Im Final von Roland Garros schaffte der Spanier etwas, das ihm davor noch nie gelungen war: Er drehte einen 0:2-Satzrückstand. Darauf hatte wenig hingedeutet. Knapp unter vier Stunden waren gespielt, als Alcaraz sogar wie der sichere Verlierer ausgesehen hatte. Der 22-Jährige lag im vierten Satz 3:5 und 0:40 zurück, hatte drei Matchbälle gegen sich.
Doch Alcaraz gab nicht auf, gewann bei eigenem Aufschlag fünf Punkte in Folge und holte im nächsten Game das Break. Es war der Wendepunkt in dieser Partie, in der es lange so ausgesehen hatte, als würde der 23-jährige Sinner das dritte Grand-Slam-Turnier in Folge gewinnen.
Am Ende war Sinner, der auf dem Weg in den Final keinen einzigen Satz abgegeben hatte, aber erneut der erste Gratulant von Alcaraz. Nachdem der Italiener im Direktduell 4:3 geführt hatte, verlor er nun fünf Begegnungen in Folge. Sowieso avanciert Alcaraz mehr und mehr zum grossen Angstgegner des Weltranglistenersten. Von seinen letzten 50 Spielen verlor Sinner nur drei – es waren drei Final-Niederlagen gegen Alcaraz.
Es sei ein Privileg, mit ihm auf dem Court zu stehen, sagte Alcaraz in seiner Sieger-Rede an Sinner gewandt. «Ich freue mich, dass wir an diesem Turnier erneut Geschichte schreiben konnten.» Dass sich die beiden in einem Grand-Slam-Final gegenüberstanden, war eine Premiere – es dürfte aber nicht das letzte Mal gewesen sein.
Die beiden aktuellen Dominatoren im Männer-Tennis haben nun sieben der letzten acht Grand-Slam-Turniere unter sich aufgeteilt. Sie schicken sich an, die Nachfolge der grossen Drei um die inzwischen zurückgetretenen Roger Federer und Rafael Nadal sowie den noch spielenden Novak Djokovic anzutreten.
In Paris unterstrichen sie auf eindrückliche Weise, dass derzeit kein Weg an ihnen vorbei führt. Ein spektakulärer Ballwechsel folgte dem nächsten, das Momentum wog hin und her. Im ersten French-Open-Final, der über fünf Stunden dauerte (5:29), gab es je sieben Breaks. Das letzte gelang Sinner beim Stand von 4:5 aus seiner Sicht im letzten Satz. Sein Aufbäumen wurde nicht belohnt, im Match-Tiebreak blieb Sinner chancenlos und musste sich erstmals in einem Grand-Slam-Final geschlagen geben.
Alcaraz habe den Sieg verdient, hielt Sinner fest. Er selbst habe alles gegeben, leider sei es dieses Mal nicht genug gewesen. «Ich werde heute nicht gut schlafen, aber es ist okay.» Für Sinner war es das erst zweite Turnier nach seiner dreimonatigen Dopingsperre.
Für Alcaraz war es der fünfte Titel an einem Grand Slam. Nachdem er 2022 am US Open erstmals auf höchster Stufe triumphiert hatte, gewann er je zweimal Wimbledon und das French Open.
Fünf oder mehr Grand-Slam-Titel vor dem 23. Geburtstag hatten vor Alcaraz mit Pete Sampras (5), Björn Borg und Rafael Nadal (je 6) erst drei weitere Spieler gewonnen. Und Alcaraz, der im Mai Geburtstag hat, könnte seine Bilanz noch aufbessern. (ram/sda)