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Corona gefährdet Olympia: Ski-Stars führen Leben fast wie in Einzelhaft

Marco Odermatt of Switzerland poses for photographer during a press conference at the Alpine Skiing FIS Ski World Cup in Wengen, Switzerland, Tuesday, January 11, 2022. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)
Bei einer Corona-Infektion würde Marco Odermatts Traum von Olympia platzen.Bild: keystone

Angst vor Ansteckung: Warum die Schweizer Skistars ein Leben fast wie in Einzelhaft führen

Alleine essen, alleine schlafen, alleine sein: Die Vorsicht bei den Athleten ist gross. Jeder positive Coronatest ist nun besonders dramatisch, weil sie in der Folge eines oder mehrere Highlights der Saison verpassen würden.
13.01.2022, 07:4213.01.2022, 13:51
Martin Probst, Wengen / ch media
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«Sie müssten es sehen, es sieht wohl ziemlich komisch aus», sagt Marco Odermatt. Dürfen wir aber nicht. Die Athleten befinden sich in einer Blase. Zutritt haben nur Berechtigte. Also versuchen wir, es zu beschreiben. «Gut 20 Einzeltische stehen im Speisesaal des Hotels Belvédère in Wengen», erzählt Odermatt. Seit Jahren ist es das Teamhotel der Schweizer. In anderen Jahren ist es ein Treffpunkt, wo Lauberhornsieger auch schon im Ledersessel die Journalisten nach einer kurzen Nacht empfangen haben.

In diesem Jahr ist es eine Sperrzone. Freiwillige Einzelhaft fast. An jedem Tisch sitzt ­alleine ein Athlet. Wüsste man es nicht besser, man würde wohl vermuten, es wäre das Jahres­treffen der Einzel­gänger. Oder zumindest, dass sich hier niemand mag. Und dass man sich aus dem Weg geht.

Fahrer verstecken sich, während die Fans feiern

Das tun die Athleten zwar wirklich. Aber aus anderen Gründen. Gut drei Wochen vor Beginn der Olympischen Spiele in Peking erreicht die Ansteckungsangst ihren Höhepunkt. Jeder positive Coronatest ist nun besonders dramatisch, weil die Athleten in der Folge eines oder mehrere Highlights der Saison verpassen würden. Entsprechend gross ist die Vorsicht. «Man versucht, sich so gut wie möglich zu schützen», sagt Beat Feuz: «Wir schlafen in Einzelzimmern. Zudem ver­meide ich Kontakte, so gut es geht.» Seine Tochter geht derzeit nicht einmal in den Kindergarten, um das Infektionsrisiko zu senken, wie er dem «Blick» verriet.

Beat Feuz of Switzerland poses for photographer during a press conference at the Alpine Skiing FIS Ski World Cup in Wengen, Switzerland, Tuesday, January 11, 2022. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)
Beat Feuz versucht alles, um seine Olympia-Teilnahme nicht zu gefährden. Bild: keystone

Entsprechend zwiespältig war sein Blick nach Adelboden, wo am vergangenen Wochenende 12'500 Menschen grösstenteils ohne Maske ein Skifest feierten: «Natürlich ist das cool, aber für die Athleten auch gemein. Wir müssen uns verstecken und versuchen, uns nicht anzustecken, während um uns herum gefeiert wird.»

Auch in Wengen werden zahlreiche Zuschauer erwartet. Allerdings gibt es anders als in Adelboden im Ziel keine Zuschauertribüne. Dafür wird der Weg an den Start zum Problem. Weil die Athleten die gleichen Liftan­lagen benutzen wie die Touristen. Die Organisatoren versprechen, die Gruppen strikt zu trennen. So gäbe es in der Wengernalpbahn separate Züge für den Weltcuptross.

Die Nähe zu den Athleten ist sonst ein Teil der Faszination der Skirennen in Wengen. Auf dem Wixi-Lift, der direkt zum Start führt, war die Chance in der Vor-Corona-Zeit gross, neben einem Star zu sitzen. In diesem Jahr gibt es unten beim Einstieg zwei Wartezonen und sobald ein Athlet den Lift benutzen will, sperrt ein Mitarbeiter der Bergbahnen den Zutritt für die Touristen.

