«Wenn du geblendet bist vom Misstrauen»: Tom Brady wird Spionage vorgeworfen
Als Tom Brady noch Football spielte, hat er nur wenig falsch gemacht. Siebenmal gewann der Star-Quarterback den Super Bowl, fünfmal war er dabei der MVP. Brady ist der GOAT, der Greatest of All Time. Dass es der ehemalige Spieler der New England Patriots in seiner einzigartigen Karriere mit der ein oder anderen Regel nicht immer genau nahm – etwa im Jahr 2015, als ihm vorgeworfen wurde, vor einem entscheidenden Saisonspiel die Luft aus den Bällen gelassen zu haben – ist fast vergessen.
Brady trat auch nach der «Deflategate»-Affäre stets als Strahlemann auf, er arbeitete hart im Training und überzeugte durch Spitzenleistungen auf dem Spielfeld. Trotz seines Rücktritts aus dem aktiven Sport vor zwei Jahren ist Brady auch nach seiner Profi-Laufbahn nach wie vor allgegenwärtig der National Football League (NFL). Vor allem, weil er inzwischen für den Sender Fox die Spiele kommentiert: Er befindet sich in der zweiten Saison eines Vertrags über zehn Jahre, für den er insgesamt 375 Millionen Dollar erhält.
Doch neuerdings häuft sich die Kritik am grössten Footballspieler aller Zeiten. Denn was er während der NFL-Begegnungen ins Mikrofon spricht, kommt nicht bei allen gut an.
Brady: «Geblendet vom Misstrauen»
Zunehmend kritisch wird Bradys Rolle als TV-Experte innerhalb der Liga gesehen. In der NFL ist es üblich, dass die Kommentatoren vor einem Spiel Hintergrundgespräche mit den Coaches der beiden Teams führen – dabei wird nicht zuletzt über Match-Pläne und Strategien geredet. Dadurch haben die Männer und Frauen am TV-Mikrofron einen Wissensvorsprung gegenüber dem Publikum. Im Normalfall.
Brady darf virtuell an diesen «production meetings» teilnehmen – aber: Er hat noch einen zweiten Hut auf. Brady ist Miteigentümer der Las Vegas Raiders, und als solcher dürfte er dieses TV-Insider-Wissen nicht haben. Kein Wunder also, dass der Unmut über den Spion zunimmt, denn Brady scheint seine Einblicke als TV-Experte auch für die Raiders zu nutzen.
Brady weist die Kritik in seinem wöchentlichen Newsletter zurück. Er fühle sich dem Sport, der ihm so viel gegeben habe, «moralisch und ethisch» verpflichtet, schrieb er: «Deshalb ist der Punkt, an dem sich meine Rollen überschneiden, kein Konfliktpunkt, auch wenn Paranoiker und Zweifler das vielleicht glauben mögen.» Es gebe «kein Dilemma» durch seine beiden Rollen. Vielmehr säe die allgemeine Unsicherheit, die derzeit in der Welt herrscht, bei den Menschen Argwohn, so der 48-Jährige.
Tom Brady addresses his ownership with the Raiders and his FOX broadcasting job in his newsletter “199” pic.twitter.com/cUc7gZeieK
— Danny Healey (@Danny__healey) September 24, 2025
«Wenn du geblendet bist vom Misstrauen, dann ist es schwer, irgendetwas anderes zu sehen, als deine eigenen Interessen», so Brady in seinem Newsletter.
Eine pikante Konstellation
Man kann das auch anders sehen: Am ersten Spieltag der neuen Saison kommentierte Brady das Spiel der New York Giants gegen die Washington Commanders, die nun in der dritten Woche im Montagspiel bei ESPN auf die Raiders trafen. Brady war selbstverständlich auch vor Ort im Stadion: Er sass mit Kopfhörern in der «Coaches' Booth», also der Loge mit den Trainern und Spielkoordinatoren, der Raiders.
Der mutmassliche Wettbewerbsvorteil war allerdings keiner, die Raiders verloren das Match. Doch der nächste Streitfall steht schon bevor: Am vergangenen Sonntag war Brady der sogenannte «analyst» beim Spiel der Chicago Bears gegen die Dallas Cowboys – und am kommenden Sonntag treffen die Raiders auf die Bears. Eine pikante Konstellation. Die Besitzer anderer Teams sprechen mittlerweile anonym von einem «unfairem Vorteil». Sie fürchten, dass sich hier die Interessen Bradys – als unparteiischer TV-Experte einerseits und als Mitbesitzer eines Konkurrenten andererseits – vermischen.
NFL positioniert sich deutlich zu dem Fall
Die NFL sieht an Bradys Verhalten hingegen nichts Verwerfliches. Sie betonte, dass es Brady untersagt ist, auf dem Trainingsgelände der Teams aufzutauchen oder in deren Hotel. Für alle anderen seiner Tätigkeiten in seiner Funktion als Kommentator und Mitbesitzer eines NFL-Teams gelten die allgemeinen Bestimmungen der NFL.
«Es gibt keine Richtlinien, die es einem Besitzer verbieten, während eines Spiels in der Trainerkabine zu sitzen oder ein Headset zu tragen», teilte Ligasprecher Brian McCarthy zu Wochenbeginn mit. Interessant ist jedoch, was McCarthy am Ende seines Statements hinzufügte: «Natürlich bleibt es jedem Klubboss, Trainer oder Spieler selbst überlassen, was sie bei den Meetings mit den Fernsehstationen ausplaudern – und was nicht.»
Das könnte bedeuten, dass der TV-Experte Brady sich in Zukunft in den Hintergrundgesprächen rund um die Spiele damit abfinden muss, dass seine Gesprächspartner etwas schmallippiger ihm gegenüber werden. (riz/tonline)