Die als Mitfavoritin in den Wettkampf gegangene Zoé Claessens musste sich im alles entscheidenden Finallauf lediglich der australischen Dominatorin Saya Sakakibara und der Niederländerin Manon Veenstra geschlagen geben.Der Silbermedaille war die zweifache Europameisterin und WM-Zweite nach bescheidenen – oder bewusst zaghaft absolvierten – Viertel- und Halbfinals näher als dem 4. Platz. Knapp sieben Zehntel betrug ihr Vorsprung auf die viertplatzierte Niederländerin Laura Smulders, nur ein Zehntel trennten sie von Veenstra, der Zweiten hinter Sakakibara auch im Gesamtweltcup.
Zoé Claessens könnte ihr Glück kaum fassen. «Ganz ehrlich, ich realisiere das noch nicht wirklich. Ich kann kaum glauben, dass ich tatsächlich Bronzemedaille gewonnen», versucht sie ihre Gefühle gegenüber den Medien in Worte zu fassen, ehe sie für die Siegerehrung weggeholt wird. Mit der Medaille um den Hals dürfte dann auch ihr langsam dämmern, dass sie Historisches geschafft hat – nämlich die erste Schweizer Olympiamedaille im BMX-Racing.
Es ist eigentlich eine Medaille mit Ansage, Claessens gehört seit einigen Jahren zur Elite, 2022 und 2024 stand sie bei Weltmeisterschaften auf dem Podest. Doch die letzten Tage waren nicht ganz nach Wunsch verlaufen. Die 23-jährige Waadtländerin wirkte angespannt, kam nicht richtig auf Touren und «schmuggelte» sich mehr schlecht als recht durch die einzelnen Runden.
Mit Bronze lieferte die Tochter des BMX-Pioniers Vincent Claessens, der 1983 in Echichens gemeinsam mit Freunden die erste BMX-Piste und den ersten Klub in der Schweiz gebaut hatte, das ab, was auch sie selbst von sich erwartet hatte. Mit zwei Saisonsiegen, dem zweiten EM-Titel und der zweiten WM-Silbermedaille im Portfolio waren die Vorzeichen für olympisches Edelmetall gut gestanden. «Klar ist es mein Ziel, eine Medaille zu gewinnen», hatte die ansonsten zurückhaltende Romande im Vorfeld gesagt.
Zugleich polierte Claessens die bislang schmerzhafte Bilanz der Schweizer BMX-Racer an Olympischen Spielen auf: Vor ihr standen für Swiss Cycling in dieser Sparte die Ränge 4, 5, 6, 7 und 8 als Top-10-Klassierungen zu Buche.
Diese Medaille um einen Platz verpasste Cédric Butti. «Ich bin stolz auf meine Leistung», meinte der Thurgauer. «Das Ziel war der Final, das habe ich erreicht. Die Medaille dann aber so knapp zu verpassen, sch.... jetzt schon an.» Im Moment tue es noch etwas weh, «aber die Bronzene für Zoé ist ein Pflästerchen aufs Herz.»
Geschlagen geben musste sich Butti nur den drei Franzosen. Bereits am Start verlor er entscheidend Boden auf die frenetisch angefeuerten und von Präsident Emmanuel Macron bewunderten Einheimischen. Erstaunlicherweise befand Butti, er sei wohl «etwas zu gelassen gewesen, weil ich ja gar nichts mehr zu verlieren hatte.» Ab der ersten Kurve habe er dann eigentlich alles richtig gemacht.
Simon Marquart erreichte ebenfalls den Final und wurde Siebter, nachdem er wegen eines gestürzten Fahrers ausweichen musste. «Ich weiss nicht, ob es sonst zu mehr gereicht hätte», suchte der Zürcher keine Ausflüchte. «Es ist einfach schade, dass ich mein Rennen nicht durchziehen konnte.
Nie zuvor hatte ein Schweizer Fahrer, Mann oder Frau, in einem BMX-Racing-Rennen bei Olympia den Final erreicht, nun gleich deren drei. Dass die Franzosen derart dominierten, spricht für ihre Stärke, aber auch für den Heimvorteil. Im Gegensatz zu bisherigen Spielen wurde für Olympia keine neue Bahn gebaut, sondern im französischen Leistungszentrum im Pariser Vorort Saint-Quentin-en-Yvelines die seit einigen Jahren bestehende genutzt – mit nur leichten Modifikationen.
Zwar duften auch andere Nationen darauf trainieren, doch kostete dies viel Geld und je nachdem lange Anreisen. Die Schweizer waren da noch besser dran als andere Nationen aus Südamerika oder Ozeanien. Bei den Männern zahlte sich dieser Heimvorteil voll aus, bei den Frauen schlug unter anderen Zoé Claessens den «Bleus» ein Schnippchen. (kat/sda)