Geduld, gute Planung und Flexibilität, sagt Belinda Bencic, seien gefragt, wenn man wie sie mit Ehemann Martin Hromkovic und der 16 Monate alten Tochter Bella als Sportlerin die Welt bereist. Wobei es hilft, wenn man wie die 27-Jährige ein Haus mieten, ein grosses Hotelzimmer oder im Flugzeug einen zusätzlichen Platz buchen kann.
Seit mehr als zehn Jahren ist Bencic schon im Tenniszirkus unterwegs, in Wimbledon, bei ihrem Lieblingsturnier, erstmals als Mutter. Zeit für sich alleine? Gebe es nicht mehr. Der erste Gedanke am Morgen? Nicht das Training, nicht das nächste Spiel, sondern ihre Tochter. «Das hat den Vorteil, dass ich weniger am Handy bin als vorher», sagt Bencic.
Sie geniesst ihre neue Rolle, ihr Leben als Tennis spielende Mutter oder als Mutter, die Tennis spielt. Meist ist sie nur mit ihrem Mann unterwegs, ohne Eltern, ohne Schwiegereltern, auch ohne Nanny. Was bedeutet, dass Bella auch einmal im Kinderwagen schläft, während Bencic daneben trainiert.
Wobei: In Wimbledon gibt es eine Kindertagesstätte. Hier können die Kleinen malen, Puzzle spielen, sich verkleiden. Sie essen gemeinsam, und im kleinen Garten hat es auch eine Rutschbahn. Bencic sagt: «Und Bella kann dort auch noch Englisch lernen.»
Eitel Sonnenschein also? Nicht ganz. Auf die French Open in Paris musste sie wegen einer Armverletzung verzichten. Näher auf die Blessur eingehen will sie auf Nachfrage von CH Media nicht. Es sei normal, dass jede ihre «Wehwehchen» habe.
Bencic sagt, was sie immer sagte, wenn sie auf ihre Ziele angesprochen wird: «Von Tag zu Tag, von Runde zu Runde schauen.» Ihre Mutterschaft begünstige das. «Ich lebe noch mehr im Moment, denke nicht mehr so viel ans Tennis. Bella hat mich gelehrt, gelassener zu sein», sagte sie zur «SonntagsZeitung».
Sie wache nun als Mami auf, nicht als Tennisspielerin. Einen Einfluss auf ihren Ehrgeiz oder ihre Ziele habe das nicht. Sie sagt: «Früher stand ich mir oft selbst im Weg, weil ich es zu sehr wollte. Nun fühlt es sich weniger schlimm an, wenn ich verliere.» Das sei weder gut noch schlecht, sondern einfach: anders. «Ich habe zwei Rollen, als Sportlerin und als Mutter, die ich verbinde, so gut es geht.»
Bisher gelingt ihr das blendend. Anfang Jahr erreichte Bencic auf Anhieb den Achtelfinal der Australian Open, im Februar gewann sie in Abu Dhabi ein Turnier. Inzwischen ist die 28-Jährige bereits wieder die Nummer 37 der Welt.
Bereits als Vierzehnjährige wurde sie Berufssportlerin, seither hat Bencic viele schöne Kapitel geschrieben: Mit 16 Sieg bei den Juniorinnen in Paris und in Wimbledon, mit 17 Viertelfinal bei den US Open, mit 18 gehörte sie zu den Top Ten der Welt. Sie gewann 9 Turniere, 2021 wurde sie Olympiasiegerin.
Es bleibt fast nur noch das Ziel, von dem sie träumt, seit sie als Zweijährige erstmals ein Racket in der Hand hielt: Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier. «Ich bin überzeugt davon, dass es möglich ist, und setze alles daran, mir diesen Traum zu erfüllen», sagte sie kürzlich im Interview zu CH Media.
Für eine Spielerin ihrer Güteklasse weist Belinda Bencic bei den vier wichtigsten Turnieren ein bescheidenes Palmarès vor: Ein Halbfinal bei den US Open 2019, dazu zwei Viertelfinals. Bei ihrem Lieblingsturnier in Wimbledon erreichte sie 2015, 2018 und 2023 den Achtelfinal.
Ein Ergebnis, das in diesem Jahr, so ehrlich muss man sein, überraschen würde. Bencics Gegnerin in der ersten Runde ist Alycia Parks (24, WTA 58). (abu/sda)