Am Ende ging alles ganz schnell. Kyrie Irving wurde von den Brooklyn Nets nach Dallas getradet. Erst am Freitag äusserte Irving gegenüber den Verantwortlichen den Wunsch, das Team zu verlassen, nachdem die Verhandlungen über einen neuen Vertrag erfolglos verlaufen waren.
Am Sonntag kam ans Licht, dass er damit drohte, den Rest der Saison auszusetzen, sollte er nicht getradet werden. Wenig später war er kein Teil der Nets mehr, sondern ein Spieler der Dallas Mavericks.
Wie der NBA-Insider Shams Charania berichtet, schickt Dallas im Gegenzug nicht nur einen Erstrunden-Draftpick sowie zwei Zweitrunden-Auswahlrechte, sondern mit Spencer Dinwiddie und Dorian Finney-Smith auch zwei Spieler, die fester Bestandteil der Startaufstellung waren. Ein hoher Preis für einen Spieler, der zwar enorm talentiert ist, aber immer wieder für Unruhe sorgt. Erst im letzten Herbst teilte Irving auf Twitter einen Link zu einem Film, der als rassistisch, frauenfeindlich und antisemitisch gilt, weil er unter anderem den Holocaust verleugnet. Brooklyn suspendierte ihn für einige Spiele, auch weil er sich in der Folge nicht deutlich vom Film distanzierte.
Es war nicht das erste Mal, dass Irving seinem Team fehlte. In der Saison 2021/22 verpasste er mehr als die Hälfte der Spiele, weil er sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen wollte und deshalb keine Heimspiele in New York absolvieren durfte. Ausserdem fiel er auch schon mit Verschwörungstheorien auf, als er von der Erde als Scheibe sprach. In den drei vergangenen Saisons stand Irving seinem Team gerade einmal in gut 40 Prozent der Spiele zur Verfügung. Doch in diesem Jahr war der 30-Jährige abgesehen von seiner Sperre eigentlich immer dabei und Brooklyn recht erfolgreich. Deshalb überraschte der Wechselwunsch – doch irgendwie passt es auch zu Irving und den Nets.
Seit Irving und Kevin Durant im Sommer 2019 in die grösste Stadt Amerikas kamen, erfüllte das Team nie die grossen Erwartungen. Auch als mit James Harden zwischenzeitlich ein dritter Superstar im Team war, war in den Viertelfinals Endstation. Harden ist mittlerweile in Philadelphia, nun ist auch Irving weg. Nur: Eigentlich wollte der Point Guard nach Los Angeles zu den Lakers. Dort wäre er wieder auf LeBron James getroffen, sie gewannen mit Cleveland gemeinsam den Meistertitel. Dann wollte Irving jedoch aus dem Schatten des bald erfolgreichsten Skorers der NBA-Geschichte hervortreten und ein Team als bester Spieler zum Titel führen – ein Versprechen, das er nie einlöste.
Nun wird er in Dallas versuchen, seinen zweiten Meistertitel zu holen, wobei er auch dort nicht die erste Geige spielen wird. Das tut der Slowene Luka Doncic. Die Mavericks setzten sich mit ihrem Angebot gegen mehrere andere Teams durch. Die Phoenix Suns boten unter anderem Chris Paul und auch beide Teams aus Los Angeles waren an Irving interessiert. Das Wettbieten zeigt einmal mehr, dass die Teams Skandale schnell einmal vergessen, wenn die Leistungen stimmen. Irving spielt eine starke Saison, erzielt pro Spiel über 27 Punkte und fünf Assists – und schon ist er wieder begehrt.
Auch James hätte gerne wieder mit Irving gespielt. Dass die LA Lakers den Wunschspieler ihres grossen Stars nicht bekamen, lag auch daran, dass Nets-Besitzer Joe Tsai dem Konkurrenten und auch Irving eins auswischen wollte. Wie NBA-Experte Marc Stein berichtet, war es eines der Ziele von Tsai, Irving «nicht an sein bevorzugtes Ziel» zu schicken. James zeigte sich enttäuscht, auf Twitter schrieb er kurz nach dem Trade: «Vielleicht liegt es an mir.»
Während ein Team mit James, Irving und Anthony Davis sicher zu den ganz grossen Favoriten für die Larry O'Brien-Trophäe gegolten hätte, ist die Antwort bei Dallas nicht ganz so klar. Am eigenen Korb ist das defensiv schwache Team durch Irving sicher nicht stärker geworden. Wie gut der Neuzugang mit Doncic harmonieren wird, muss sich auch erst noch zeigen. Klar ist, dass Dallas bis zur Trade-Deadline am Donnerstag noch nach weiteren Verstärkungen suchen wird. Die Buchmacher sehen das Team von Trainer Jason Kidd nach dem Trade zwar stärker, doch zu den ganz grossen Titelanwärtern zählen die Mavericks dadurch nicht.
So fällt die Kritik an den «Mavs» für den Trade bei einigen Experten durchaus deutlich aus. «The Athletic» schreibt, dass das Team zwar grundsätzlich besser, das Risiko aber riesig sei. Zumal Irvings Vertrag im Sommer ausläuft und er dann einen Vierjahresvertrag zum Maximalbetrag von fast 200 Millionen Dollar fordern wird. Ein hoher Preis für einen talentierten Spieler, der aber viel zu oft auch neben dem Platz für Schlagzeilen sorgt.