Vier Jahre ist es jetzt her. YB bestritt an einem lauen Sommerabend sein erstes Saisonspiel, Sion hiess der Gegner, 2:0 das Resultat. Die Euphorie danach: grenzenlos. Es war das erste Spiel mit Uli Forte als Trainer. Die «Berner Zeitung» kreierte den Begriff «Sehnsuchtstiller».
Als YB einen Monat später bei fünf Siegen aus fünf Spielen angelangt war, spätestens da dachte jeder Berner: Jetzt ist unser Moment gekommen. Aber es kam anders, der Moment kam nicht. Die Sehnsucht ist weiterhin nicht gestillt. Der letzte Meistertitel datiert noch immer von 1986. Wieder sind Jahre voller Hoffnungen und Enttäuschungen vergangen.
Nun, am Samstagabend, nach dem überzeugenden 2:0 gegen den FC Basel ist die Euphorie rund um YB wieder einmal am Höhepunkt angekommen. Von einem «Begeisterungs-Tsunami» schreibt die «Berner Zeitung» jetzt – und zwar schon vor dem Sieg zum Auftakt. Wohlwissend, dass die Euphorie wohl an keinem Ort der Welt schneller in Tristesse umschlägt als im Wankdorf.
Die neuste YB-Ausgabe, wie ist sie einzuschätzen? Ein YB ohne Goalie Mvogo und Mittelfeldmotor Zakaria. Die ersten Eindrücke: Es gibt kaum einen Unterschied. Das ist bemerkenswert. Torhüter David von Ballmoos zeigte ein prächtiges Debüt, nie unsicher, immer Ruhe ausstrahlend. Und im Mittelfeld könnte Djibril Sow den Abgang Zakarias ziemlich schnell vergessen machen. Erstaunlich war vor allem, wie überlegen YB dem FC Basel in physischer Hinsicht war.
Die Tore der Flügel Ravet und Sulejmani taugten bestens als Sehnsuchtstiller für Titel-Träume, sie waren schlicht eine Augenweide. Die Achillesferse dieses Team ist ziemlich sicher mit einem Namen verbunden: Guillaume Hoarau. Der Franzose war noch in jeder Saison über einen längeren Zeitraum verletzt. YB hat es bis anhin nicht verstanden, seinen Ausfall zu kompensieren. Würde es diesmal gelingen? Diese Frage muss offenbleiben.
Es ist aber beeindruckend, wie Hoarau dieses Team führt. Am Ende, als es darum ging, das 2:0 zu verteidigen, fungierte er einige Minuten gar als Libero. Bleibt Hoarau gesund, heisst die drängendste Frage: Wie stabil ist die Innenverteidigung? Gelingt Steve von Bergen ein letztes Hurra? Und kann der talentierte Kasim Nuhu seine Aussetzer auf ein erträgliches Limit beschränken? Gegen Basel gelang dies vorzüglich.
Man hat viel erwartet von Raphael Wicky, dem neuen FCB-Trainer, aber damit hat kaum einer gerechnet: Wicky macht den Fischer. Alles neu, dachte man. Und dann spielt der FCB in einem 4-2-3-1 wie schon letzte Saison unter Urs Fischer. Doch nicht nur das: Mit Blas Riveros und Ricky van Wolfswinkel sind nur zwei neue Namen im Team. Wicky hat sich für dieses System entschieden, weil er den Eindruck hatte, die Mannschaft fühle sich damit am wohlsten.
Das bewahrheitet sich zu Beginn: Basel ist defensiv sehr solid, lässt kaum Chancen zu. Im Gegenzug gelingt es dem FCB aber nur höchst selten, gefährlich vors Tor zu kommen. Doch eigentlich läuft alles nach Plan, bis Ravet nach herrlicher Einzelleistung das 1:0 für YB erzielt. Wicky reagiert, wechselt doppelt, stellt auf 3-1-4-2 um.
Basel wird stärker, und dann erstickt Sulejmani mit einem magistralen Freistosstor die aufkeimende Basler Hoffnung. Was bleibt? Der FCB verliert erstmals seit dem 0:2 gegen St. Gallen am 12. Juli 2009 ein Auftaktspiel. Es war keine schlechte Leistung, vor allem kämpferisch kann man den Baslern nichts vorwerfen. Und defensiv war der FCB über weite Strecken sehr solid. Aber: Die Auftritte in der Vorbereitung waren erfrischend offensiv, oft erarbeiteten sich die Basler Spieler zahlreiche Torchancen.
