Wer springt für Gut-Behrami und Suter in die Bresche? Schweizer Frauenteam drohen Probleme
Es ist bislang ein seltsamer Winter für das Schweizer Frauenteam. Noch bevor das erste Speedrennen ausgetragen ist, sind die Sorgen schon da. Teamleaderin Lara Gut-Behrami musste die Saison wegen einer Kreuzbandverletzung abbrechen. Und kaum war die Tessinerin operiert, folgte die nächste Unfallmeldung. Corinne Suter stürzte am vergangenen Mittwoch beim Training in St. Moritz.
Bei Suter klingt die Diagnose so, als hätte sie tatsächlich Glück gehabt. Sie erlitt mehrere kleinere Verletzungen: Ein Muskelfaserriss im linken Unterschenkel, eine Prellung des linken Kniegelenks, eine Fraktur im Rückfussbereich. Eine Operation wird nicht nötig sein. Gemäss der Prognose von Swiss-Ski fällt sie einen Monat aus.
Damit verpasst sie die Eröffnung der Speedsaison in dieser Woche. In St. Moritz stehen von Freitag bis Sonntag zwei Abfahrten sowie ein Super-G auf dem Programm. Das Schweizer Team präsentiert sich dem Heimpublikum also ohne die Teamleaderinnen Gut-Behrami und Suter. Die Ausfälle dürften schwer zu kompensieren sein. Die beiden haben sich in den Speeddisziplinen eigentlich unersetzbar gemacht.
Stefan Abplanalp, der neue Abfahrtstrainer der Schweizerinnen, sagt es so: «Natürlich tut uns das sehr weh. Mit Lara und Corinne fehlen zwei Leistungsträgerinnen, die in den vergangenen Jahren immer abgeliefert haben.» Die Zahlen dazu sind relativ deutlich. Ein Blick auf die vergangene Saison zeigt: Gut-Behrami und Suter haben neun von zehn Podestplätzen in den Speeddisziplinen herausgefahren. Eindrücklich ist auch ihre Bilanz bei Grossanlässen: Etwa bei Weltmeisterschaften haben die beiden in den letzten zehn Jahren neun von zehn Schweizer Medaillen gewonnen.
Abplanalp denkt aber nicht primär an Podestplätze, sondern an die verletzten Athletinnen. Bei Gut-Behrami sei das Ausmass «tragisch», da sie die ganze Saison verpasse. Bei Suter sei die Verletzungspause hingegen «absehbar», sagt er. «Corinne muss das aber auch mental verkraften. Sie ist super drauf, sie hat einen top Formstand erreicht. Und sie hat sich richtig gefreut auf die Rennen von St. Moritz. »
Wer füllt denn nun die Lücke?
Die Teamleaderinnen heissen jetzt Michelle Gisin und Malorie Blanc. Gisin wird in St. Moritz ihr erstes Rennen in diesem Winter bestreiten. Denn die Engelbergerin hat nach dem Slalom auch den Riesenslalom aus ihrem Repertoire gestrichen. Trotzdem trainierte sie zuletzt viel Riesenslalom, um an der Technik zu arbeiten, was ihr letztlich im Speed helfen soll. Laut Abplanalp hat Gisin «eine sehr starke Vorbereitung» hinter sich. Erste Anhaltspunkte wird es ab Freitag geben.
Wäre da also noch Malorie Blanc. Spätestens seit ihrem überraschenden ersten Podestplatz im letzten Januar in der Abfahrt von St. Anton gilt sie als Verheissung. Es wäre allerdings vermessen, von der 21-jährigen Unterwalliserin regelmässig Wunderdinge zu erwarten. Abplanalp hat deshalb eine klare Haltung bei dieser Personalie: «Wir wollen Malorie vor zu hohen Erwartungen schützen und sie mit einem durchdachten Plan an die Weltspitze führen. Da müssen wir den Druck etwas wegnehmen», sagt er.
In St. Moritz wird auch die Schweizer Abfahrtsweltmeisterin Jasmine Flury am Start stehen. Flury hat bekanntlich eine besondere Beziehung zu den Rennen von St. Moritz. 2017 verblüffte sie auf der Corviglia die gesamte Ski-Welt und fuhr überraschend zu ihrem ersten Sieg auf Weltcup-Stufe. Bei Flury sind die Voraussetzungen in diesem Jahr aber sehr speziell. Nach einer komplizierten Knieverletzung und einer langen Pause kehrt sie in den Weltcup zurück. Seit ihrem letzten Rennen sind knapp 22 Monate vergangen.
Inwiefern die Schweizerinnen mit der internationalen Konkurrenz mithalten können, wird sich zeigen. Abplanalp sagt: «Man muss realistisch sein. Uns fehlen zwei wichtige Athletinnen, die immer performten. Wir schöpfen jetzt also aus einem weniger vollen Glas. Aber ich bin einer, der das Glas immer halb voll sieht.» Dass die Heimrennen eine spezielle Erwartungshaltung mit sich bringen, sieht er auch so. «Aber wir wollen diesen Druck umarmen und daraus Motivation schöpfen.»
Nicht nur in den Rennen, sondern auch in den Trainings dürften Gut-Behrami und Suter vermisst werden. Denn es fehlen aktuell wichtige Referenzen. Abplanalp sagt: «Es ist klar, dass dir dies Selbstvertrauen gibt, wenn du siehst, dass du mit Corinne im Training mithalten kannst.» In St. Moritz hatten die Schweizerinnen in der vergangenen Woche aber andere grosse Namen zum Vergleich. Das US-Team um Lindsey Vonn trainierte dank eines gemeinsamen Deals mit Swiss-Ski ebenfalls auf der Corviglia.
Inwiefern die Punkte von Gut-Behrami und Suter in der Nationenwertung fehlen werden, ist schwer abzuschätzen. Solange die Speedsaison der Frauen nicht begonnen hat, kommen Prognosen bezüglich der Wertungen definitiv zu früh. Nur soviel Arithmetik sei erlaubt: Nimmt man das vergangene Jahr als Massstab, könnte die Schweiz auch ohne die Punkte von Gut-Behrami und Suter siegen. Denn in der vergangenen Saison betrug die Reserve auf Österreich über 3000 Punkte. (riz/aargauerzeitung.ch)
