Die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärt Covid-19 zur Pandemie, im Tessin gilt der Notstand, US-Präsident Donald Trump erklärt drastische Reiseeinschränkungen – während 30 Tagen werden alle Reisen von und nach Europa ausgesetzt. Die Welt gerät aus den Fugen, und das Virus macht – natürlich – auch vor dem Sport nicht halt. Die Schweizer Eishockey-Meisterschaft wird abgebrochen, der Fussball-Betrieb ruht, und wenn in Europa Spiele stattfinden, dann meist ohne Zuschauer. Die Liste der abgesagten Veranstaltungen wird im Stundentakt verlängert.
Betroffen ist auch der Tennis-Zirkus. Das Masters-Turnier in Indian Wells, nach den vier Grand-Slam-Turnieren eines der bedeutendsten im Kalender, wurde wegen einer Infektion im Coachella Valley abgesagt. Auch das Masters-1000-Turnier in Miami wurde mittlerweile gecancelt. Am Mittwoch tagten die Spielerräte der Männer und Frauen. Diskutiert wird eine Pause von sechs Wochen. Das bestätigen mehrere voneinander unabhängige Quellen. Die Frage ist nicht ob, sondern wann weitere Massnahmen folgen.
Nicht nur deshalb, weil im Frühling in Europa in unmittelbarer Nähe zu einigen Epizentren des Ausbruchs gespielt wird, sondern auch darum, weil die Mobilität des Trosses durch Reisebeschränkungen eingeschränkt ist. Tennis-Spieler sind Einzelunternehmer, haben hohe Ausgaben, bezahlen Reisen, Unterkünfte und beschäftigten Trainer und Physiotherapeuten. Jenseits der Weltspitze, die sich eine goldene Nase verdient, geht es um Existenzen. Für die meisten gilt: Keine Spiele, kein Einkommen.
Nicht so für Novak Djokovic. Die serbische Weltnummer 1 akkumulierte bisher 143 Millionen Dollar Preisgeld. Das Wirtschaftsmagazin «Forbes» beziffert Djokovics Einkommen im letzten Jahr auf 50 Millionen Dollar. Er selber sagt: «Ich habe genug erreicht, um von einem Moment auf den anderen aufzuhören. Doch ich tue es aus zwei Gründen nicht: Erstens macht es mir Spass, und zweitens möchte ich Geschichte schreiben.» Diese Rekordjagd ist aufgeschoben, auch die Tennis-Welt steht still.
Die ganze Tennis-Welt? Nein. Novak Djokovic passte seinen Spielplan an, reiste bereits am Mittwoch überstürzt aus den USA ab. Und das, obwohl das Turnier in Miami noch nicht offiziell abgesagt worden ist. Und noch bevor Donald Trump seine Reiseeinschränkungen kommunizierte. Wusste Djokovic in seiner Funktion als Präsident des Spielerrats mehr, und nutzte dieses Wissen? Aussagen des Amerikaners Noah Rubin lassen nur diesen Schluss zu. Er sagt: «Lass uns einigen wenigen sagen, was passieren wird. Und alle anderen rätseln lassen. Im Dunkeln gelassen zu werden, ist normal.»
Being in the dark is common in this world. Let’s keep telling a select few what’s happening while the rest just guess. https://t.co/ygsPzYiR2R
— Noah Rubin (@Noahrubin33) March 12, 2020
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Novak Djokovic in seiner Funktion als Präsident des Spielerrats mit öffentlicher Kritik konfrontiert sieht. Vor einem halben Jahr verliessen nach einem Treffen vor Wimbledon gleich vier der zehn Mitglieder das Gremium. Djokovic vertritt die Meinung, die Turniere gäben einen zu geringen Anteil ihrer Einnahmen an die Spieler weiter. Er sagt: «Momentan können nur die besten 100 von unserem Sport leben. Das versuchen wir zu ändern. Wir möchten, dass mehr Spieler die Kosten decken und ein anständiges Leben führen können.»
Das mögen noble Gedanken sein.
Doch mit seiner überstürzten Abreise aus den USA stösst Novak Djokovic seine Kollegen vor den Kopf. Und führt seine eigene Agenda ad absurdum.
Irgendwie komisch diese ganzen Berichte seit Beginn dieses Jahres...