Sport
Ski

Ski-Stars dürfen in Zermatt wieder trainieren und das hat Vorteile

Jasmina Suter nimmt auf dem Theodulgletscher ihren ersten Trainingslauf auf Schnee in Angriff.
Jasmina Suter nimmt auf dem Theodulgletscher ihren ersten Trainingslauf auf Schnee in Angriff.Bild: rainer sommerhalder

Die Ski-Stars sind zurück in Zermatt – davon sollen gar die Österreicher profitieren

Nach einem Jahr «Denkpause» haben sich die Zermatter Bergbahnen und der Verband Swiss Ski wiedergefunden. Beim neuen Ansatz der Zusammenarbeit und der langfristigen Partnerschaft geht es um viel mehr als nur Vorteile für Marco Odermatt, Lara Gut-Behrami und Co.
24.07.2025, 20:0924.07.2025, 20:09
Rainer Sommerhalder / ch media
Mehr «Sport»

«Warum seid ihr überhaupt wieder hier?» Die Frage eines Zermatter Bergführers an Swiss-Ski-Cheftrainer Beat Tschuor in der Seilbahn aufs Klein Matterhorn ist nicht als Kritik gemeint. Vielmehr als träfer Spruch. «So viele Erfolge, wie ihr letzten Winter gefeiert habt», schiebt der Bergler schmunzelnd nach. Er ist mit einer Seilschaft in Richtung Breithorn unterwegs. Der Viertausender für Touristen.

Man kennt und trifft sich frühmorgens auf der Reise in Richtung Gipfel. Kurz nach sechs Uhr verlassen die Schweizer Speedfahrerinnen an diesem Dienstag ihr Hotel und machen sich auf den Weg zum ersten Skitraining eines Schweizer Weltcup-Teams in Zermatt, seit die heimischen Bergbahnen vor einem Jahr einen Trainingsbann über Marco Odermatt, Lara Gut-Behrami und Co. ausgesprochen haben.

Stefan Abplanalp, der neue Speedcoach des Schweizer Weltcupteams der Frauen, gibt Malorie Blanc technische Inputs.
Stefan Abplanalp, der neue Speedcoach des Schweizer Weltcupteams der Frauen, gibt Malorie Blanc technische Inputs.Bild: rainer sommerhalder

«Denkpause» hat deren charismatischer Präsident Franz Julen die Verstimmung genannt, deren Ursache auch darin bestand, dass trotz eines bestehenden Vertrags die Abfahrten am Matterhorn aus dem Weltcup-Kalender geworfen wurden. Tatsächlich haben die Parteien nachgedacht und sich in diesem Frühjahr wiedergefunden. Und dies mit einer wegweisenden, bis 2034 gültigen  Trainingsvereinbarung sowie der Möglichkeit, in diesem Zeitraum auch Weltcuprennen auszurichten, besiegelt.

Auf den Gletscher oder ans Ende der Welt

Beinahe 90 Minuten dauert es, bis Michelle Gisin, Jasmine Flury und Malorie Blanc tatsächlich ihre Ski unter den Füssen haben und auf einer von 16 Trainingspisten auf 3800 Metern Höhe die ersten vorsichtigen Schwünge in den perfekt präparierten Schnee zaubern. Es hat über Nacht sogar ein wenig Neuschnee gegeben. Eher eine Seltenheit im Juli. Sorgen macht vielmehr der rasant schmelzende Untergrund. Was die Ausnahmeposition des höchstgelegenen Gletscherskigebiets der nördlichen Hemisphäre erst recht unterstreicht.

Priska Nufer absolviert am ersten Skitag in Zermatt einen Trainingslauf und wird dabei von einem Trainer mit Videokamera «verfolgt».Video: ch media/Rainer Sommerhalder

Der Weg zum Training muss erdauert werden. Das sagt auch Cheftrainer Beat Tschuor. Der 57-jährige Bündner ist seit 1996 als Trainer im Skizirkus im Einsatz. Und doch ist die Fahrt aufs Klein Matterhorn um Welten kürzer als die Reise nach Südamerika, wo während des europäischen Sommers die einzig würdige Alternative zum Gletschertraining für die besten Skifahrer zur Verfügung steht. «Zermatt ist für uns eine Bank», sagt Tschuor.

veiDie Fahrt von Zermatt hoch aufs Klein Matterhorn dauert lange – aber nicht so lange wie eine Reise nach Südamerika.Video: YouTube/Simon Rees

Die Weltcup-Athletinnen werden aufgrund der Rückkehr nach Zermatt nur teilweise nach Argentinien oder Chile reisen. «Vor allem aber verringert sich der Dichtestress enorm. Es nimmt die Hektik aus dem System», führt Tschuor aus. Als Zermatt im vergangenen Sommer ausfiel, drängte die ganze Skiszene nach Saas-Fee ins zweite grosse Gletscherskigebiet der Alpen.