Gegen YB kommt der Meister dann kaum zu Gelegenheiten, lässt sich vom aggressiven Pressing des Gegners aus der Ruhe bringen. Der neue Star, Ricky van Wolfswinkel, bleibt blass, wirkt oft ein bisschen verloren. Allgemein machte der FCB mit zwei Stürmern einen besseren Eindruck. Immerhin zeigt der Meister zu Saisonbeginn eine grössere taktische Variabilität, auch das ist ein Ziel der neuen Köpfe in Basel.
Die Niederlage kann dadurch trotzdem nicht abgewendet werden. Jetzt zählt nur eins: ein Sieg gegen Luzern im Heimspiel nächsten Sonntag. Denn Basel muss den Fehlstart korrigieren. Sofort. Auch wenn YB traditionell Punkte in der Provinz liegen lassen kann: Der FCB muss reagieren. Sonst wird aus der Aufbruchs- rasch Krisenstimmung. Der Klub hat im Zusammenhang mit dem Umbruch viele mutige Entscheide getroffen – und als es wirklich zählt, ist der Mut plötzlich weg. Deshalb die Forderung: Ein bisschen mehr Mut, bitte! Dann wird der FCB den Fehlstart rasch korrigieren und ruckzuck wieder auf Meisterkurs sein.
Kennt Trainer Fabio Celestini bereits alle seiner neuen Spieler mit Vor- und Nachnamen? Jede Menge Zuzüge haben bei Lausanne jede Menge Abgänge kompensiert. Beim 3:3 gegen St. Gallen standen allerdings nur Valeri Bojianov, Alain Rochat, Leandro Marin und Gonzalo Zarate zu Beginn auf dem Platz.
Ersterer ist ohne Zweifel die schillerndste Figur, weil er schon für Vereine wie Juventus und Manchester City aufgelaufen ist. Im Super-League-Debüt aber war er ein glatter Ausfall. Es wirkte so, als habe er die Liga unterschätzt und wolle hier den Star raushängen. Celestini war trotz der schlechten Erfahrungen in der letzten Saison wieder zur Dreierabwehr zurückgekehrt.
Vielleicht hofft er, mit dem von YB geholten Routinier Alain Rochat werde es besser kommen. Gegen die Ostschweizer liess sich die Lausanner Defensive aber viel zu oft aushebeln. Diese dürfte erneut die Achillesferse der Waadtländer sein. Aber gut kombinieren können sie noch immer. Dazu hat der in der letzten Vorrunde so gute Stürmer Francesco Margiotta nach einer Knieoperation sein Comeback gegeben und stehen die beim Gold-Cup weilenden Yeltsin Tejeda und Gabriel Torres auch bald wieder zur Verfügung. Lausanne wird weiter Spektakel bieten, mit seiner Blauäugigkeit aber ein Abstiegskandidat sein.
Als sich der St. Galler Verteidiger Alain Wiss gestern Nachmittag in seiner Heimat Luzern auf der Tribüne niederliess, um den nächsten Gegner Lugano unter die Lupe zu nehmen, war die Enttäuschung vom Vorabend noch nicht aus den Kleidern geschüttelt. Verständlich: Nach einer 3:1-Führung gegen den Abstiegskandidaten Lausanne nur mit einem Punkt in die Ostschweiz zurückzukehren, war frustrierend.
Zweimal in Folge war St. Gallen die offensiv ungefährlichste Super-League-Mannschaft gewesen, und jetzt hatten drei geschossene Tore nur zu einem Unentschieden gereicht. Mit Philippe Koch, Stjepan Kukuruzovic und Peter Tschernegg hatte Trainer Giorgio Contini drei Neuzugänge in die Startformation berufen, nicht aber Nassim Ben Khalifa, der sich ausgerechnet in seiner Heimat auf der Ersatzbank gefunden hat. Die Leistung der St. Galler (4-2-3-1-System) lässt Fragen offen − wie ja auch die Klubführung, die seit der Kündigung von Sportchef Christian Stübi in unruhigen Gewässern unterwegs ist.
Die Abwehr hinterliess in der ersten halben Stunde einen wenig sattelfesten Eindruck, dafür war die Offensive ungewohnt effizient. Wenn Albian Ajeti, Tranquillo Barnetta, Toko und Silvan Hefti wieder zur Verfügung stehen, hat St. Gallen eine Mannschaft, die um Rang 5 spielen kann.
Es hat etwas von einem Casino-Erlebnis, was derzeit rund um GC passiert. Am Anfang des Abends geht man voller Hoffnung hin. Vielleicht liegt der grosse Gewinn bereit. Aber wie immer beim Glückspiel muss man damit rechnen, dass es anders kommt. Der neue Sportchef Mathias Walther hat zur radikalen Erneuerung angesetzt. Gleich fünf Spieler geben gestern im Derby ihr GC-Debüt.
