Emotionen zeigt Jelena Rybakina grundsätzlich keine auf dem Platz. Selbst, als sie nach gut eindreiviertel Stunden den grössten und geradezu sensationellen Erfolg ihrer Karriere perfekt macht, huscht kaum ein Lächeln über ihr Gesicht. Andere jubeln nach einem Sieg in der 1. Runde euphorischer.
Doch der Schein täuscht, so cool ist die vor 23 Jahren in Moskau geborene Rybakina nicht. «Ich war so wahnsinnig nervös», gab sie nach dem Sieg zu. Das war allerdings auch nicht zu übersehen, zu Beginn machte sie der favorisierten Ons Jabeur die Aufgabe mit vielen Fehlern zu einfach.
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Zu Beginn des zweiten Satzes änderte sich dies drastisch. Rybakina reduzierte die Fehlerquote deutlich, die Tunesierin hingegen kam von ihrem Weg ab. Sie schien das Gewicht der historischen Dimension eines möglichen Sieges zu spüren. Jabeur wäre die erste arabische und afrikanische Frau geworden, die ein Grand-Slam-Turnier gewinnt.
Vor allem beim Return unterliefen ihr zu viele Fehler. Rybakina wehrte neun von elf Breakchancen ab, die vielleicht entscheidenden bei 3:2 und 0:40 im dritten Satz. Statt 3:3 hiess es wenig später 5:2 für die Kasachin.
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So schrieb Rybakina Geschichte. Nicht nur, weil sie die nächste in der Reihe von überraschenden Grand-Slam-Siegerinnen ist. Vor allem ist sie die Krönung des Projekts des kasachischen Milliardärs und Tennisverbandspräsidenten Bulat Utemuratow. Dieser hatte vor 14 Jahren begonnen, vor allem russische Spielerinnen und Spieler mit viel Geld zu einem Nationenwechsel zu bewegen. Es waren vor allem zweitklassige und junge Athleten, die sich überreden liessen, vor allem mit der Aussicht auf finanzielle Unterstützung und ideale Trainingsmöglichkeiten in der kasachischen Hauptstadt Astana (heute Nursultan).
Rybakina war 19 -jährig und die Nummer 175 der Welt, als sie sich vor vier Jahren zum Wechsel entschloss. Mit dem Einmarsch in die Ukraine und dem folgenden Ausschluss russischer Spieler von Wimbledon bekam die Sache eine zusätzliche Brisanz. Nur dank des Wechsels konnte Rybakina, für die zuvor ein Viertelfinal am French Open vor einem Jahr das Bestresultat war, überhaupt antreten.
Gross darüber reden, mag sie nicht mehr. «Ich spiele nun schon lange für Kasachstan», betonte Rybakina vor dem Final. «Sie haben an mich geglaubt, ich bin sehr glücklich damit.» Gemeldet hat sich hingegen der russische Verbandspräsident und Putin-Vertraute Schamil Tarpischew. «Es ist grossartig, dass Jelena im Final ist», erklärte er gemäss der Nachrichtenagentur Reuters. «Sie ist unser Produkt, natürlich unterstützen wir sie.» Das ist wohl nicht ganz der Ausgang, den sich die Organisatoren in Wimbledon vorgestellt hatten. (abu/sda)