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Dopingfall Mathias Flückiger: Ist ein Stück Fleisch die Erklärung?

Mathias Flueckiger of Switzerland reacts after the UCI Cross Country Mountain Bike race, on Sunday, July 10, 2022, in Lenzerheide, Switzerland. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Bei einem Schuldspruch wird Mathias Flückiger wohl für vier Jahre gesperrt.Bild: keystone

Die einzige Hoffnung für Mathias Flückiger auf einen Freispruch ist ein Stück Fleisch

Die positive Dopingprobe mit der anabolen Substanz Zeranol gibt zu reden. Das Tiermastmittel ist seit 1985 in Europa verboten und wird bei Stichproben von Nahrungsmitteln kaum je nachgewiesen. Ebenso gab es zuletzt in zehn Jahren weltweit nur acht solcher Dopingfälle. Dennoch wird ein Freispruch für den 33-Jährigen sehr schwierig.
20.08.2022, 15:3720.08.2022, 18:26
Rainer Sommerhalder / ch media
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Mathias Flückiger und mit ihm die Mountainbike-Szene stehen unter Schock. Der Dopingbefund durch die anabole Substanz Zeranol schlug im Fahrerlager bei der EM in München ein wie eine Bombe.

Auch der 33-jährige Berner befand sich im Olympiapark beim Abschlusstraining, als ihn die Nachricht der sofortigen provisorischen Sperre erreichte. Er war in der Folge nicht mehr ansprechbar und will sich vorerst auch nicht erklären. Bringt die B-Probe nicht einen abweichenden Befund oder kann der Gesamtweltcupsieger von 2021 keinen glaubhafte Erklärung liefern, droht ihm eine vierjährige Sperre und damit das Karriereende.

Es gibt im Mountainbike-Zirkus sogar Stimmen, die unabhängig von Schuld oder Unschuld prognostizieren, dass man Mathias Flückiger nie mehr in einem Rennen auf höchstem Niveau sehen werde. Zu gross sei die Auswirkung der positiven Probe auf seine Psyche.

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Bei Zhang Wenxiu stammte das Zeranol von altem Reis oder Getreide.Bild: imago/Chai v.d. Laage

Fernab von Spekulationen ist die analysierte A-Probe. Die Substanz Zeranol in seinem Urin kann auch nicht von einem chemischen Zersetzungsprozess durch nicht mehr frisches Getreide oder Reis herrühren wie bei der chinesischen Hammerwerferin Zhang Wenxiu, die nach einem Zeranol-Befund an den Asienspielen 2014 zehn Monate später von jeder Schuld freigesprochen wurde, weil sich das Anabolikum als Abbauprodukt von Pilzsporen erwies.

Das China-Szenario greift bei Mathias Flückiger nicht

Ein in den Fall der Chinesin involvierter Experte schliesst dieses Szenario bei Flückiger aus, denn die Antidopinglabore müssen seit dem Fall von Wenxiu mit aufwändigen Zusatzanalysen testen, ob sich weitere durch den Pilz produzierte Toxine im Urin befinden. Diese Abklärungen sind auch der Grund, wieso es im Fall des Schweizers mehr als zwei Monate dauerte, bis er nach der Dopingprobe vom 5. Juni anlässlich seines Sieges an den Schweizer Meisterschaften die schockierende Nachricht erhielt.

«Es ist ein sehr aussergewöhnlicher Fall.»
Ernst König, Direktor der Antidoping-Behörde Swiss Sport Integrity

Für Ernst König, Direktor der Antidoping-Behörde Swiss Sport Integrity, ist es «ein sehr aussergewöhnlicher Fall». Auch weil es weltweit in den vergangenen zehn Jahren gerade einmal acht Dopingfälle mit Zeranol gab. Für die intensiven Abklärungen hat Swiss Sport Integrity deshalb auch mehrere Experten beigezogen. «Wir sind uns der speziellen Situation durchaus bewusst», sagt König. Allerdings sieht das Protokoll der Weltantidoping-Agentur bei Anabolika so oder so eine sofortige provisorische Sperre vor.

Ein international renommierter Experte für anabole Substanzen sieht für Mathias Flückiger einen einzigen Weg, um eine mögliche Unschuld zu beweisen. «Er muss den Nachweis erbringen, dass Zeranol durch den Verzehr von kontaminiertem Fleisch in seinen Körper gelangt ist.» Weil das Zeitfenster für den Nachweis der Substanz im Urin einige Tage beträgt, müsste dieser Fleischverzehr in der Woche vor der Schweizer Meisterschaft passiert sein.

Seit 1985 verboten und fast nie im Importfleisch

Das macht die Ausgangslage für Flückiger nicht einfacher. Er hat in dieser Zeit in der Schweiz trainiert. Und Zeranol, das zur Tiermast eingesetzt wird, ist seit 1985 in Europa verboten. Verstösse und positive Stichproben bei importiertem Fleisch kommen in den Lebensmittelkontrollen sehr selten vor. Kontaminierte Nahrungsmittel tauchen in der Schweiz also fast nie auf. Und Zeranol kommt auch nicht flächendeckend in nicht-europäischen Ländern vor, wie es bei der verwandten Dopingsubstanz Clenbuterol beispielsweise bei Fleisch in China oder Mexiko der Fall ist.

Ist das Fleisch das Problem? Es scheint unwahrscheinlich.
Ist das Fleisch das Problem? Es scheint unwahrscheinlich.Bild: Shutterstock
«Ich hätte das bei Mathias nicht für möglich gehalten.»
Luca Schwarzbauer, deutsche Mountainbiker

Der Effekt für einen Sportler macht die Substanz indes durchaus attraktiv für den Radsport und auch für eine längere Trainingsphase, wie sie der Olympia-Zweite vor den nationalen Titelkämpfen eingelegt hat. Zeranol hilft bei der Regeneration nach intensiven Belastungen und es reduziert den Fettgehalt des Körpers. Allerdings ist die Substanz relativ einfach nachweisbar.

Fahrer reagieren ungläubig

Derweil sitzt der Schock über den grössten Dopingfall im Mountainbikesport im Fahrerlager tief. Luca Schwarzbauer, der beste deutsche Mountainbiker, sagt: «Ich kann es schlicht nicht richtig glauben. Ich finde den Fall sehr kurios und er kommt absolut überraschend. Ich hätte das bei Mathias nicht für möglich gehalten.»

Der Bündner Vital Albin fährt im gleichen Team wie Flückiger. Er sagt, alle seien «sehr aufgewühlt gewesen. Es beschäftigt uns. Entsprechend schwierig war es heute, sich auf das Rennen zu fokussieren.»

Der Aargauer Joel Roth sagt, es habe nach der Bekanntgabe eine Stimmung im Team geherrscht, «als sei Math gerade schwer verunglückt. Alle waren sprachlos und viele schliefen wohl etwas später ein als üblich.» (aargauerzeitung.ch)

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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International anerkannter Experte für ALLES
20.08.2022 16:25registriert Juli 2021
Das shutterstock Bild, wo jemand mit einer Spritze ein rohes Stück Fleisch behandelt ist ja wieder mal klasse… 🤣
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N. Y. P.
20.08.2022 16:26registriert August 2018
Nun ja, perfekt platziert..

Lustig, wenn es nicht so tragisch wär..
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Wusu
20.08.2022 16:08registriert Juli 2022
Na - vielleicht hat er auch einfach was genommen…wie so manch anderer, bei dem man das ich nicht für möglich gehalten hätte…
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