So früh wie nie in den letzten zehn Jahren ist Novak Djokovic an den Australian Open ausgeschieden. In Melbourne muss der Titelverteidiger schon nach der 2. Runde die Taschen packen. Die Weltnummer 2 scheitert sensationell an Denis Istomin aus Usbekistan, der im ATP-Ranking erst auf Platz 117 auftaucht. 6:7 (8:10), 7:5, 6:2, 6:7 (5:7) und 4:6 lautet das Verdikt nach 4:48 Stunden aus der Sicht des Serben. «Er war heute besser», gab Djokovic ehrlich zu.
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— #AusOpen (@AustralianOpen) 19. Januar 2017
Der 30-jährige Istomin wächst über sich hinaus und glänzte besonders beim Aufschlag. So schafft er es zum zweiten Mal in seiner Karriere, einen Top-Ten-Spieler zu besiegen. Im Platz-Interview richtet der ausgepumpte Sieger seine ersten Worte an den Verlierer: «Sorry Novak, ich habe heute so gut gespielt. Ich habe auch mich damit überrascht.»
Djokovic, mit sechs Turniersiegen an den Australian Open der Rekordsieger, spielte ungewohnt fehlerhaft. «Er hat nie die Initiative ergriffen, wollte dann über den Kampf ins Spiel finden, aber Istomin hat ihm bis zum Schluss einfach keine Chance gelassen», konstatierte auf «Eurosport» Boris Becker. Der Deutsche war bis vor kurzem noch Djokovics Trainer und nach dem Sensations-Out «geschockt, ich bin ja immer noch ‹Team Djokovic›. Das habe ich nicht erwartet.»
Becker lobte Istomin für dessen Mut. «Er hat offensiv gespielt, hat bei den Ballwechseln als erster Druck gemacht und verdient gewonnen.» Istomin habe seine Chance gewittert und sie genutzt. «Der ist ja auch kein 19-Jähriger mehr, das ist ein gefährlicher Spieler.» Djokovic dagegen habe zu defensiv gespielt und viel zu passiv, kritisierte Becker.
Der 29-Jährige aus Belgrad sagte, er sei mit seinem Spiel natürlich nicht zufrieden gewesen. «Es war einer dieser Tage, an denen du dich einfach nicht so super fühlst.» Als Knackpunkt sah Djokovic den Beginn des vierten Satzes, als er seinen Lauf aus dem dritten nicht nutzen konnte.
Wie geht es nun weiter mit dem Serben, der schon am Ende des vergangenen Jahres eine für seine Verhältnisse schwache Phase eingezogen hatte? «Er wird nach Hause gehen und mit seinem engsten Kreis besprechen, wie es weiter gehen soll», so Becker. Er bezeichnete die Niederlage als «eine neuen Weichenstellung für Novak Djokovic.»
Das Turnier hat sich nun für Djokovics Ex-Coach «komplett verändert. Das ist ein Erdrutsch.» Er habe die Partie teilweise in den Katakomben verfolgt, gemeinsam mit Rafael Nadal und dessen Onkel und Coach Toni. «Es waren alle perplex darüber, wie Novak ‹nicht da› war.» Niemand habe sich erklären können, was draussen in der Rod Laver Arena gerade geschehe. Klar ist für Becker: Nun, da mit Djokovic der wahrscheinlich grösste Favorit ausgeschieden ist, werden die Australian Open richtig spannend. «Alle, die das Turnier lange nicht gewinnen konnten, riechen jetzt Lunte. Da kommen Hoffnungen und Träume auf, besonders bei Rafael Nadal.»
An den Turniersieg denkt Denis Istomin bestimmt nicht. Der Erfolg heute steht wohl mindestens auf der gleichen Stufe wie der bislang einzige Turniergewinn, 2015 auf Rasen im englischen Nottingham. Er bedankte sich nach dem Sieg bei seiner Mutter. Denn die ist gleichzeitig auch sein Coach. «Du machst einen tollen Job», lobte sie Istomin.