Es war eine sehr vollmundige Ansage, welche die neuen Macher des FC United Zürich im März 2010 in der Pendlerzeitung «20 Minuten» schalteten. Auf einer doppelseitigen Werbung wurde für die Umbenennungsparty geworben. Das Ziel war nichts weniger als der Schweizer Fussball-Meistertitel 2018.
Die Ankündigung auf dem Inserat war verheissungsvoll: «Wir werden dem FCZ, GC, YB, FCB, FCSG und dem FCL Feuer unterm Hintern machen», stand neben anderen grossen Tönen. Selbst ein eigenes Stadion gehörte zur Super-League-Vision 2018.
Den sagenhaften Aufstieg sollte der Amateurklub Fenerbahçe Zürich – bis 2008 ein 4.-Liga-Klub ohne grosse Ambitionen – bewerkstelligen. Orhan Yilmaz übernahm dort als Präsident und installierte Unternehmensberater Bernhard Fanger als seinen Vize und Finanzchef. Man wollte etwas Verrücktes erreichen.
Kurz vor dem Aufstieg in die 2. Liga wurde das Team in FC United Zürich umbenannt und trat dann ab der Saison 2010/11 offiziell unter diesem Namen an. Damals spielten ehemalige Spitzenfussballer wie Franco di Jorio oder Massimo Rizzo im Team. Es sollten nicht die letzten grossen Namen bleiben in den nächsten Jahren.
Finanziell sollte es mit einigen Spesenzahlungen bis in die 2. Liga interregional reichen. Zu den späteren Plänen sagte Finanzchef Fanger 2010: «Ich arbeite als Unternehmensberater. Finanziell sehe ich für unsere Vision kein Problem.»
Tatsächlich ging es mit dem Klub über die nächsten Jahre ziemlich steil aufwärts. Von der 4. Liga erfolgte der Durchmarsch in die 2. Liga, dort reichte es im ersten Jahr jedoch «nur» für Rang zwei, eine Saison später gelang schliesslich der nächste Aufstieg.
Yilmaz und Fanger stiegen zwischen 2013 und 2015 aus und haben seither gar nichts mehr mit dem Verein zu tun. Die Ziele blieben unter der neuen Führung ambitioniert, wie der kurz zuvor entlassene Sportchef Giuseppe Fabio 2015 der «Schweiz am Sonntag» in einem Interview erzählte.
Mit Trainer Ivan Previtali und den ehemaligen Profis David Blumer oder Raul Cabanas stieg man 2015 in die 1. Liga auf. Ein Jahr (2016) später wurde die Promotion League (dritthöchste Liga) erreicht – mit dem ehemaligen Aarau-Profi Ryszard Komornicki als Trainer und Ex-Nati-Spieler Ricardo Cabanas als Co-Trainer. Zwei Jahre blieben bis zum angekündigten Meistertitel 2018. Das war da schon nicht mehr möglich.
Doch in der Promotion League endete der raketenhafte Aufstieg ohnehin. In der Saison 2016/17 wurde der sofortige Wiederabstieg in extremis verhindert. Eigentlich lag man zum Saisonende auf einem Abstiegsplatz, aber weil sich der FC Wohlen zurückzog, blieb ein Platz in der Liga frei. Doch statt 2018 den Meistertitel zu feiern, stieg man schliesslich abgeschlagen ab. 13 Punkte fehlten zum rettenden Ufer – trotz Ex-FCB-Profi Scott Chipperfield im Trainerteam.
Es war der Anfang von schwierigen Jahren. Es folgte der nächste Besitzerwechsel auf den neuen Präsidenten Musa Gibreil, der zusammen mit Verdi Dzaferi seither die Geschicke des Vereins führt.
Seither gab es viele Spielerwechsel und eine Konstante: Man stieg jedes Jahr ab – ausser, als die Meisterschaft in der Coronasaison 2019/20 nicht gewertet wurde und man als klares Schlusslicht am grünen Tisch gerettet wurde. Zum Saisonstart in die 2. Liga interregional wurde man von Chur 1:17 zerzaust. Die Zukunft des Klubs wurde nur wenige Tage zuvor gesichert. Es gab ein Training, dann das Spiel. Am Samstagmorgen wurden schliesslich noch fünf Spieler aufgetrieben. Beim Debakel auf dem Platz standen verschiedene A- und B-Junioren sowie ein 43-Jähriger, wie der «Tages-Anzeiger» damals berichtete.
Der tiefe Fall konnte erst in der Spielzeit 2022/23 gebremst werden. Der Ligaerhalt in der 3. Liga gelang dank zwei späten Toren im letzten Saisonspiel dramatisch.
In der aktuellen Saison erwischte es United Zürich aber deutlich, der neuerliche Abstieg perfekt. Zudem wurden in den letzten Partien mit verschiedenen Roten Karten noch mächtig Strafpunkte gesammelt. «Das ist sehr schade und völlig unnötig», erklärt Sportchef Indrit Dzaferi, der einst in der Challenge League bei YF Juventus kickte, gegenüber watson.
