Roger Federer hat geweint, wenn er gewonnen hat. Er hat geweint, wenn er verloren hat. Und er wird weinen, wenn er sich am Freitag vom Tennis verabschiedet. Dann endet die Karriere von Roger Federer – in einem Doppel an der Seite seines Rivalen und Freunds Rafael Nadal gegen die Amerikaner Jack Sock und Frances Tiafoe. Nadal war erst am Donnerstag nach London gereist. Seine Frau Maria Francisca und er werden erstmals Eltern, die Schwangerschaft verläuft nicht ohne Komplikationen.
Doch den Abschied von Federer will er nicht verpassen. Am Donnerstag sitzt Nadal also neben Freund und Rivale Federer, daneben Björn Borg.
Während zwei Jahrzehnten hatten sie sich auf den grössten Tennisbühnen duelliert – 40 Mal, 24 Mal davon in einem Final, 9 Mal bei einem Grand-Slam-Turnier. In Melbourne, in Paris, in Wimbledon. Tennisgeschichte.
Nadal sagt: «Nach allem, was wir gemeinsam auf Tennisplätzen erlebt haben, ist es wunderschön, Roger ein letztes Mal an meiner Seite zu haben.» Mit Federer verabschiede sich nicht nur der wichtigste Spieler in der Geschichte des Tennis, «sondern auch in meiner Karriere». Es sei ein trauriger und harter Tag gewesen, als er vom Rücktritt erfahren habe.
Dass sie es trotz Rivalität geschafft hätten, Freunde zu werden, «darauf sind wir beide besonders stolz», sagt Nadal. «Ich bin dankbar, mit Roger spielen zu dürfen. Gleichzeitig wird es ein schwieriger Moment, auch für mich.» Als Nadal diese Worte spricht, hat Federer Tränen in den Augen.
Wie schwer Federer dieser Abschied fällt, wie emotional er ist, wie sehr er ihn aufwühlt, zeigt auch dieser Umstand: Als Federer sich den Fragen der Medien stellt, sitzen seine Eltern Lynette und Robert als moralische Stütze in der hintersten Reihe. Auch sein Trainer Ivan Ljubicic ist dabei.
Sie hören, wie auch Novak Djokovic eine Eloge auf Federer anstimmt. Er sagt: «Die meisten von uns haben Rogers Erfolge gesehen und bewundert, bevor wir auf die Tour gekommen sind. Nun geht es darum, ihn zu feiern. Er verdient ein grossartiges Wochenende.» Mit Federer, Nadal und Andy Murray in einem Team zu sein, bezeichnet er als Ehre und Privileg.
Für Federer schliesst sich ein Kreis, umgeben von Rivalen, die zum Teil zu seinen Freunden geworden sind. Er sagt: «Es ist grossartig, diese drei im Team zu haben und in meinem letzten Spiel nicht gegen sie spielen zu müssen.» Es fühle sich richtig an, dass er der Erste sei, der aufhöre.
Noch einmal mit seinen Rivalen auf den Platz laufen zu dürfen, werde eine wunderbare Erfahrung für ihn. Einen Vorgeschmack darauf, wie sich das anfühlen wird, erhielt Federer am Donnerstag, als er beim Training mit Djokovic, Nadal und Murray auf dem Platz stand. Das sind 66 Grand-Slam-Titel, 933 Wochen an der Spitze der Weltrangliste, 234 Duelle zwischen den «Big Four». Auch das: Tennisgeschichte. Oder wie es Novak Djokovic beschreibt: «Vermutlich der speziellste Moment, den wir erleben dürfen.»
Das Training ist öffentlich, die Halle mit Tausenden Zuschauern gefüllt. Als Federer, noch in der Kabine, auf einem Grossbildschirm in der O2-Arena gezeigt wird, brandet ohrenbetäubender Jubel auf. Als er auf den Platz schreitet, gibt es stehende Ovationen. Federer lässt sich einen Ball zuwerfen? Jubel. Er winkt ins Publikum? Jubel. Jede Regung wird gefeiert, als gäbe es kein Morgen mehr. Weil es ein Abschied für immer wird.
Kein Wunder sagt Federer: «Ich bin nicht sicher, ob ich die Emotionen im Griff haben werde.» Und es werden wohl Tränen fliessen. Bei Federer. Bei seinen Anhängern sowieso. Und vielleicht auch bei den einstigen Rivalen. (aargauerzeitung.ch)