Nach dem in weniger als zweieinhalb Stunden 7:5, 6:1, 6:2 gewonnenen Halbfinal gegen den amerikanischen Aussenseiter Tommy Paul (ATP 35) meinte Novak Djokovic, wohl nicht wirklich ehrlich: «Mein Energielevel ist bei 110 Prozent.» Sollte dies tatsächlich der Fall sein, wartet am Sonntag auf den Griechen Stefanos Tsitsipas eine wahre Herkulesaufgabe.
He just always finds a way! @DjokerNole 🇷🇸 looked to be in control, then he was on the back foot, but he closes out the first with a massive break of serve.
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Der 24-Jährige aus Athen möchte noch einen Schritt weiter gehen als sein Jugendidol Marcos Baghdatis. Der Zypriot war in Melbourne von der grossen griechisch-stämmigen Gemeinde ebenso feurig unterstützt worden wie nun Tsitsipas, hatte aber den Final 2006 gegen Roger Federer verloren. «Ich habe seine Spiele mit Begeisterung am Fernsehen verfolgt», erzählte Tsitsipas nun.
Die Weltnummer 4 verdiente sich seinen ersten Finaleinzug am Australian Open nach drei Halbfinal-Niederlagen mit einem überzeugenden 7:6 (7:2), 6:4, 6:7 (6:8), 6:3 gegen den Russen Karen Chatschanow (ATP 20). Einzig im zweiten Satz, als er zwei Matchbälle nicht nutzen konnte, geriet der Grieche kurz aus der Bahn.
Er behielt aber ebenso die Nerven wie Djokovic in dessen einziger Schwächephase gegen Tommy Paul. Der Serbe liess den Amerikaner nach einer 5:1-Führung im ersten Satz nochmal herankommen und schien sich zwischenzeitlich über die Fans zu nerven und sich auch etwas mit seinem dick einbandagierten Oberschenkel herumzuplagen.
Djokovic fand den Fokus jedoch schnell wieder, vielleicht wirkte auch ein Schmerzmittel. Er ist in Melbourne enorm fokussiert, gerade nach der immer wieder aufgeflammten Kritik und den Ereignissen des letzten Jahres, als er des Landes verwiesen wurde, ist er ein Mann auf einer Mission. Da will er sich durch nichts aus dem Konzept bringen lassen, auch nicht durch seinen Vater Srdjan, der wieder einmal für Negativ-Schlagzeilen sorgte, in dem er mit russischen Fans mit Putin-T-Shirts und Kriegs-Insignia feierte. Den Halbfinal seines Sohnes verfolgte er jedenfalls nicht im Stadion.
Für Djokovic geht es im Final um viel, für Tsitsipas ebenso. Der Serbe will mit seinem 22. Grand-Slam-Titel, dem zehnten in Australien, zum Rekordhalter Rafael Nadal aufschliessen, der Grieche nach dem verlorenen Final am French Open 2021 – nach 2:0-Satzführung gegen Djokovic – seine Karriere krönen.
Vor allem geht es noch um die Nummer 1 im ATP-Ranking. Der Sieger des Finals löst den derzeit verletzten Spanier Carlos Alcaraz (wieder) ab. Djokovic hält mit 373 Wochen an der Spitze der Weltrangliste sowieso schon den Rekord, Tsitsipas wäre die erste griechische Nummer 1. «Ja, ich mag diese Zahl», meinte er nach dem Halbfinal schmunzelnd. Und auch Djokovic betonte: «Ein Grand-Slam-Titel und die Nummer 1, das sind die zwei höchsten Gipfel für einen Tennisspieler. Das gibt nochmals eine extra Motivation.»
"The most extraordinary point" 🫠@steftsitsipas digs deep and finds a way to win the rally 👏 @wwos • @espn • @eurosport • @wowowtennis • #AO2023 • #AusOpen pic.twitter.com/43Q9aEmlQ7
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Es wird auch ein Duell der Generationen sein. Tsitsipas ist der jüngste Finalist am Australian Open, seit Novak Djokovic und Andy Murray vor zwölf Jahren beide jünger waren. Gerade Murray müsste für Tsitsipas eine Warnung sein. Der Schotte stand in der Rod Laver Arena nicht weniger als fünfmal im Final – und verlor sie alle. Djokovic ist nun der fünftälteste Grand-Slam-Finalist der Profi-Ära.
Falls sein Oberschenkel hält, wird der Serbe der klare Favorit sein. Er hat zehn von zwölf Partien gegen Tsitsipas gewonnen – und in Melbourne noch nie einen Halbfinal oder Final verloren.
(nih/sda)