Nino Schurter verpasst den elften WM-Titel, gewinnt aber seine 13. Medaille an Weltmeisterschaften. Der 37-jährige Bündner wird in Schottland Dritter hinter dem britischen Topfavoriten Thomas Pidcock und dem Neuseeländer Sam Gaze.
Pidcock, der dank einer umstrittenen Sondergenehmigung von Position 33 statt von ausserhalb der ersten 50 starten durfte, setzte sich in der sechsten von acht Runden von Schurter ab und holte sich nach dem Olympiasieg trotz eines Problems mit der Gangschaltung in der Schlussphase auch den WM-Titel.
Am Ende betrug der Vorsprung des 24-jährigen englischen Rad-Allrounders auf den ohne Sondergenehmigung hinter ihm gestarteten Gaze 19 Sekunden und jener auf Schurter 34 Sekunden.
Schurter gab sich mit Bronze einigermassen zufrieden. Er habe sich nicht sonderlich gut gefühlt, befand der entthronte Titelverteidiger und zehnfache Weltmeister. «Natürlich wollte ich mehr, aber heute lag nicht mehr drin. Ich versuchte, an Pidcock dranzubleiben, es hat mich dann aber fast komplett aufgestellt. Dass ich die Medaille ins Ziel retten konnte, war das Maximum», so Schurter.
Keine Rolle spielte im Kampf um die Medaillen neben Mathias Flückiger (Zwölfter nach zwei Zusammenstössen in der Anfangsphase) Mathieu van der Poel. Die Hoffnungen des Niederländers auf das historische WM-Triple mit Gold auf der Strasse, im Radquer und auf dem Mountainbike zerschlugen sich schon kurz nach dem Start. Der 28-Jährige, der letztmals an den Olympischen Spielen 2021 in einem Mountainbike-Rennen angetreten war, stürzte nach weniger als drei Minuten aufgrund eines Fahrfehlers in einer abfallenden Kurve und gab auf.
Vor dem Rennen schienen Van der Poels Chancen auf das Triple intakt. Wie Pidcock und Sagan profitierte er davon, dass ihnen der UCI-Präsident David Lappartient einen Tag vor dem Rennen mit einem Alleingang eine Sondergenehmigung für eine bessere Startposition erteilt hatte. Dass der Entscheid bei der 40-köpfigen Athletenvereinigung nicht gut ankam, liegt auf der Hand. Sam Gaze und der viertplatzierte Franzose Victor Koretzky etwa, die beide schon Weltcuprennen gewonnen haben, mussten hinter den prominenten Quereinsteigern ins Rennen gehen.
Auch Mathias Flückiger ärgerte sich über den Alleingang des UCI-Präsidenten. Aber noch mehr beklagte er sich darüber, dass er in der Startphase von Konkurrenten «zweimal sozusagen abgeschossen» wurde. «Ich fühlte mich sehr gut und bin in der Form meines Lebens. Dadurch war aber die ganze Vorbereitung kaputt.»
Lars Forster beklagte ebenfalls Pech. Hätte der Sieger des Weltcuprennens in Leogang in der dritten Runde nicht einen Platten erlitten, «wäre ich eventuell im Kampf um die Medaillen dabei gewesen», meinte der St. Galler, der 2018 in Glasgow Europameister geworden war. Als zweitbester Schweizer wurde Forster schliesslich Achter.
Die Französinnen feierten durch Pauline Ferrand-Prévot und Loana Lecomte einen Doppelsieg. Bronze ging an die Niederländerin Puck Pieterse.
Die Schweizerinnen blieben nach Silber von Jolanda Neff 2022 und Bronze von Sina Frei 2021 wie 2020 ohne Medaille. Alessandra Keller wurde Fünfte. Die Nidwaldnerin hatte 2:23 Minuten hinter der Rekord-Weltmeisterin im Kampf um den 3. Platz gegen Pieterse und die Österreicherin Mona Mitterwallner um 56 respektive 52 Sekunden das Nachsehen.
Neff, Frei und Linda Indergand, die 2021 an den Olympischen Spielen in Tokio einen Dreifachsieg gefeiert hatten, vermochten auf dem technisch nicht sehr selektiven Kurs im Glentress Forest nicht mit den Schnellsten mitzuhalten. Neff, die das hohe Tempo schon früh in der ersten Runde nicht mitgehen konnte, klassierte sich als 9. zum ersten Mal seit 2016 an Weltmeisterschaften ausserhalb der Top 6. Indergand wurde 19., Frei beeinträchtigt durch technische Probleme 30.
Für die positiven Überraschungen sorgten im siebenköpfigen Schweizer Team Nicole Koller und Ramona Forchini. Die Fahrerinnen aus der zweiten Reihe in der internen Hierarchie belegten die Plätze 11 und 12.
Ferrand-Prévot, die am Donnerstag schon im Short Race triumphiert hatte, setzte sich nach langer Solofahrt 1:14 Minuten vor Loana Lecomte durch. Mit nun fünf WM-Titeln ist die 31-Jährige neu alleinige Rekordsiegerin vor der Norwegerin Gunn-Rita Dahle. (ram/sda)