Ungewohnter Start ins Rennwochenende
In diesem Jahr beginnen bereits am Donnerstag die Rennen von Wengen. Zum Auftakt kommt es zu einem Super-G – es ist erst der zweite überhaupt am Lauberhorn nach 1994. Ursprünglich war dieses Rennen in Lake Louise geplant, wo es aber wegen schlechten Wetterbedingungen zuerst nach Bormio und schliesslich nach Wengen verschoben werden musste. (dab)

Kriechmayr und die Krux mit der Isolation

Das funktioniert gut, wie ein Augenschein vor Ort am Mittwoch zeigte. Aber trotz all dieser Vorsichtsmassnahmen, die von Athleten und Organisatoren getroffen werden – ein Nullrisiko gibt es nicht.

So wurde der Österreicher Vincent Kriechmayr Anfang des Jahres positiv getestet. Der Sieger der Lauberhornabfahrt 2019 ist zwar mittlerweile genesen und negativ getestet. Doch die österreichischen Behörden erlaubten ihm nicht, die Isolation früh­zeitig zu verlassen. So verpasste er beide Trainings in Wengen und darf gemäss FIS-Reglement die Abfahrten nicht bestreiten. ­Pikant: Der Internationale Skiverband und das OK in Wengen hätten ihm die Starterlaubnis erteilt.

epa09659592 Vincent Kriechmayr of Austria speeds down the slope during the Men's SuperG race at the FIS Alpine Skiing World Cup in Bormio, Italy, 29 December 2021. EPA/ANDREA SOLERO
Nach seiner Corona-Infektion reiste Vincent Kriechmayr mit Verspätung nach Wengen.Bild: keystone

Kriechmayr erhielt schliesslich am Mittwochabend von den Behörden die Erlaubnis, nach Wengen zu reisen. Am Donnerstag will er den Super-G fahren. Für die Abfahrten erhofft sich der österreichische Verband nun eine Sondererlaubnis der FIS. Der «Kronen-Zeitung» sagte ÖSV-Männer-Cheftrainer Andreas Puelacher: «In dieser schwierigen Zeit sollte man einem Sportler, egal woher er kommt, von der FIS die Möglichkeit bieten, dass er eventuell die Abfahrt fahren könnte.»

Die Favoriten und besten Schweizer im Super-G
3 Beat Feuz
4 Max Franz
5 Vincent Kriechmayr
6 Dominik Paris
7 Marco Odermatt
9 Matthias Mayer
11 Aleksander Kilde
17 Ryan Cochran-Siegle
18 Stephan Rogentin
20 Loic Meillard
25 Justin Murisier
28 Urs Kryenbühl​

Während Kriechmayr also auf der Anreise war, sassen die Schweizer im Hotel Belvédère an ihren Einzeltischen. Schliesslich möchte keiner den heutigen Super-G (Start 12.30 Uhr) verpassen.

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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Commander Salamander
13.01.2022 09:10registriert September 2018
Ich muss sagen, ich versteh die Athleten hier sehr gut. Für sie steht unheimlich viel auf dem Spiel. Und müsste ich mich entscheiden, wäre ich in Adelboden sowas von "Team Einzeltisch" als "Team 12'000 Leute im Zielgelände" gewesen!
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Gawayn
13.01.2022 09:15registriert März 2018
Willkommen in unserer aller Corona Realität.
Ich habe wie Viele hier Opfer unter der Familie zu beklagen.

Deswegen begen wir uns evenfalls in einer Art Klausur.
Keine Kontakte.
Besuche in Läden auf ein Minimum reduzieren, vor einem Besuch bei Verwandten Selbstest und die Verwandten tun es dann auch, immer und überall Maske und Abstand halten.
Furchtbar zermürbend. Doch tun wir es aus Respekt vor Anderen, zu verhindern das Weitere Familien Verluste beklagen müssen.
Auch um diese unsägliche Krankheit in der Verbreitung zumindest etwas ein zu schränken...
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