In der Schweiz fristet Baseball selbst unter den Randsportarten ein Dasein als Mauerblümchen. Ganz anders in den USA, wo der Sport aus dem Alltag nicht wegzudenken ist. In den Vereinigten Staaten schlägt das Herz dieser Sportart; in der Major League zu spielen, ist der Traum jedes Baseballers.
Dominic Scheffler ist der Erfüllung dieses Traums ein gutes Stückchen näher als die meisten anderen. Der 17-Jährige aus Zürich-Oerlikon hat von den Cincinnati Reds einen Profi-Vertrag erhalten. «Das ist ein unglaubliches Gefühl», freut sich Scheffler im Gespräch mit watson. «Ich habe niemals daran gedacht, das zu erreichen, geschweige denn schon so jung. Ich bin auch jetzt noch auf Wolke sieben.»
Zum Baseball kam Scheffler, der auf der Position des Pitchers (Werfers) spielt, durch Zufall. Der Vater arbeitete für ein Jahr in Australien, die Familie begleitete ihn und Klein-Dominic entdeckte den Sport, als andere ihn ausübten. «Ich machte mit, hatte Spass dabei und es wurde ein wenig ernster.»
Bei der Rückkehr in die Schweiz half der Grossvater dabei, ein Team zu suchen. Scheffler fand bei den Zürich Barracudas eine sportliche Heimat, wo er zunächst im Juniorenteam, den Rümlang Kobras, spielte. Mit 14 spielte er bereits bei den Barracudas in der Nationalliga B, seit der U15 ist er Mitglied der Schweizer Nationalteams.
Ungewöhnlich war der nächste Schritt in der noch jungen Karriere. Scheffler absolvierte ein Auslandjahr in Japan, wo Baseball ausserordentlich populär ist. «Natürlich war mir die Schule sehr wichtig», betont Scheffler – wenn auch vielleicht nicht ganz so wichtig wie seiner Mutter.
«Im Vordergrund stand für mich dort Baseball, auch wenn ich das nicht immer so kommuniziert habe», sagt der Teenager mit einem Lachen. Zwei Mal täglich stand er in Chiba, einer Grossstadt vor den Toren Tokios, auf dem Trainingsplatz.
Aus dem Land der aufgehenden Sonne ging es in jenes von Bier, Weisswurst und Brezn: nach Bayern. In Regensburg besucht Dominic Scheffler ein Sportinternat, das sich auf dem Baseball-Campus des örtlichen Bundesliga-Klubs befindet und nach seinen Angaben zu rund 80 Prozent von Baseballspielern besucht wird. Er macht dort das Abitur und spielt im zweiten Team der Regensburg Legionäre in der 2. Bundesliga.
Vielleicht gehört zu den rund 50 Zuschauern, die in dieser Liga die Partien verfolgen, auch einmal ein Scout dazu. Dass Scheffler es aber auf die Zettel grosser Teams geschafft hat, verdankt er in erster Linie dem Internet. In der Akademie werden Scouting-Datenbanken gefüttert, Werte eingegeben, Videoclips hochgeladen. Danach wird gehofft – oder Interessenten beissen im seltenen Fall gleich an, so wie bei Scheffler. «Mein erstes Video machte gleich die Runde», erzählt er.
Umgehend erhielt er von zahlreichen Colleges die Möglichkeit für ein Stipendium. Und noch besser: auch das Interesse von Profiteams wurde geweckt. Die schickten Scouts vorbei, um Scheffler in Fleisch und Blut zu beobachten, und offenbar gefiel ihnen, was sie dabei sahen. Die Cincinnati Reds schlugen zu und nahmen den Zürcher unter Vertrag.
Switzerland 🇨🇭 LHP Dominic Scheffler has signed with the Cincinnati Reds.
— Ben Badler (@BenBadler) January 20, 2023
6-foot-4 with a fastball up to 94 mphhttps://t.co/aEjDyrXRv9 pic.twitter.com/YCoSdBdV8b
Scheffler ist 1,93 m gross und überzeugt Experten besonders mit seinem Fastball. Selber hebt er seine Arbeitsmoral als grosse Stärke hervor, «auch deshalb, weil ich aus einem Land komme, in dem Baseball keine Rolle spielt und ich mir alles erkämpfen musste. Natürlich hatte ich auch Glück mit meinem Körperbau und meiner Athletik, auch die zeichnet mich aus.»
Zu Gute kommt dem Schweizer zudem, dass er ein Linkshänder ist. Die sind deshalb besonders begehrt, weil sie die gegnerischen Schlagmänner alleine schon durch ihr Anderssein vor Probleme stellen können.
«Wenn der Ball auf einmal aus einem ganz anderen Winkel kommt, macht das für einen Batter einen riesigen Unterschied», erklärt Scheffler. «Er hat nur Millisekunden zur Verfügung, um den Wurf einzuschätzen. Da hat ein Linkshänder einen riesigen Vorteil.»
Ende Juni reist Dominic Scheffler nun in die Vereinigten Staaten, wo er im Bundesstaat Arizona in einer Junioren-Liga spielen wird. Nur wer gut ist, schafft es ins Farmteam und erst wer dort überzeugt, wird ins Major-League-Team der Reds, die im Herbst 1990 zum fünften und bisher letzten Mal die World Series gewonnen haben, aufgenommen.
Scheffler ist sich bewusst, dass mit der Unterschrift unter den Profivertrag noch viele Hürden auf ihn warten, ehe er tatsächlich in der MLB auflaufen kann. «Ich habe es nun schon sehr weit geschafft. Aber es ist wie überall im Leben: Die letzten Schritte bis nach wirklich ganz oben sind die schwierigsten.»
Ein im 19. Jahrhundert ausgewanderter Berner namens Otto Hess war bis heute der einzige in der Schweiz geborene Spieler in der Major League Baseball. Dereinst könnte Dominic Scheffler in seine Fussstapfen treten. «Natürlich ist es schwierig, das einzuschätzen. Aber ich bin ehrgeizig und denke, dass mein Ziel in etwa vier Jahren zu erreichen ist.»