Beat Tschuor, Chefcoach Frauen bei Swiss Ski, telefoniert vor der Kulisse des Matterhorns.
Beat Tschuor, Chefcoach Frauen bei Swiss Ski, telefoniert vor der Kulisse des Matterhorns.Bild: Rainer Sommerhalder

Die Abfahrtspiste auf dem Gletscher mit einer maximalen Fahrlänge von 1,10 Minuten bietet aber nicht nur für die Schweizer Topcracks eine perfekte Vorbereitungskulisse für die Rennen im Winter. In dieser Woche sind auch Teams aus Kanada, Italien sowie eigener Swiss-Ski-Nachwuchs und sogar Equipen aus den Regionalkadern im Training. Beat Tschuor bringt es auf den Punkt: «Die Essenz der Zusammenarbeit mit Zermatt ist, dass Swiss Ski wie keine andere Nation die Möglichkeit hat, den Nachwuchs im Speedbereich zu entwickeln.»

Eine Investition in die Zukunft des Skisports

Darauf weist auch Martin Hug, der CEO der Zermatter Bergbahnen, hin. Er spricht von einer «sehr grossen Bedeutung», welche dieser neue Vertrag mit Swiss Ski hat. «Zermatt investiert seit Jahren sehr viel in die Trainingsinfrastruktur und in die Ausbildung des Schweizer Skinachwuchses. Diese partnerschaftliche Lösung für die Zukunft findet im Sinne der Sportförderung statt. Es ist eine klare Win-win-Situation.»

Jasmine Flury gönnt sich eine Trinkpause.
Bild: Rainer Sommerhalder

Das neue Agreement beinhaltet eine grundsätzliche Änderung im Rollenmodell. Neu vermietet Swiss Ski die Trainingspisten und die Zermatt Bergbahnen sind im Rahmen eines Leistungsauftrages verantwortlich für den Bau der Trainingsinfrastrukturen, die tägliche Pistenpräparation, die übergeordneten Sicherungsarbeiten sowie die erforderlichen Personen- und Materialtransporte.

«Es geht zum einen darum, das unternehmerische Risiko zu teilen. Zum anderen können wir die Verfügbarkeit der Pisten auf diese Weise möglichst effizient und bedarfsgerecht planen», sagt Martin Hug. So steht die Abfahrtspiste in diesem Sommer bereits ab Anfang August zur Verfügung – zwei Wochen früher als bisher. Und der Trainingsbetrieb dauert erstmals bis zum 19. Oktober.

Die Pisten auf dem Zermatter Theodul-Gletscher werden neu von Swiss Ski vermietet.
Die Pisten auf dem Zermatter Theodul-Gletscher werden neu von Swiss Ski vermietet.Bild: Rainer Sommerhalder

Walter Reusser, CEO Sport von Swiss Ski, sieht aufgrund des Klimawandels einen weiteren grossen taktischen Vorteil von Zermatt. «Früher waren die Verhältnisse für ein regelmässiges Gletschertraining im Herbst zu garstig. Nun erleben wir aber immer öfter ausgedehnte Schönwetterphasen auch im Spätjahr.» Insgesamt will man die Verfügbarkeit des Sommerskitrainings in Zermatt auf 90 Tage verlängern.

Schweiz will Österreicher nicht ausbremsen

Reusser sagt, die Vertragslösung mit Zermatt verdopple die zur Verfügung stehende Schneefläche im Sommer. «Das bringt uns bis hinunter zu den regionalen Clubs grosse Vorteile und den weltbesten Fahrerinnen und Fahrern vor allem auch Abwechslung.» Auch er betont die Bedeutung für den Nachwuchs. «Zermatt bedeutet für uns vor allem eine Perspektive für den Skisport. Auch dank unserer zwei Stiftungen kann jeder Schweizer Skiclub für 28 Franken pro Talent einen Skitag in Zermatt durchführen.»

