Es gab eine Zeit, da konnten Sportfans ihr Wochenende danach ausrichten, wenn Roger Federer irgendwo auf dem Globus wieder nach einem Pokal griff – übertragen vom Schweizer Fernsehen. Kein anderer Einzelsportler hat SRF in den letzten zwei Jahrzehnten so regelmässig und zuverlässig hohe Einschaltquoten beschert wie der 20-fache Grand-Slam-Sieger.
Kein Wunder, signalisierte SRF im September 2022 bei Federers Rücktritt umgehend Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit, als der 41-Jährige erwähnte, er könne sich vorstellen, künftig als TV-Experte zu arbeiten.
Auf Anfrage von CH Media schrieb SRF damals: «Jeder TV-Sender der Welt würde sich über Roger Federer als Tennisexperten freuen, für uns als Service-public-Medium der Schweiz gilt das natürlich ganz besonders.» Man habe Roger Federers Karriere von Anfang bis Ende sehr eng begleitet. «Derzeit steht seine Abschiedsvorstellung beim Laver Cup im Vordergrund. Selbstverständlich werden wir auch darüber hinaus mit ihm im Austausch bleiben», liess sich Dani Bolliger, Leiter Live bei SRF Sport, damals zitieren.
Allerdings hat SRF im Werben um Federer zahlungskräftige Konkurrenz: Wie britische Medien übereinstimmend berichten, seien Gespräche mit der BBC und ESPN für Einsätze während Wimbledon weit fortgeschritten.
Nachfrage: Was bedeutet das für SRF? Und gab es inzwischen – wie im Herbst angekündigt – Gespräche zwischen dem Sender und Federer?
Die Antwort fällt äusserst kurz und nüchtern aus, auf salbungsvolle Worte verzichtet SRF diesmal. «Zu internen Abläufen geben wir aufgrund der Vertraulichkeit keine Auskunft», schreibt SRF. Stellung bezieht diesmal auch nicht Dani Bolliger, sondern sein Vorgesetzter: Roland Mägerle, Abteilungsleiter Sport und Leiter Business Unit Sport SRG. Zudem bittet der Sender darum, die schriftlichen Antworten (!) vor der Publikation zum Gegenlesen zu schicken. Ein Wunsch, dem CH Media nicht nachkommt. Doch das Beispiel zeigt, wie sensibel das Thema Federer behandelt wird.
Auf die Nachfrage, ob man das Gespräch mit Federer suche, geht Mägerle nicht ein. Federers Manager Tony Godsick äussert sich auf Anfrage nicht. Vieles deutet darauf hin, dass zwischen Federer und SRF derzeit Funkstille herrscht. Auch, weil Federer für den Sender nicht einfach zu erreichen ist.
Dazu muss man wissen: Godsicks Beziehung zum Schweizer Fernsehen ist nicht ungetrübt. Hintergrund sind Differenzen im Zusammenhang mit der Übertragung der «Match for Africa», einer Serie von Schauwettkämpfen mit Beteiligung von Roger Federer. Der Erlös fliesst in die Stiftung des 41-Jährigen, die vor allem Kindern in Afrika Zugang zu Bildung verschafft.
SRF zeigte zwar die letztmalige Ausgabe, das «Match in Africa» 2020, live, als in Kapstadt über 50'000 Zuschauer für eine Rekordkulisse bei einem Tennisspiel sorgten, wie auch die Ausgaben 2010 und 2014 in Zürich.
Dazwischen verzichtete SRF aber auf eine Live-Übertragung. Damals bestanden die Veranstalter auf eine in die Liveübertragung eingebettete Spendenkampagne. Das sei aber nicht vereinbar mit dem SRG-Entscheid, nur für einige wenige ausgewählte Wohltätigkeitsorganisationen zu sammeln, wie für die von der SRG gegründete Stiftung Glückskette.
Die Befürchtung: Einerseits konkurriert Federers «Match in Africa» mit der Glückskette. Andererseits hätte man sich dem Verdacht ausgesetzt, den Tennisspieler gegenüber anderen Veranstaltern bevorzugt zu behandeln. Statt SRF übertrug bisweilen TV 24, das ebenfalls zu CH Media gehört.
Selbst wenn diese Differenzen längst bereinigt sein dürften, gibt es weitere Hürden, die es zu meistern gilt, sollte Federer TV-Experte bei SRF werden. Erstens hält die SRG nur für das Rasenturnier in Wimbledon umfassende Live- und Highlightrechte für alle Spiele. Bei den Australian Open und den French Open kann der Sender nur Spiele mit Schweizer Beteiligung, die Halbfinals, Finals und ein zusätzliches Spiel pro Runde live zeigen. Bei den US Open laufen derzeit noch Gespräche über eine Vertragsverlängerung.
Zweitens ist der finanzielle Spielraum begrenzt. SRF schrieb dazu auf Anfrage: «Unsere Experten und Expertinnen werden pro Einsatz bezahlt, wobei unsere Möglichkeiten klar begrenzt sind.» Sender wie die BBC können Federer ein deutlich höheres Honorar bieten. Fussball-Experte Gary Lineker zum Beispiel erhält 1.3 Millionen Pfund pro Saison.
Federer sagte im letzten Herbst: «Ich habe nun den grossen Luxus, nur noch das tun zu müssen, worauf ich Lust habe.» Seine Entscheidung wird er also kaum vom Salär abhängig machen. Allerdings ist bekannt, dass er seine Engagements nicht selten an die Bedingung knüpft, seine Stiftung direkt oder indirekt (zum Beispiel via Wissenstransfer) zu unterstützen, weshalb die finanzielle Komponente dennoch eine Rolle spielen wird.
🎾 I’m thrilled to announce I am the first female tennis athlete at On. I’m happy the On team believes in me as an athlete and a person. We plan to grow, develop and make an impact together. #letsgo #DreamOn
— Iga Świątek (@iga_swiatek) March 20, 2023
Big thanks to my team for this amazing achievement in business.#ad pic.twitter.com/KXZxRYW3Dp
Unterdessen brilliert der vierfache Vater Federer als Geschäftsmann. Die Schweizer Laufschuhfirma On, bei der er seit 2019 Teilhaber ist und deren Börsengang ihn sehr wahrscheinlich zum Milliardär gemacht hat, steigerte im vergangenen Geschäftsjahr ihren Umsatz um fast 70 Prozent auf 1.22 Milliarden Franken. Kürzlich nahm On die Weltnummer 1, Iga Swiatek, unter Vertrag – als erste weibliche Tennisspielerin. Zugleich vermeldete On, Federer habe jetzt noch mehr Zeit, um On bei der Produktentwicklung und der Verpflichtung anderer Testimonials zu unterstützen.
Für SRF ist Roger Federer wohl längst zu gross geworden. (aargauerzeitung.ch)
Allerdings ist es mir ganz recht, dass der Federer-Hype abgeklungen ist. St. Roger hier, St. Roger dort, St. Roger überall. Irgendeinmal ist auch genug.