Die im Sport oft auftauchende Frage nach dem Momentum ist vor dem Cupfinal am Sonntag im Letzigrund klar und einfach zu beantworten. Der FC Lugano hat im Match gegen Absteiger Zürich alles auf seiner Seite, was man als psychologischen Vorteil werten kann.
Ganz Lugano lag sich am Mittwoch in den Armen, als der Ligaerhalt nach dem 3:0-Sieg gegen St.Gallen feststand. Die Euphorie war gross wie nach einem Titelgewinn. Sie war das Gegenstück zur Enttäuschung und zur Frustration, die den FCZ nach dem Abstieg heimgesucht hatten.
Vergleicht man die finanziellen Möglichkeiten, die Spielerkader und die Tradition der Vereine, müsste der FCZ als haushoher Favorit in den Final steigen. Die verpatzte Meisterschaft ändert jedoch die Vorzeichen. Die erfolgsgewohnten Zürcher haben in der Super League alle Ziele verpasst. Ein Platz in der Europa League, auf dem ordentlichen Weg via Meisterschaft erreicht, wäre das Mindeste gewesen.
Jetzt müssen sie sich sogar mit Spielen gegen Gegner wie Chiasso oder Le Mont in Baulmes anfreunden, fernab von den Ansprüchen eines grossen Klubs. Nur mit einem Sieg im Cupfinal können sie noch europäisch werden.
Die Mannschaft des FC Zürich hat in dieser Saison ein Beispiel dafür abgeliefert, wie wenig berechenbar der Fussball ist. Denn was die Leistungen im Cup-Wettbewerb betrifft, erfüllten die Zürcher hohe Ansprüche mit Bravour. Ihr Programm war aussergewöhnlich schwer. Nach dem nicht geschenkten Sieg beim Challenge-League-Klub Wohlen besiegten sie nacheinander ebenfalls auswärts die Young Boys, Thun und den Cup-Spezialisten Sion mit dem Torverhältnis von 10:2.
Wären sie in der Super League annähernd so erfolgreich gewesen, hätten sie eher um einen Spitzenplatz als gegen den Abstieg gespielt. Im sechsten Cupspiel, im Final, treten die Zürcher ebenfalls auswärts an. In ihrem Letzigrund zwar, aber die Finalpaarung lautet offiziell Lugano gegen Zürich. Der FCZ ist also das Gästeteam.
Vielleicht ist dies ein gutes Omen für die Mannschaft von Feuerwehrmann Uli Forte. Erst recht deshalb, weil die Zürcher Heimbilanz in der Meisterschaft katastrophal schlecht war. Den nur vier Siegen standen je sieben Unentschieden und Niederlagen gegenüber.
Im Vergleich zum schwierigen Programm des FCZ war Luganos Parcours im Schweizer Cup ein Spaziergang. Vier Spiele lang waren die Hürden nicht sehr hoch, und dennoch wären die Tessiner zweimal fast gestrauchelt.
Sowohl bei dem in der interregionalen 2. Liga darbenden einstigen Rivalen Bellinzona als auch im Heimspiel gegen den GC-Bezwinger Köniz aus der Promotion League liessen sich die Luganesi in die Verlängerung zwingen. Gleichwohl mussten sie sich den Eintritt in den Final zuletzt noch mit einer respektablen Leistung erkämpfen.
Im Halbfinal siegten sie in Luzern 2:1. Wollte man diesen Sieg schmälern, könnte man erwähnen, dass Luzern in jener Zeit, im Februar und Anfang März, eine schwarze Serie von fünf Niederlagen in der Super League erlebte.
Weder Uli Forte noch Zdenek Zeman sind Erfolgstrainer im landläufigen Sinn. An Meistertiteln und Cupsiegen gibt es einen einzigen Eintrag. Der 42-jährige Uli Forte, erst seit 2002 im Metier aktiv, erreichte 2012 am Ende seiner einzigen Saison, die er mit GC bestritt, den Cupfinal. Die Hoppers zwangen den favorisierten FC Basel mit einem 1:1 ins Penaltyschiessen. Dort siegten sie 4:3.
Der 69-jährige Tscheche Zdenek Zeman, seit 1981 als Trainer tätig, arbeitete vor seinem Engagement in Lugano die meiste Zeit in Italien und häufig mit unterklassigen Mannschaften. Sein grösstes Verdienst war, dass er das im Vergleich zu anderen Klubs mittellose Foggia drei Jahre lang in der Serie A halten konnte. Das war zu Beginn der Neunzigerjahre.
Später hatte Zeman mit Grössen wie Lazio Rom, AS Roma und Napoli keinen Erfolg. Sowohl Roma als auch Fenerbahce Istanbul errangen Titel, kurz nachdem Zeman entlassen worden war.
Schweizer Cupfinals der älteren Vergangenheit werden vor allem mit dem Wankdorf in Bern assoziiert. Zwischen den beiden Weltkriegen jedoch wanderte der Final von Stadt zu Stadt. 1931 machte er auch in Lugano halt. Der bis heute letzte Final in Zürich war jener von 1936, als die heimischen Young Fellows gegen Servette 2:0 siegten.
Das Spiel fand nicht im Letzigrund statt. Nein, Schauplatz für knapp 8000 Zuschauer war der Sportplatz (nicht das Stadion) Förrlibuck. Er stand auf dem heutigen Toni-Areal, auf dem sich längst moderne Hotels türmen. Der Förrlibuck musste später Bauplänen der SBB weichen. Nach 80 Jahren kehrt der Cupfinal also nach Zürich zurück. (zap/pre/sda)