Die Schweizer Fussballsaison biegt auf die Zielgerade ein. Und während das Meisterrennen so offen ist wie seit vielen Jahren nicht mehr, bleibt abseits des Spielfelds vieles beim Alten: Die Fronten zwischen Fans, Liga und Behörden sind verhärtet. Streitpunkt ist, was gegen Gewalt rund um Fussballspiele unternommen werden soll.
Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) würde am liebsten auf personalisierte Tickets setzen. Eintritt nur noch mit aufgedrucktem Namen und Ausweis-Abgleich beim Einlass. Das gegen den grossen Widerstand der Fussballliga, der Vereine und der Fans. Bislang gelang es der KKJPD aber auch gegen deren vereintes Powerplay die Pläne voranzutreiben.
Diese Woche haben sie aber einen schweren Rückschlag erlitten. Die Sicherheitskommission des Nationalrats lehnt einen Vorstoss deutlich ab, der die gesetzlichen Grundlagen ebnen sollte, damit solche personalisierten Tickets eingeführt werden können. Bereits beim Ticketkauf hätte der Käufer mit der Hooligan-Datenbank abgeglichen werden sollen. Ist der Name registriert, so gibt es keine Tickets.
Die Nidwaldner Regierungsrätin Karin Kayser-Frutschi, Co-Präsidentin der KKJPD, sagt: «Sollte das Parlament diesem Vorstoss nicht zustimmen, wird es deutlich schwieriger, die personalisierten Tickets einzuführen.» Noch habe sie die Hoffnung, dass sich doch noch eine Mehrheit finden wird. Im Ständerat fand die Vorlage grossmehrheitliche Zustimmung – der Bundesrat war skeptisch.
«Wir brauchen diese gesetzliche Grundlage», sagt Kayser. So könne auch ein kantonaler Flickenteppich verhindert werden – so ist etwa im Kanton Luzern eine Initiative hängig, welche die Einführung von personalisierten Tickets auf Kantonsebene fordert. «Solche Tickets unterstützen uns sehr in der Einzeltäterverfolgung», betont Kayser, und genau das würden auch die Clubs immer wieder fordern. Sie könne daher deren Widerstand nicht wirklich nachvollziehen.
Vor einem Jahr kam es aufgrund des Kaskadenmodells zum Bruch zwischen Liga und der KKJPD. Auf das öffentliche Zerwürfnis folgte längere Funkstille und nun sei man sich wieder «am Annähern», wie Kayser sagt. Insgesamt bewertet sie den bisherigen Saisonverlauf als «grundsätzlich erfreulich» – es kam nur selten zu Zwischenfällen an Fussballspielen.
Dass die Behörden deshalb im Sinne eines Entgegenkommens auf personalisierte Tickets verzichten könnten, will Kayser aber nicht gelten lassen. Der Druck für diese Massnahme stamme ja aus der Bevölkerung – der Leidensdruck sei da in einigen Kantonen hoch. Sie gibt aber zu, «dass wir schon noch einmal über die Bücher müssen, wenn dieser Vorstoss abgelehnt wird».
Bei der Liga zeigt man sich grundsätzlich zufrieden über den Entscheid der Kommission. «Offensichtlich haben neben datenschutzrechtlichen Vorbehalten auch unsere Argumente verfangen», sagt Liga-Chef Claudius Schäfer. Der Aufwand sei nicht verhältnismässig und auch den generellen Nutzen zweifelt man an. Für die Liga gehe es darum, dass Gewalt mit allen Möglichkeiten verhindert werde, aber mit personalisierten Tickets löse man keine Probleme.
Schäfer betont, dass die Liga jederzeit die Hand zum «konstruktiven Dialog» reiche. Allerdings will die Liga auch weiterhin nicht beim Kaskadenmodell mitmachen – dieses sei «gescheitert», wie Schäfer urteilt. Immer wenn es in der vergangenen Zeit zu Sektorensperrungen gekommen sei, habe es nur zu mehr Aufwand für die Polizei und zu mehr Problemen rund um die Stadien geführt. «Wir wollen Massnahmen, die zur Lösung und nicht zum Problem beitragen», sagt Schäfer.
Schäfer sieht ebenfalls gute Tendenzen rund um den Spitzenfussball: «Wir haben immer weniger Vorfälle innerhalb und um die Stadien.» Am vergangenen Wochenende seien beinahe 100'000 Menschen in den Stadien der Super League gewesen und es «kam zu keinen nennenswerten Vorfällen.» Er fügt aber an, dass es bei diesem gesellschaftlichen Thema natürlich keine Garantie gebe, dass es nicht wieder vereinzelt Vorfälle geben werde.
Dieses Wochenende stehen mit Zürich gegen Basel und Sion gegen Servette zwei emotionsgeladene Spiele auf dem Programm. Hier haben es die Fans selbst in der Hand, Werbung für weniger scharfe Massnahmen zu machen.
(aargauerzeitung.ch)