Der letztjährige TV-Experte Stefan Abplanalp ist als neuer Speedcoach der Frauen wieder zurück im Trainerbusiness. Hier gibt er Jasmina Suter Anweisungen für den nächsten Lauf.
Der letztjährige TV-Experte Stefan Abplanalp ist als neuer Speedcoach der Frauen wieder zurück im Trainerbusiness. Hier gibt er Jasmina Suter Anweisungen für den nächsten Lauf.Bild: Rainer Sommerhalder

Eine ketzerische Frage zum Abschluss: Werden Österreichs Rennfahrer jetzt vom Zermatter Gletscher verbannt, wenn doch Swiss Ski die Pisten in Zermatt direkt vergibt? Walter Reusser sagt, es sei zwar verlockend, in der Planung auf dem weissen Stück Papier primär all die eigenen Bedürfnisse abzudecken. «Aber erstens müssen wir schauen, dass letztlich auch die Rechnung stimmt. Und zweitens wäre es nicht im Interesse des Skisports, wenn wir so vorgehen würden.»

Comeback von Zermatt und Abplanalp

Er sagt, die ausländischen Teams hätten in Zukunft mindestens gleich viele Möglichkeiten in Zermatt wie zuvor – eher noch mehr. So lädt Swiss Ski in Zusammenarbeit mit der Fis vom 9. bis 16. September Fahrerinnen und Fahrer aus kleinen Nationen für eine Trainingswoche nach Zermatt ein. Der Anteil von Swiss Ski an der Pistenbenützung liegt bei 40 Prozent.

Michelle Gisin startet mit neuem Mindset ins erste Schneetraining nach über vier Monaten Skipause.
Michelle Gisin startet mit neuem Mindset ins erste Schneetraining nach über vier Monaten Skipause.Bild: Rainer Sommerhalder

Um den Betrieb auf dem Theodulgletscher so optimal wie möglich zu organisieren, hat Swiss Ski mit dem ehemaligen Weltcupfahrer Marcel Sulliger einen Koordinator eingestellt. Die Verantwortung für die Pistenvermietung liegt beim Team von Alpinchef Hans Flatscher. Walter Reusser sagt spasseshalber, Flatscher sei neu auch noch «der grösste Seilbähnler der Schweiz».

Zurück zu den diesjährigen Gletscherpionierinnen aus dem Weltcupteam. Michelle Gisin und Co. kommen eine knappe Stunde zu spät zum Mittagessen. Sie hätten bei der Rückkehr auf den Gletscher schlicht das Timing nicht mehr ganz im Griff gehabt, sagt die routinierte Fahrerin. Und auch der neue Trainer muss seine Uhr erst noch nach den Zermatter Verhältnissen richten. Schliesslich sass Stefan Abplanalp im vergangenen Winter noch für das Schweizer Fernsehen als Experte in der warmen Kommentatorenkabine. Jetzt kehrt er zurück in sein früheres Metier als Speed-Trainer der Schweizer Frauen. Ein weiteres Comeback an diesem Dienstag in Zermatt.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Historische Bilder der bekanntesten Schweizer Skigebiete
1 / 38
Historische Bilder der bekanntesten Schweizer Skigebiete
Das verschneite Dorf Engelberg im Winter.
quelle: ullstein bild / ullstein bild dtl.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So verbringen die Ski-Profis den Sommer
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
1 Kommentar
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
1
Giorgio Contini: «Es darf kein Druck sein, sondern muss Energie geben und Freude machen»
Als Giorgio Contini im vergangenen Dezember das Amt als Trainer der Young Boys übernahm, lagen die Berner im 9. Tabellenrang. Unter dem 51-Jährigen gelang der Sprung auf den 3. Platz. Nun möchte er YB zurück auf den Meisterthron führen. Vor dem Saisonstart nahm sich Contini Zeit für ein Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Giorgio Contini, die vergangene Saison ist nicht so verlaufen, wie die Young Boys sich das vorgestellt haben. Es wird immer betont, dass Rückschläge Chancen bieten. Welche sehen Sie?
Wir haben es im Winter hinbekommen, die schlechte Vorrunde irgendwie noch zu retten, dass wir nun international spielen dürfen. Das heisst, die Mannschaft hat die ersten Korrekturen und Anpassungen angenommen und umgesetzt. Nun geht es darum, auf diesem Weg weiterzumachen. Ich bin jetzt schon sechs Monate hier, das hilft. Die Spieler kennen mich. Im Fussball gibt es keine Wahrheit. Letztendlich gilt es, am Tag X bereit zu sein und zunächst das erste Spiel gegen Servette (am Samstag zu Hause, die Red.) zu gewinnen. Zurückzuschauen bringt definitiv nichts im Fussball, wie auch im Leben nicht. Die Vergangenheit kann nicht mehr korrigiert werden, aber es kann mit positiven Gefühlen nach vorne geschaut werden.
Zur Story