Das leicht beklemmende Gefühl bei einer Einreise: Klappt alles? In der sanften Form etwa bei einer Einreise in die USA. Etwas mehr Herzklopfen gab es einst in den frühen 1980er-Jahren nach der Landung in Moskau. Die sowjetische Hauptstadt. Im damaligen «Reich des Bösen.» Oder noch heute vor der Landung in der nordkoreanischen Metropole Pjöngjang. Im heutigen «Reich des Bösen».
Das Olympische Peking von 2022 übertrifft alles, was bisher war. Der ultimative Reise-Kick. Die Landung auf einem anderen Planeten. Nicht simuliert in einem Vergnügungspark. In Disney-Land. Sondern beklemmend echt.
Der Flug von Zürich nach Peking dauert gut neun Stunden. In neun Stunden auf den Mars. Nach dem Verlassen des Flugzeuges wird noch auf der Gangway klar: Wir betreten einen anderen Planeten. So wird es einmal sein, wenn wir zum Mars fliegen. Soweit das Auge reicht: Wesen in Raumanzügen. Marsmenschen. Unten auf der Piste wieseln sie um die angedockten Flugzeuge herum und bei der Ankunft weisen sie uns ein.
Alle tragen weisse Schutzanzüge mit eingearbeiteten Schuhen. Wie Michelin-Männchen. Aber ohne Charme. Durch eine Art Taucherbrille schauen sie den Neuankömmling mit scheuer Neugier und emotionsloser Freundlichkeit an und weisen mit Handzeichen den Weg. Wie Polizisten, die den Verkehr regeln.
Erst zur Passkontrolle an einer modernen Maschine. Dann zur Olympischen Anmeldung. Alles funktioniert. Kaum Schlange stehen. Die meisten Marsmenschen sprechen durch eine Art eingebautes Mikrofon durch ihren Schutzanzug hindurch. Was das Mars-Feeling verstärkt. Schliesslich an sterilen Wänden entlang und um ein paar Ecken herum zum PCR-Test. Ruckzuck. Resolut mit dem Wattestäbchen in den Rachen. Dann in die Nase. Mein Verdacht: Er arbeitet sonst als Tierarzt oder Elefantenpfleger.
Bin ich versehentlich in einem Filmdreh gelandet? Szenen wie in einem Sciencefiction Film. Aber alles hat durchaus seine Logik: Wenn fremde Wesen auf einem Planeten landen, ist es ja für die Eingeborenen das oberste Gebot, mit ihnen nicht in Kontakt zu kommen. Sie könnten tödliche Krankheitskeime mitbringen.
Bin ich nun während den nächsten zwei Wochen diesen Marsmenschen ausgeliefert? Können die mich oder sogar olympische Heldinnen und Helden einfach wegsperren?
Aber vielleicht wird es ja doch nicht so schlimm: Auf der Busfahrt ins Hotel – der Chauffeur sitzt isoliert fast wie in einer Raumkapsel hinter dem Steuer – sind nun richtige Menschen zu sehen. Alle tragen Masken. Als der Bus abbiegt, erhasche ich einen Blick auf einen Passanten ohne Maske! Ein Freiheitstrychler hinter der Chinesischen Mauer? Wenn das Maurers Ueli wüsste!
Nach sechs Stunden Wartezeit im Hotelzimmer kommt die Meldung: Test negativ. Sie dürfen das Zimmer verlassen und den Planeten Peking betreten. Aber jeden Tag muss ich wieder testen.
Das Hotel beschäftigt keine Marsmenschen. Hier trägt niemand Raumanzüge. Nur zusätzlich zur Maske noch eine Art Schutzhelm mit einer Kappe. Und doch ist es auch hier ein wenig wie in einem Sciencefiction-Film: Der emotionslos freundliche junge Mann an der Reception spricht chinesisch in eine Art Hosentelefon. Auf dem Bildschirm erscheint in englischer Sprache, was er mich fragt. Ich antworte in den kleinen Apparat und auf dem Bildschirm erscheinen meine Worte in chinesischen Schriftzeichen. Ich kann jetzt auch chinesisch!
Der Vergleich mag polemisch, ja boshaft und auf jeden Fall unfair sein. Es ist ja schon ein paar Jahre her. Als die Welt noch eine andere war. Und doch: Der Empfang im Sommer 2017 in der nordkoreanischen Hauptstadt war vergleichsweise locker, unkompliziert und herzlich. Kims Leute waren charmanter.