Dass Josh Dobbs die Schweizer Band Züri West kennt, ist eher unwahrscheinlich. Deren Hit «Irgendeinisch fingt ds Glück eim» bringt die letzten Tage und Wochen des 28-Jährigen ganz gut auf den Punkt.
Lange brachte es Dobbs nicht über den Status als Aushilfskraft hinaus, die dort eingesetzt wird, wo sie gerade gebraucht wird. Seit seinem ersten NFL-Spiel 2018 für die Pittsburgh Steelers sind die Minnesota Vikings bereits sein sechster Arbeitgeber. Zuletzt wechselte Dobbs vor zwei Wochen per Trade, nachdem er bei den Arizona Cardinals erstmals überhaupt eine Saison als Starting Quarterback in Angriff nehmen durfte. Mit dem schwachen Team konnte er nicht zaubern, er führte die Cardinals in acht Partien zu bloss einem Sieg.
Doch nun könnte alles anders kommen. Josh Dobbs, den sie wegen seines Studiums der Raumfahrttechnik und Praktika bei der NASA «Passtronaut» oder «Astroboy» rufen, führte die Vikings in seinem zweiten Einsatz zum zweiten Sieg. Minnesota belegt so trotz eines schlechten Saisonstarts einen Playoff-Platz. Der 27:19-Sieg gegen die New Orleans Saints war der fünfte Erfolg hintereinander, das ist die längste Siegesserie der gesamten Liga.
Vor zwei Wochen noch sah die Zukunft der Vikings alles andere als rosig aus. Bei Kirk Cousins, dem Star-Quarterback des Teams, riss am rechten Fuss die Achillessehne, seine Saison war damit gelaufen. Weil derzeit auch Cousins etatmässiger Ersatz, Nick Mullens, verletzt ist, musste die Nummer 3 einspringen, Jaren Hall, und Josh Dobbs wurde als Backup verpflichtet. Vergangene Woche begann Hall die Partie gegen die Atlanta Falcons, doch schon früh erlitt er eine Gehirnerschütterung und es schlug Dobbs' grosse Stunde.
Als frisch verpflichteter Ersatz hatte er kaum Zeit, Spielzüge zu lernen – und im Training bekam er auch keine Gelegenheit, mit der Offensive zu üben, alles war auf Hall ausgerichtet. Dobbs kannte nicht einmal die Namen aller Mitspieler, als er ins kalte Wasser geworfen wurde. Doch er lieferte gegen die Falcons und führte die Vikings mit dem letzten Drive des Spiels zu einem 31:28-Sieg.
Die Fähigkeit des Aushilfs-Quarterbacks, während eines laufenden Spiels die Anweisungen von draussen aufzunehmen und direkt umzusetzen, sei etwas vom eindrücklichsten, was er in seiner Karriere erlebt habe, sagte Minnesotas Offense Head Coach Kevin O'Connell.
Doch war diese Partie bloss wie eine Sternschnuppe, die ebenso rasch verglüht, wie sie am Himmel aufgetaucht ist? Nicht, wenn es nach NFL-Reporter Kevin Patra geht. «Der ‹Passtronaut› zeigte, dass die Magie der letzten Woche keine Fata Morgana war», hielt er in blumiger Sprache fest, nachdem Dobbs seine Vikings zum Sieg über die Saints geführt hatte. Der Quarterback wich geschmeidig Sacks und Tackles aus, und er überzeugte, indem er unter Bedrängnis ruhig blieb und keine überhasteten, falschen Entscheide traf.
Er habe die ganze Woche hart gearbeitet, sagte Josh Dobbs. «Ich werde ja nicht im Stundenlohn beschäftigt und habe keine weiteren Verpflichtungen.» Er sei deshalb täglich von morgens bis abends auf dem Campus gewesen, um die Spielzüge der Minnesota Vikings einzustudieren.
Das Gelernte wird der 28-Jährige, dem aufgrund einer Krankheit keine Haare wachsen, das nächste Mal in einer Woche gegen die Denver Broncos anwenden. Mit einer Bilanz von 3:5 Siegen sind diese ebenso wie der übernächste Gegner, die Chicago Bears (3:7 Siege), kein ganz grosser Brocken. So haben die Minnesota Vikings und der aufstrebende Josh Dobbs alle Chancen, sich den direkten Playoff-Platz zu sichern. Dazu benötigt es den Gewinn der NFC North Division. Entscheidend werden die beiden Duelle mit den Detroit Lions sein, die derzeit mit einer Bilanz von 7:2 führen.