Mit Nabil Bahoui wird dazu ein weiterer Transfer bekannt. Die Merkmale der Neuen ähneln sich. Irgendwie war einmal Talent vorhanden. Aber irgendwie ist auch ein Defekt dabei. Die Herausforderung für Trainer Carlos Bernegger besteht nun darin, diese Defekte zu beheben. Vergessen geglaubte Stärken wieder hervorzuholen. Und damit beizutragen, dass GC der grosse Gewinn gelingt. Die ersten Eindrücke der neuen Saison sind zwiespältig. Einige schöne Kombinationen. Aber sonst?
Das Team ist zu leichtgewichtig. Es gibt ausser Captain Milan Vilotic kaum einen, der den Rasen mit seiner Präsenz füllt. Ein Lichtblick könnte Heinz Lindner werden. Der österreichische Nationaltorhüter überzeugt mit seiner Ausstrahlung. Er hält einen Penalty von Michael Frey und schenkt seinem Team damit einige weitere Minuten der Hoffnung. Aber es braucht mehr, wenn GC gänzlich frei von Abstiegssorgen bleiben will.
Den Schwung aus der Challenge League hat der FCZ fürs Erste mitgenommen. Zürich tritt im Derby überzeugend auf. Die Kombinationen gelingen. Man spürt, dieses Team ist eingespielt. Und doch gibt es einen Teil im Team, der auffällt – der Sturm. Trainer Uli Forte hat den FCZ um den Angriff gebaut. Es ist ein Dreimann-Sturm, das Team spielt im 3-4-3-System. Frey, Dwamena und Koné heissen die Angreifer.
Es ist eine interessante Mischung. Eine, die noch manchem Gegner wehtun könnte. Der bullige Frey räumt Wege frei, legt Bälle ab. Die wendigen und trickreichen Partner bringen noch eine Spur mehr Eleganz mit. Gestern sticht einer heraus: Raphael Dwamena. Der Ghanaer schiesst zwei Tore. Eines per Kopf. Eines per prächtigen Weitschuss. Auf der Tribüne tanzt sein Berater David Degen völlig euphorisiert. Die «NZZ» erinnert sich an einen Zürcher Liebling, der mittlerweile in Gladbach spielt, und schreibt: «Zürich hat wieder einen Raphael».
Derweil hat Frey etwas Pech bei seinem verschossenen Penalty, aber ansonsten gelingt auch ihm ein guter Auftritt. Koné wiederum verletzt sich bei einem Tackling selbst. Wie schlimm, ist noch offen. Eines aber scheint klar: Wie gut dem FCZ seine Saison als Aufsteiger gelingt, hängt zu einem grossen Teil von seiner Dreifaltigkeit im Sturm ab.
Cedric Itten flankt, Tomi Juric köpfelt ein – innert drei Tagen hat diese neue Waffe des FC Luzern zwei Mal Früchte getragen. Gegen Osijek zwar den Sieg, nicht aber das Weiterkommen beschert; gegen Lugano dagegen war es die entscheidende Aktion. In den meisten Saisonvorschauen ist den Zentralschweizern nach den Abgängen der besten Skorer Marco Schneuwly und Markus Neumayr eine harte Spielzeit bis hin zum Abstiegskampf vorausgesagt worden.
Der 1:0-Startsieg gibt denn auch noch keinen Anlass, die Prognose zu revidieren. Was man Luzern aber bescheinigen muss, ist der neu entdeckte enorme Kampfgeist.In der vergangenen Saison jedenfalls war längst nicht immer diese Leidenschaft zu sehen gewesen. Mit Christian Schwegler, Marvin Schulz, dem aus der zweiten Mannschaft des HSV gekommenen Dren Feka sowie Olivier Custodio debütierten gestern in der Super League vier Neulinge.
Die ersten drei sorgten in der fast runderneuerten Viererkette für eine erstaunliche Solidität, wobei diese erst noch von einem stärkeren Gegner überprüft werden muss. Letzterer war zusammen mit Hekuran Kryeziu im zentralen Mittelfeld das Herz des Luzerner Spiels. Die grosse Frage ist: Wie abhängig ist Luzern von Juric? Und: Bleibt ihm der Australier überhaupt erhalten?
Schon im ersten Spiel der neuen Saison sind die abgewanderten Torgaranten Armando Sadiku und Ezgjan Alioski schmerzlich vermisst worden. Gut möglich, dass man den beiden beim FC Lugano noch eine ganze Saison lang nachtrauern wird. Wer soll bei den Tessinern die Tore schiessen? Der neue Trainer Pierluigi Tami kennt die Problematik natürlich auch und sucht das Glück nun zuerst einmal über eine starke Verteidigung.
