Wenn nicht jetzt, wann dann? Der Gedanke kommt automatisch. Novak Djokovic ist ausgeschieden. Der Mann, der Roger Federer auf dem Weg zum 18. Grand-Slam-Titel drei Mal in Folge stoppte: vor einem Jahr in Wimbledon, dann beim US Open und zuletzt in Australien. 2009 nutzte Federer in Paris die Gunst der Stunde, als ihm Robin Söderling die unbezwingbare Hürde Rafael Nadal aus dem Weg geräumt hatte. Federer verpasste gestern im Halbfinal tatsächlich die Chance auf den Finaleinzug. Doch seinen achten Triumph in Wimbledon hat er deshalb nicht verspielt.
Er selbst kam mit geringen Erwartungen nach England. Er hatte das bisher schwierigste halbe Jahr in seiner Karriere hinter sich. Krank stieg er schon in die Saison, einzig beim Australian Open spielte er im Vollbesitz seiner Kräfte. Bei einem Hausunfall verletzte er sich am Meniskus, musste operiert werden. Sein Comeback verzögerte sich, weil er wieder krank war. Dann spielte für viele Wochen sein Rücken nicht mit. Federer verzichtete gar auf das French Open, stieg erst in der Rasensaison wieder ein. Erstmals seit dem Jahr 2000 reiste er wieder ohne einen Turniersieg nach Wimbledon.
Federer spielte vor dem Turnier zwar sieben Matches, in Stuttgart und Halle, doch Zweifel blieben. Er wusste selbst nicht, wo er steht. Er setzte sich mit dem Einzug in die Achtelfinals zunächst einmal ein für ihn sehr bescheidenes Ziel. Doch er steigerte sich, fand immer besser zu seiner Form, tankte Selbstvertrauen und fand auch das Vertrauen in seinen Körper wieder. Im Viertelfinal riss er eine Partie aus dem Feuer, die er eigentlich schon verloren hatte.
Erst im Halbfinal stiess er gegen einen starken Milos Raonic an seine Grenzen. Der Viertelfinal kostete viel Energie, in der jetzigen Phase von Federer womöglich zu viel. Nein, Federer hat in diesem Jahr in Wimbledon keine Chance verpasst. Im Gegenteil, Federer spielte ein ganz starkes Turnier und bewies, dass mit ihm wieder zu rechnen ist. Auf dieser Leistung kann er nach dem verkorksten Saisonstart aufbauen.