Sie wollte endlich Gold auch in ihrer wichtigsten Disziplin. Silber hatte sie im Slalom schon vor sechs Jahren an der Weltmeisterschaft in St. Moritz und im darauf folgenden Winter an den Olympischen Spielen in Pyeongchang geholt. Sie wollte Gold in dieser Saison, in dem es im Weltcup nach 15 zweiten Rängen endlich zu den ersten zwei Siegen gereicht hatte.
Wendy Holdener war nach halbem Pensum auf Kurs. Als Zweitschnellste des ersten Laufs lag sie nur 19 Hundertstel hinter der Amerikanerin Mikaela Shiffrin. Der Kampf um Gold schien auf ein Duell geschrumpft zu sein, zu gross schienen die Rückstände der anderen Konkurrentinnen, um noch in die Titel-Entscheidung eingreifen zu können.
Wendy Holdener war auch im zweiten Durchgang auf Kurs, sehr lange zumindest. Während mehr als der Hälfte ihrer Fahrt war alles wie am Schnürchen gelaufen, die Schwyzerin fuhr bestechend und war klar die Schnellste. Mit 72 Hundertsteln Vorsprung auf die schon zu jenem Zeitpunkt führende nachmalige Weltmeisterin, die alle überraschende Kanadierin Laurence St-Germain, passierte sie die zweitletzte Zwischenzeitmessung, Mikaela Shiffrin war an jener Stelle 55 Hundertstel langsamer als die Schwyzerin.
Noch 20 Fahrsekunden war der Traum entfernt. Noch diese letzten Tore in verhältnismässig flachem Gelände – und dann wäre es geschafft gewesen, dann hätte die Schweiz zum ersten Mal seit 32 Jahren und Vreni Schneiders Triumph in Saalbach-Hinterglemm wieder eine Slalom-Weltmeisterin. Dann aber das, der Moment, der aus der vermeintlichen Siegerin die grosse Verliererin machte. Wendy Holdener fädelte ein.
Unfassbar – in den ersten Minuten nach dem Drama auch für die Innerschweizerin selber. «Ich überlege, was das Problem war. Ich verstehe es noch nicht ganz», sagte sie in einer ersten Reaktion. Noch war sie einigermassen gefasst, doch Verbitterung, Frust und Ärger liessen sich selbstredend auch bei der besonnenen Wendy Holdener nicht vermeiden.
Es war zu viel des Schlechten für sie, erneut zu viel davon – wie vier Jahre zuvor in Are, als Wendy Holdener schon einmal in einem WM-Slalom den grossen Coup vor Augen hatte, am Ende aber ebenfalls mit leeren Händen dastand. In Schweden hatte sie nach dem ersten Lauf in Führung gelegen, war in der Entscheidung durch einen zeitraubenden Fehler aber aus allen (Titel-)Traktanden gefallen.
Gut Ski fahren wollte sie, sagte Wendy Holdener an diesem Samstag in Méribel auch noch. «Das war der Plan. Ich hatte gehofft, wenn ich gut fahre, dass ich um Gold fahren kann. Ich wollte nichts verschenken.» Gut gefahren ist sie, sehr gut sogar, besser als alle anderen. Bis zu jenem bitteren Moment, in dem sie alles verschenkte.
Auf Gold im Slalom muss Wendy Holdener weiter warten. Geblieben ist ihr von diesen Weltmeisterschaften in Frankreich zweimal Silber. Wieder einmal. (nih/sda)
Besser als runtergebremst und 7.
aufstehen und wieder angreifen!!