Neben der Hocke ist Franjo von Allmens häufigste Bewegung derzeit wohl das Kopfschütteln. Der Berner Oberländer kommt mit seiner rasanten Entwicklung in dieser Saison selbst kaum hinterher. Dass der 23-Jährige erst seine zweite Weltcup-Saison bestreitet, geht im Trubel um ihn manchmal fast unter. So souverän präsentierte sich Von Allmen in den letzten Wochen.
Er selbst versuchte stets, den Ball flach zu halten. Vor Wengen hatte er nach zwei 2. Plätzen noch gesagt, es wäre «frech», jetzt gleich die nächsten Podestplätze zu erwarten – geschweige denn einen Sieg. Jetzt, gut fünf Wochen später, ist er zweifacher Weltmeister und zweifacher Weltcupsieger. Das ist für ihn oft schwer zu fassen. «Als Weltmeister aus Saalbach hierher zu kommen und vor Schweizer Publikum den ersten Abfahrtssieg zu holen: Besser geht es eigentlich nicht», sagte Von Allmen im Ziel und schüttelte noch einmal kurz den Kopf. Wer hätte das nach den Plätzen 28, 33 und 23 zum Saisonauftakt gedacht?
In Gröden und Wengen hatte er Marco Odermatt, in Bormio Alexis Monney den Vortritt lassen müssen. Nach drei zweiten Plätzen war nun Von Allmen an der Reihe: Sowohl an der WM als auch beim Heimrennen im Wallis liess er seine beiden teaminternen Konkurrenten hinter sich. Es sei schwierig zu sagen, was das Erfolgsrezept sei, meinte Von Allmen. «Wenn's läuft, dann läuft's. Man darf nicht viel über das Warum und Wieso nachdenken, sondern einfach das gute Gefühl mitnehmen.»
Ein Faktor ist offensichtlich: Das Material ist perfekt auf Von Allmen abgestimmt. Ein grosses Kompliment ging deshalb einmal mehr an seinen Servicemann Sepp Kuppelwieser, der schon Fahrer wie Beat Feuz oder Peter Fill betreut hat. «Seine ruhige Art und seine Erfahrung sind für mich besonders wertvoll», sagte der Fahrer mit der Skimarke Head. «Ich weiss, dass ich immer auf ihn zählen kann, wenn ich einen Rat brauche.»
Zuerst den WM-Titel zu gewinnen und dann erst den ersten Abfahrtssieg im Weltcup zu holen: Das hat auch Odermatt so gemacht. Der 27-jährige Nidwaldner musste allerdings länger auf diesen Triumph warten. Nach seinen zahlreichen Siegen im Riesenslalom und im Super-G feierte er seinen ersten Weltcupsieg in der Abfahrt erst im Januar des vergangenen Jahres. In jener Saison gewann er auch die kleine Kugel in der Königsdisziplin.
Nun führt Odermatt die Wertung erneut an, aber Von Allmen ist ihm auf den Fersen. 73 Punkte trennen die beiden, der drittplatzierte Monney hat 112 Punkte Rückstand auf Von Allmen. Vor dem Saisonfinale in Sun Valley stehen noch zwei Abfahrten in Kvitfjell an. Dort hatte Von Allmen im letzten Winter mit Platz 5 sein damals bestes Abfahrtsresultat gefeiert. Auch diese Strecke liegt ihm. Inzwischen muss man aber eher fragen: Welche nicht?
An einen möglichen Kugelgewinn wolle er aber noch nicht denken, hatte Von Allmen schon vor dem Rennen in Crans-Montana gesagt. Es käme auch fast einer Majestätsbeleidigung gleich, eine Kampfansage an Odermatt zu richten. Statt mit Worten überzeugt Von Allmen mit Taten.
Dass ihm ein starker Konkurrent im Nacken sitzt, weiss Odermatt ohnehin schon lange. «Franjo hat momentan die beste Grundschnelligkeit von uns allen. Und wenn er seine Fahrt fehlerfrei runterbringt, ist er kaum zu schlagen», adelte Odermatt seinen Teamkollegen. Entsprechend gelassen blickt der dreifache Gesamtweltcupsieger dem bevorstehenden Kampf um die kleine Kugel entgegen. «Mein grosses Ziel, einmal die Abfahrtskugel zu gewinnen, habe ich erreicht. Wenn es diesmal Franjo schafft, wäre das auch schön.» (abu/sda)