass eine Diskriminierung gegenüber Athletinnen wie Semenya vorliege, diese aber nötig sei, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

Semenya verlangte eine provisorische Aussetzung dieser neuen Regelung. Kurzzeitig durfte sie daraufhin wieder zu Rennen antreten, das Schweizer Bundesgericht hob diese Aussetzung allerdings Ende Juli 2019 auf. Die Leichtathletin zog diesen Entscheid dann weiter vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Was bedeutet das Urteil des EGMR?

Um das zu beantworten, muss zuerst geklärt werden, was in Strassburg denn genau entschieden wurde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass die Schweiz Caster Semenya diskriminiert hat. Dabei ging es allerdings nicht um ein konkretes Startverbot, sondern um das juristische Verfahren.

Semenya legte gegen das Urteil des CAS vor dem Bundesgericht Beschwerde ein. Das Bundesgericht lehnte diese aber ab. Der EGMR kam nun zum Schluss, dass Semenyas Beschwerde hätte besser geprüft werden müssen. «Der Klägerin wurden in der Schweiz keine ausreichenden institutionellen und verfahrensrechtlichen Garantien gewährt, die es ihr ermöglicht hätten, die Beschwerden wirksam zu prüfen», steht in der Begründung des Urteils. Die Schweiz soll der Läuferin nun eine Entschädigung von 60'000 Euro zahlen.

Kann Semenya nun wieder starten?

Nein. Das Urteil des EGMR bedeutet nicht, dass die Testosteron-Obergrenze des Leichtathletikverbands ausser Kraft gesetzt wird. Im Gegenteil: Die IAAF hat die Regeln in diesem Jahr noch einmal verschärft. Neu dürfen bei den Frauen nur Athletinnen starten, die über zwei Jahre einen Testosteronwert von weniger als 2,5 nmol pro Liter nachweisen können.

Was sagt der Leichtathletik-Weltverband?

Bei der IAAF gibt es keine Bestrebungen, die Testosteron-Obergrenze wieder abzuschaffen. «Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass diese Regelungen ein notwendiges, angemessenes und verhältnismässiges Mittel zum Schutz des fairen Wettbewerbs in der Frauenkategorie sind», schrieb der Weltverband in einer Stellungnahme. Die IAAF werde sich nun mit den Schweizer Behörden absprechen und den Fall möglicherweise vor die Grosse Kammer des EGMR weiterziehen.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Alle Leichtathletik-Weltrekorde
1 / 49
Alle Leichtathletik-Weltrekorde
Männer– 100 Meter: Usain Bolt (JAM), 9,58 Sekunden, 2009 in Berlin.
quelle: ap / gero breloer
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Der zweitschlechteste Sommerjob, den ich je hatte
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
55 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Gordemer
12.07.2023 11:34registriert April 2021
Dabei wäre es doch ganz einfach: Menschen mit Y Chromosomen dürfen nicht bei den Frauen starten. Es gibt ja nur sehr wenige Intergeschlechtliche Menschen. Wenn solche Spitzensport betreiben möchten steht ihnen die Männerkategorie offen.
846
Melden
Zum Kommentar
avatar
Urs der Bär
12.07.2023 12:36registriert Oktober 2022
Aus sportlicher Sicht und auch zum Schutz der Frauen im Sport ist das Urteil nicht nachvollziehbar. Für Caster Semenya ist es aus menschlicher Sicht nicht einfach mit Ihrer Situation klar zu kommen.
Die Frage ist hier, was ist höher zu Gewichten, das Individuum oder die sportliche Fairness im Wettkampf.
Ist halt ähnlich wie im Behindertensport, hier gelten zum Teil auch für unterschiedliche Beeinträchtigungen Regeln, die nicht in jedem Fall für die Teilnehmer gerecht sind.
Wie weit die Gesellschaft auf eine individuelle Situation Einzelner zu reagieren hat bleibt die grosse Frage.
498
Melden
Zum Kommentar
avatar
Snowy
12.07.2023 17:56registriert April 2016
Wer sich keinem Geschlecht zugeordnet fühlt oder ist, startet bei den Männern.
Dito zu hoher Testosteronwert.

Alles andere ist Wettbewerbsverzerrung.

Ich verstehe den Unmut der konkurrierenden Frauen zu 100%.
301
Melden
Zum Kommentar
55
Lian Bichsel lässt's bei NHL-Debüt gleich krachen, verliert aber gegen Nashville ohne Josi

Lian Bichsel, 1 Tor, 2 Schüsse, 5 Checks, 15:46 TOI
Roman Josi fehlte Nashville verletzt.​

Zur Story