Der Duft von frisch frittiertem Fisch liegt in der Luft, der Geräuschpegel ist hoch. Roger Federer sitzt an einem Dreiertisch im Spielerrestaurant und unterhält sich animiert. Nach zehn Wochen Pause ist er hier wieder unter seinesgleichen. «Ich bin einfach froh, dass ich wieder unter den Spielern bin», sagt er später in einer kleinen Runde zu Schweizer Journalisten. Er fühlt sich wie einer von ihnen, doch wenn es um den erfolgreichsten Spieler der Geschichte geht, ist dann doch alles ein bisschen grösser, ein bisschen bedeutungsvoller. Für die Audienz des Baselbieters lassen die Organisatoren des Mercedes Cups einen Bereich des Restaurants räumen. Davon betroffen ist die Entourage von Feliciano Lopez.
Federer erzählt von den Trainings auf Rasen. Dass er jeweils Muskelkater habe. «Am Anfang jeweils am unteren Rücken, und am Hintern», sagt er mit einem Lachen.
Roger Federer and Philipp Kohlschreiber with a first practice session on Centre Court in Stuttgart @MercedesCup pic.twitter.com/FsSsz9AwVE
— TennisTourTalk (@TennisTourTalk) 10. Juni 2018
Daraus, dass er mehr Pausen braucht als früher, macht er schon lange keinen Hehl mehr. Auch darum hat er auf die Sandsaison und damit auch auf die French Open verzichtet. Das hat ihm zum Teil beissende Kritik eingetragen. Mats Wilander sagte, Federer habe gegenüber dem Tennis eine Verantwortung, der er sich mit der Absage entziehe. Es würde Federer ja nicht schaden, in Paris einfach nur mitzuspielen, findet er.
Federer hat für diese Sicht der Dinge kein Verständnis. «Ich bin mit dieser Haltung nicht einverstanden. Ich habe höhere Ansprüche. Nur mitzuspielen, ist für mich nicht witzig», stellt er klar.
Verantwortung interpretiert er so: Die Zuschauer sollen den besten Federer sehen. «Sonst denken sich die Leute: Schön, ist er da, und ich werde niedergemetzelt. Das kann nicht das Ziel sein», sagt Federer. Wenn er auch auf Sand um Titel mitspielen wolle, brauche er eine gute Vorbereitung. «Es ist manchmal nicht so einfach, wie einige meinen. Ich habe aber vier Kinder. Und, sorry, ich möchte auch Zeit mit meiner Familie verbringen. Ich kann nicht all meine Träume verfolgen.»
Die Kritik, die auch Guy Forget, Turnierdirektor der French Open, geteilt hatte, verletzt ihn im Stolz. Während 17 Jahren habe er jede Saison von Januar bis November bestritten. «Aber mit der Verletzung ist das «Fünferli abe». Ich merkte: Ich muss besser aufpassen, wenn ich noch länger spielen will.» Die Äusserungen von Wilander kontert er so: «Wir haben Meinungsfreiheit.»
Federer fordert mehr Verständnis für seine Situation und denkt auch an gewisse Privilegien. «Die Tour müsste mich manchmal schützen und sagen: ‹Sorry, der Roger darf etwas freier entscheiden. Wenn er länger dabei ist, ist es besser fürs Tennis.›» Er habe viel für den Sport gemacht. «Ich denke, einige Kritiker sind etwas weit gegangen.» Er glaubt aber, dass die Menschen verstehen, dass er Vorsicht walten lasse.
Sein Körper brauche heute länger, um sich zu erholen. Aber auch für den Kopf seien Pausen elementar. «Dann merke ich, dass ich wieder frisch bin und auch Lust habe auf das ganze Drumherum», sagt er. Der Neustart sei zwar mit Unsicherheiten verbunden, doch Federer sieht darin auch einen gewissen Reiz. Wie sich das anfühle, wenn er nach langer Pause wieder Matches bestreite, wird er gefragt. «Das klingt jetzt zwar komisch, aber: amateurhaft. Manchmal vergesse ich fast, meine Füsse zu tapen. Oder das zweite Paar Socken anzuziehen, weil ich das im Training nie mache.»
Sollte er in Stuttgart, wo er am Mittwoch auf den Deutschen Mischa Zverev (30, ATP 54) trifft, den Final erreichen, verdrängt er am Montag Rafael Nadal wieder von der Spitze der Weltrangliste. «Das ist alles sehr speziell, das ist ja ein Weltrekord, von dem wir hier reden», sagt er.
Meanwhile in Stuttgart ... the arrival of the King of Grass! Roger Federer is back! @MercedesCup pic.twitter.com/buz0YxHMU2
— Florian Heer (@Florian_Heer) 10. Juni 2018
Für Gesprächsstoff sorgt weiterhin auch das 300-Millionen-Angebot, das Federer vom japanischen Ausrüster Uniqlo vorliegen haben soll. Der Fall ist komplex: Der bisherige Ausrüster Nike hält die Rechte am «RF»-Logo und Uniqlo stellt keine Tennisschuhe her. Zudem drängt die Zeit. Ein neuer Ausrüster möchte sich im grössten Schaufenster präsentieren, und das ist Wimbledon, das Ende Juni beginnt.
Gut möglich, dass es nur noch um Details geht, doch diese haben es in sich: Federer ist bekannt dafür, Deals an Bedingungen zu knüpfen, die seine Stiftung und Projekte berücksichtigen. «Unterzeichne ich Verträge für fünf Jahre oder zehn Jahre, was sehr interessant und lukrativ ist, muss ich mich fragen, ob ich mich als Botschafter sehe.» Eine Ablenkung sei der Fall nicht. «Es beschäftigt mich nicht grossartig. Das ist Teil des Geschäfts.» (aargauerzeitung.ch)