Mathias Flückiger und mit ihm die Mountainbike-Szene stehen unter Schock. Der Dopingbefund durch die anabole Substanz Zeranol schlug im Fahrerlager bei der EM in München ein wie eine Bombe.
Auch der 33-jährige Berner befand sich im Olympiapark beim Abschlusstraining, als ihn die Nachricht der sofortigen provisorischen Sperre erreichte. Er war in der Folge nicht mehr ansprechbar und will sich vorerst auch nicht erklären. Bringt die B-Probe nicht einen abweichenden Befund oder kann der Gesamtweltcupsieger von 2021 keinen glaubhafte Erklärung liefern, droht ihm eine vierjährige Sperre und damit das Karriereende.
Es gibt im Mountainbike-Zirkus sogar Stimmen, die unabhängig von Schuld oder Unschuld prognostizieren, dass man Mathias Flückiger nie mehr in einem Rennen auf höchstem Niveau sehen werde. Zu gross sei die Auswirkung der positiven Probe auf seine Psyche.
Fernab von Spekulationen ist die analysierte A-Probe. Die Substanz Zeranol in seinem Urin kann auch nicht von einem chemischen Zersetzungsprozess durch nicht mehr frisches Getreide oder Reis herrühren wie bei der chinesischen Hammerwerferin Zhang Wenxiu, die nach einem Zeranol-Befund an den Asienspielen 2014 zehn Monate später von jeder Schuld freigesprochen wurde, weil sich das Anabolikum als Abbauprodukt von Pilzsporen erwies.
Ein in den Fall der Chinesin involvierter Experte schliesst dieses Szenario bei Flückiger aus, denn die Antidopinglabore müssen seit dem Fall von Wenxiu mit aufwändigen Zusatzanalysen testen, ob sich weitere durch den Pilz produzierte Toxine im Urin befinden. Diese Abklärungen sind auch der Grund, wieso es im Fall des Schweizers mehr als zwei Monate dauerte, bis er nach der Dopingprobe vom 5. Juni anlässlich seines Sieges an den Schweizer Meisterschaften die schockierende Nachricht erhielt.
Für Ernst König, Direktor der Antidoping-Behörde Swiss Sport Integrity, ist es «ein sehr aussergewöhnlicher Fall». Auch weil es weltweit in den vergangenen zehn Jahren gerade einmal acht Dopingfälle mit Zeranol gab. Für die intensiven Abklärungen hat Swiss Sport Integrity deshalb auch mehrere Experten beigezogen. «Wir sind uns der speziellen Situation durchaus bewusst», sagt König. Allerdings sieht das Protokoll der Weltantidoping-Agentur bei Anabolika so oder so eine sofortige provisorische Sperre vor.
Ein international renommierter Experte für anabole Substanzen sieht für Mathias Flückiger einen einzigen Weg, um eine mögliche Unschuld zu beweisen. «Er muss den Nachweis erbringen, dass Zeranol durch den Verzehr von kontaminiertem Fleisch in seinen Körper gelangt ist.» Weil das Zeitfenster für den Nachweis der Substanz im Urin einige Tage beträgt, müsste dieser Fleischverzehr in der Woche vor der Schweizer Meisterschaft passiert sein.
Das macht die Ausgangslage für Flückiger nicht einfacher. Er hat in dieser Zeit in der Schweiz trainiert. Und Zeranol, das zur Tiermast eingesetzt wird, ist seit 1985 in Europa verboten. Verstösse und positive Stichproben bei importiertem Fleisch kommen in den Lebensmittelkontrollen sehr selten vor. Kontaminierte Nahrungsmittel tauchen in der Schweiz also fast nie auf. Und Zeranol kommt auch nicht flächendeckend in nicht-europäischen Ländern vor, wie es bei der verwandten Dopingsubstanz Clenbuterol beispielsweise bei Fleisch in China oder Mexiko der Fall ist.
Der Effekt für einen Sportler macht die Substanz indes durchaus attraktiv für den Radsport und auch für eine längere Trainingsphase, wie sie der Olympia-Zweite vor den nationalen Titelkämpfen eingelegt hat. Zeranol hilft bei der Regeneration nach intensiven Belastungen und es reduziert den Fettgehalt des Körpers. Allerdings ist die Substanz relativ einfach nachweisbar.
Derweil sitzt der Schock über den grössten Dopingfall im Mountainbikesport im Fahrerlager tief. Luca Schwarzbauer, der beste deutsche Mountainbiker, sagt: «Ich kann es schlicht nicht richtig glauben. Ich finde den Fall sehr kurios und er kommt absolut überraschend. Ich hätte das bei Mathias nicht für möglich gehalten.»
Der Bündner Vital Albin fährt im gleichen Team wie Flückiger. Er sagt, alle seien «sehr aufgewühlt gewesen. Es beschäftigt uns. Entsprechend schwierig war es heute, sich auf das Rennen zu fokussieren.»
Der Aargauer Joel Roth sagt, es habe nach der Bekanntgabe eine Stimmung im Team geherrscht, «als sei Math gerade schwer verunglückt. Alle waren sprachlos und viele schliefen wohl etwas später ein als üblich.» (aargauerzeitung.ch)
Lustig, wenn es nicht so tragisch wär..