Vier Jahre lang haben sich die Athletinnen und Athleten auf die Olympischen Spiele in Paris vorbereitet. Und nach nur zwei Wochen ist der Event, der für viele ein Karriere-Highlight darstellt, auch schon wieder zu Ende. Und für einige Sportlerinnen und Sportler beginnt nun eine schwierige Zeit, geprägt vom sogenannten Post-Olympic Blues.
2023 hatte eine dänische Studie gezeigt: Nach den Olympischen Spielen in Tokio fühlten sich fast 30 Prozent der befragten Athletinnen und Athleten deprimiert oder zeigten gar Symptome einer Depression. Frauen sind häufiger von diesen negativen Auswirkungen des Grossevents betroffen als Männer. Ausserdem zeigen Personen, die unter ihren eigenen Erwartungen blieben, ebenfalls häufiger depressive Verstimmungen, so die Studie.
Andreas Küttel, der ehemalige Schweizer Skispringer und dreifache Olympiateilnehmer, beschäftigt sich in seiner zweiten Karriere als Wissenschaftler an der Syddansk Universitet im dänischen Odense mit dem Thema. Küttel glaubt, dass die bei der Studie ermittelten 27 Prozent nur die Spitze des Eisbergs sind, denn: «Wer sich besonders schlecht fühlt, schickt einen Fragebogen wie unseren gar nicht erst zurück.»
Die Symptome eines Post-Olympic Blues können sich laut Cody Commander, ehemaliger Beauftragter für psychische Gesundheit des US-Teams, unterschiedlich äussern: Bei manchen Athletinnen und Athleten verändern sich die Ess- und Schlafgewohnheiten, und auch ein sozialer Rückzug gilt als Anzeichen. So komme es oft vor, dass betroffene Athletinnen und Athleten nicht mehr auf Nachrichten oder Anrufe reagieren, weil sie die mentale Energie dafür nicht aufbringen.
Laut Danielle Adams Norenberg, Psychologin des britischen Olympia-Teams, reagieren manche Sportlerinnen und Sportler auf die innere Leere nach den Olympischen Spielen auch mit übermässigem Alkoholkonsum, Übertraining oder anderen selbstzerstörerischen Verhaltensweisen.
Eine Athletin, die diese Gefühle gut kennt, ist die Schweizer Sportschützin Nina Christen. Nach ihrem Olympiasieg in Tokio fiel die 30-Jährige in eine «postolympische Depression». Christen berichtete von Energielosigkeit, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und Migränen. Auch Michael Phelps, der erfolgreichste Olympionike aller Zeiten, erzählte nach seinem Rücktritt, dass er nach den Olympischen Spielen in London, wo er viermal Gold und zweimal Silber holte, in ein tiefes Loch fiel. Tagelang habe er ohne Essen und Schlaf in seinem Zimmer ausgeharrt und wollte «nicht mehr leben».
Doch wie geht man als Athletin oder Athlet mit dem Zustand um, wenn das Adrenalin abnimmt und die Erschöpfung spürbar wird? Laut einer australischen Studie hilft es, wenn sich die Olympioniken bereits vor den Spielen einen Plan für das «danach» zurechtlegen. Das empfiehlt auch Marion Sulprizio, Psychologin an der Deutschen Sporthochschule in Köln: «Die mentale Vorbereitung auf einen Wettkampf ist etwas Selbstverständliches. Das sollte für die Zeit danach genauso gelten. Man muss sich konkrete Dinge vornehmen für die Phase nach grossen Turnieren.»
Wichtig sei auch, so sind sich die Forscherinnen und Forscher auf diesem Gebiet einig, dass vermehrt über negative Gefühle nach Grossereignissen wie den Olympischen Spielen gesprochen werde. Menschen wie Nina Christen und Michael Phelps, aber auch die US-amerikanische Turnerin Simone Biles oder die deutsche Judoka Anna-Maria Wagner, die offen über ihre psychische Gesundheit sprechen, leisten also einen wichtigen Beitrag zur Enttabuisierung eines Themas, das viele Athletinnen und Athleten betrifft.
Daher ist es nachvollziehbar, wenn man sich nach den Olympischen so fühlt, da die meisten Athleten einen grossteil ihres Lebens darauf hingearbeitet haben.
Umso wichtiger, dass sich die Leute darüber im klaren sind und es nicht als negative oder schwach abgestempelt wird.