Die Undiszipliniertheiten hatten auch unmittelbare Konsequenzen. Für die beiden letzten (unbedeutenden) Partien musste man Forfait geben: «Wir hatten keine einsatzfähigen Spieler mehr», erklärt Dzaferi. So steht man rund 16 Jahre nach den grossen Träumen wieder dort, wo 2008 alles begann: in der 4. Liga.
Doch was hat das heutige Team noch mit den grossen Ankündigungen von 2010 zu tun? Bis auf den Namen gibt es keine Verbindung mehr. Fanger und Yilmaz reagierten nicht auf unsere Anfragen, die neuen Macher im Klub haben andere Ziele. So sagt Sportchef Dzaferi nach dem Abstieg: «Ganz klar, ich bleibe. Wir haben eine grosse Juniorenabteilung und ich möchte dem Sport etwas zurückgeben.»
United Zürich sei in den Jahren zu einer Herzensangelegenheit geworden. Auch wenn sein eigener Sohn in einem anderen Verein bei den Junioren spielt, seien ihm die Jungen wichtig. «Wir haben da etwas aufgebaut, das soll bleiben.»
Aber wie verkraftet man es, wenn man jahrelang meist verliert und einen Abstieg an den nächsten reiht? Dzaferi: «Das ist schon schwierig. Jeder will gewinnen, aber das nagt dann an der Motivation.» Und dass er, der weit höher oben spielte, jetzt in der 4. Liga angekommen ist? «Die Liga ist ja eigentlich egal. Wir wollen Freude am Fussball vermitteln und zusammen eine gute Zeit haben», sagt Dzaferi.
Grosse Träume von höheren Ligen hat er für seinen Verein aktuell nicht. «Wir haben kein Geld, keine potenten Sponsoren, das macht es in der 3. Liga natürlich schwierig.» Was im Amateurfussball bis in diese Liga für Geld bezahlt wird, sei teilweise erschreckend. «Bei United Zürich gibt es aktuell nichts zu verdienen.» Mit der alten Crew hat die jetzige Klubführung nichts mehr zu tun. Nur der Name United Zürich, der dürfte bleiben. Dzaferi sagt: «Ich finde ihn cool, der bleibt. In guten wie in schlechten Zeiten.»
United Zürich ist nicht der einzige Verein, der gross träumte und dies auch (sehr offensiv) publik machte. 2011 posaunten die Macher des in der 5. Liga neu gegründeten FC Rot Weiss Winikon grossspurig heraus, man wolle 2023 Schweizer Meister werden.
Der FC RWW wurde in einem Quartier von Uster ins Leben gerufen und war ein Projekt für eine Diplomarbeit der Swiss Marketing Academy und deren Geschäftsführer Hansruedi Knöpfli, der als erster Präsident amtete. «Wir sind zuversichtlich, dass es gut kommt», sagte er damals gegenüber 20 Minuten.
Geplant war der direkte Durchmarsch in die 2. Liga, dann bis 2018 der Schritt in die 1. Liga, 2021 die Challenge League und 2023 der Meistertitel. Acht Aufstiege innert zwölf Jahren hätte dies bedeutet.
Doch schon früh war klar: Das wird nichts. Statt des Durchmarsches in die 2. Liga stockte das Unternehmen schon in der 4. Liga erstmals. In der Saison 2017/18 wurde das Fanionteam schliesslich zurückgezogen.
Mit dabei war zu Beginn Ex-FCZ-Spieler Daniel Tarone. Ausserdem war mit der ehemaligen Skifahrerin Brigitte Oertli von Anfang an noch eine erfahrene Kraft aus der Sportwelt mit an Bord. Sie ist übrigens auch heute noch Vize-Präsidentin; Präsident Knöpfli verstarb 2021.
Mit den anfänglichen Plänen hat der Verein heute gar nichts mehr am Hut. In der aktuellen Saison steigt das Team mit nur zwei Punkten auf dem Konto abgeschlagen in die 5. Liga ab. «Wir werden in der neuen Saison keine Aktivmannschaft mehr stellen», sagt der aktuelle Winikon-Präsident Silver Borer zu watson.
Er übernahm vor sieben Jahren, als der Klub seinem Ende entgegen schlitterte. Damals spielte der Verein in der 3. Liga. Eine der ersten Amtshandlungen Borers war der Rückzug der damaligen 3.- und 4.-Liga-Teams. Nur die Juniorenabteilung blieb bestehen. Er wollte vor allem diese retten.
Ein vierter Rang in der siebthöchsten von neun Schweizer Ligen bleibt vorerst das höchste der Gefühle für die Zürcher Oberländer in ihrer bald 15-jährigen Geschichte.
Mit den ehemals grossspurigen Plänen kann er nichts anfangen: «Heute stehen wir für Junioren- und Breitenfussball. Wir wollen allen Kindern eine sinnvolle Beschäftigung ermöglichen», sagt Borer. Integration sei ein grosses Thema in Uster und im Verein.
Rot Weiss Winikon wird also 2024/25 zum zweiten Mal ohne Aktivmannschaft sein. Das könne sich natürlich wieder ändern, Borer will aber nicht einfach irgendwelche Spieler zusammensuchen: «Vielleicht machen wir dann wieder ein Team, wenn unsere eigenen Junioren ins Aktivalter kommen. Sonst ist ja auch keine Identifikation mit dem Verein da.»