Im Final der olympischen Einzelkonkurrenz (ab 14.30 Uhr) sind die Rollen verteilt: Der eine Spieler kann fast nur verlieren, der andere Spieler fast nur gewinnen.
Fan Zhendong ist gegen Truls Möregardh aus Schweden der klare Favorit. Der Chinese ist die Weltnummer 2, er ist zweifacher Einzel-Weltmeister und gewann in Tokio Olympia-Silber. Aber: Auf ihm lastet der Druck des gesamten Reichs der Mitte, das ein Dauer-Abonnement auf den Olympiasieg gelöst hat.
Ausgerechnet Möregardh hatte für die faustdicke Überraschung gesorgt, als er in den Sechzehntelfinals mit Wang Chuqin, dem anderen chinesischen Teilnehmer, die Weltnummer 1 eliminierte. «Truls hat Chancen», sagt Cédric Tschanz im Gespräch mit watson. Der 24-jährige Basler ist Tischtennis-Profi und war unlängst der beste Schweizer in der Weltrangliste, um Position 300 herum.
Im WM-Final 2021 kam es schon einmal zum Duell zwischen Fan und dem damals 19-jährigen Möregardh. Der Chinese gewann es glatt mit 4:0 Sätzen.
Doch nun ist Olympia und damit geht es um noch mehr. «Der Druck, der auf Fan lastet, muss enorm sein», meint Tschanz. Schon im Viertelfinal habe der 27-Jährige kämpfen müssen, um das Weiterkommen über die Maximaldistanz von sieben Sätzen noch zu schaffen.
Sein Finalgegner Truls Möregardh gilt als Spektakelmacher und damit nicht nur wegen seines schwedischen Passes als Nachfolger des grossen Jan-Ove Waldner. Dem war es 1992 in Barcelona gelungen, als bislang einziger Europäer Tischtennis-Olympiasieger zu werden. «Man vergleicht Möregardh mit Waldner. Das sind natürlich sehr grosse Worte, aber es geht in die Richtung, weil er unfassbar attraktiv spielt und extrem unkonventionelle Bälle spielen kann.»
Cedric Tschanz stand Möregardh auch schon gegenüber. «Das war in einem Doppel und wir haben von ihm auf die Kappe bekommen», erinnert er sich und lacht.
Tischtennis ist eine Randsportart und Truls Möregardh einer breiteren Öffentlichkeit erst jetzt in Paris ein Begriff geworden. Nicht nur wegen seiner Leistungen, sondern auch wegen seines Schlägers. Denn der ist nicht oval wie bei der Konkurrenz, sondern sechseckig. Der Hersteller wirbt damit, dass Schlagfläche und «Sweet-spot», die optimale Trefferfläche, etwas grösser sind.
Tschanz spielte auch schon mit diesem Schläger und hält den Hype für übertrieben. «Ganz ehrlich: Das hat auch viel mit Marketing zu tun. Sein Spiel ist revolutionär und sein Schläger nun auch.» Das Spielen mit dem sechseckigen Holz fühle sich sehr ähnlich an wie mit einem herkömmlichen. «Truls wäre auch ohne diesen Schläger ein super Spieler. Aber mit ihm hat er etwas, das ihn von den anderen abhebt.»
Die Schweiz war in Paris nicht an den Tischtennis-Wettbewerben beteiligt. «Es fehlte doch noch einiges», konstatiert Cédric Tschanz, der in Montpellier lebt und mit den französischen Lebrun-Brüdern trainiert, von denen Félix heute (13.30 Uhr) gegen den Brasilianer Hugo Calderano um Bronze spielt.
Das Ziel von Tschanz war es, in diesem Sommer an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Auch Verletzungen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Doch der Traum der fünf Ringe lebt: Sein neues Ziel lautet Olympische Spiele 2028 in Los Angeles.