Obwohl er bereits 26-jährig ist, erlebt der Zürcher Marc-Andrea Hüsler fast im Wochentakt Premieren. Am Montag spielt er erstmals im Hauptfeld der Australian Open, ohne die Qualifikation bestritten zu haben.
Nachdem er im April 2022 zwei Challenger-Turniere und im Herbst in Sofia als erster Schweizer seit Roger Federer 2019 in Basel ein ATP-Turnier gewonnen hatte, stiess er in der Weltrangliste von Position 194 bis auf Platz 55 vor.
Damit ist praktisch sicher, dass Hüsler bei den Grand-Slam-Turnieren im Hauptfeld steht – und so mindestens zu rund 500'000 Franken Preisgeld kommt. Er sagt: «Das ist ein ganz anderes Budget, mit dem ich nun arbeiten kann.»
Derzeit prüft er, sein Team um einen Physiotherapeuten zu erweitern. Um das Management kümmert sich der frühere Ironman Ronnie Schildknecht, auch wenn Hüsler sagt: «Es ist nicht so, dass die Sponsoren nun plötzlich Schlange stehen würden. Aber ist wichtig, dass ich jemanden an meiner Seite habe, der das professionell macht und dem ich vertraue.»
Neben Schildknecht ist auch Trainer Thiemo Scharfenberger in Australien – und Vater Jürg, ein ehemaliger nationaler Spitzenspieler und Psychiater, sowie Mutter Patricia. Die Eltern spielten bisher eine wichtige Rolle, sollen nun aber entlastet werden. «Kürzlich habe ich zu meiner Mutter gesagt: ‹Mama, dein Job ist getan›», erzählt Hüsler mit einem Augenzwinkern.
Seinen Eltern hat Hüsler auch eine ungewöhnliche Marotte zu verdanken. Weil seine Familie Katzen halte und er ein grosser Fan sei, habe er bei einer Reise noch Katzenfutter in seiner Tasche gehabt. «Also dachte ich mir: Weshalb nicht immer etwas dabei haben, um einer Katze den Tag zu versüssen? Inzwischen ist es für mich eine Art Glücksbringer geworden.» Bei kleineren Turnieren, die oft in entlegenen Orten stattfinden und lange seine Realität waren, sei er oft zurück ins Hotel gelaufen und unterwegs immer mal wieder auf streunende Hunde und Katzen gestossen.
Turniere im Nirgendwo gehören vorderhand der Vergangenheit an. Sein Vorstossen in die Region um Platz 50 der Weltrangliste bringt Hüsler eine gewisse Planungssicherheit. «Ich weiss nun bereits mehr oder weniger, bei welchen Turnieren ich im Hauptfeld spielen kann und weiss in etwa, wann ich wo spielen werde», sagt Hüsler, der sich weiterhin selber um Flüge und Hotels kümmert und es gewohnt war, fast alles selber zu organisieren.
Dass er nun immer mehr dieser Aufgaben delegieren kann und somit weniger Energie verschwenden muss, erlaubt es ihm, den Fokus auf seine Entwicklung als Tennisspieler zu legen. Neben der Physis, der er sich zwischen Anfang November und Ende Jahr in Zürich und Biel widmete, lautet Hüslers Credo: Stärken schärfen. Das sind beim 1,96 Meter grossen Linkshänder der Aufschlag, die Vorhand sowie das Offensivspiel.
Hüslers Ziele in diesem Jahr? Sich in der Weltrangliste in die Region um Position 40 verbessern und den ersten Sieg im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers zu feiern, am liebsten bereits in Australien. Sein Gegner am Montag ist der inzwischen 33-jährige Australier John Millman (ATP 148), der 2018 bei den US Open Roger Federer besiegt und ihn 2020 bei dessen letztem Auftritt in Melbourne in einen Fünfsätzer gezwungen hatte.
Millman kommt dank einer Wildcard zum neunten Auftritt im Hauptfeld der Australian Open. Weil er im Vorjahr die Qualifikation bestritten hat, kennt Hüsler den Melbourne Park bereits, «doch es ist noch immer alles andere als Routine für mich», wie er sagt.
Auf Millman trifft er zum ersten Mal. Aber mit Premieren kennt sich Hüsler ja inzwischen bestens aus.