5-3-1-1 hiess das System – mit Junior als einziger Spitze. Wobei der Brasilianer kaum einmal am Ball war. In Luzern ging Tamis Fünferkette so resolut zu Werk, dass bis neun Minuten vor Schluss ein Remis in Griffnähe lag. Der neue Goalie David Da Costa jedenfalls hatte nicht besonders viel zu tun. Neben ihm stand mit Radomir Milosavljevic nur noch eine Neuerwerbung auf dem Platz. Doch diese hing wie Sturmpartner Junior ziemlich in der Luft; erst als der von Chiasso geholte Younes Marzouk eingewechselt wurde, wurden die Tessiner wenigstens einmal gefährlich.
Hätte der Marokkaner das Tor gemacht, wären Tamis Dispositionen aufgegangen, hätten aber viele Defizite vertuscht. Man braucht kein Wahrsager zu sein, um Lugano eine schwierige Saison zu prophezeien. Zumal die Gruppenphase in der Europa League dem Team an die Substanz gehen wird.
Thun verliert und trotzdem zeigen die Berner Oberländer einen guten Auftritt. Früh stören sie den Gegner, sie pressen, spurten über die Flügel, haben viel Tiefe im Spiel. Immerwieder erspielen sie sich Chancen, aber entweder scheitern sie an sich selbst, der Torumrandung oder am stark haltenden Mitryuschkin im Tor von Sion. 22:8 Schüsse, 11:2 Eckbälle, 61 Prozent Ballbesitz – alle Statistiken sprechen für Thun, bloss die Anzeigetafel zeigt ein 0:1.
Wie jedes Jahr hat Thun gewichtige Abgänge (insbesondere Fassnacht und Geissmann) zu kompensieren. Wie immer zuletzt setzt Sportchef Andres Gerber auf Spieler aus der Schweiz, viele aus unteren Ligen. Das Team wurde stark verjüngt, gerade die Abwehr. Zudem hat Francesco Ruberto (24) Guillaume Faivre (30) im Tor verdrängt. Man spürt: Diese Mannschaft ist hungrig, sie ist diszipliniert, verfolgt eine klare Idee. Eine Heimniederlage ist mit Sicherheit kein gewünschter Start. Aber die gezeigte Leistung sollte die Berner Oberländer optimistisch stimmen.
Mit dem Einwand, dass die Spieler die Chancenverwertung deutlich verbessern müssen – und zwar sofort. Denn das Startprogramm (es folgen Spiele gegen FCZ, FCB und YB) der Thuner ist happig. Trotzdem müssen Punkte her, sonst gerät man schnell in eine negative Spirale. So oder so gilt: Nicht die Nerven verlieren! Aber diese Gefahr besteht im Oberland kaum.
Erleichtert wirkt Paolo Tramezzani, als er nach dem hart erkämpften 1:0 gegen Thun ans Mikrofon tritt. Er betont, wie wichtig dieser Sieg war, dass er Ruhe und Moral gibt für die kommenden Herausforderungen. Man kennt Präsident Christian Constantin.
Der Totomat, Sie wissen schon. Stimmen die Resultate nicht, zögert er nicht lange. Fürs Erste haben Tramezzani und sein Team den Kopf aus der Schlinge gezogen. Aber der Auftritt in Thun war in mancherlei Hinsicht mangelhaft: kaum Chancen, nur selten spielbestimmend, selbst in Überzahl unter Druck. Man hat mehr erwartet vom FC Sion. Vor allem auch wegen Tramezzani, der mit Lugano letzte Saison die Liga aufmischte und auf Platz 3 stürmte. Aber im Wallis hat sich im Sommer einiges verändert: Die Routiniers Salatic und Ziegler sind weg, Super-Talent Akolo ebenfalls.
Ausser Marco Schneuwly hat Sion kaum erfahrene Spieler geholt. Irgendwie fehlt noch ein Leitwolf, einer, der das Team mal wachrüttelt. Entweder wächst da schnell einer rein oder die Walliser müssen noch jemanden holen, wenn sie eine Rolle im Titelkampf spielen wollen. Sion tat sich in der Vergangenheit immer schwer auf dem Kunstrasen in Thun. Gestern überzeugen sie zumindest defensiv, verteidigen selbst in Überzahl mit elf Spielern. Doch fürs Betonmischen hat Constantin Tramezzani mit Sicherheit nicht ins Wallis gelotst.