Mit seinem sechsten Wimbledon-Triumph ist Novak Djokovic in Sachen Grand-Slam-Erfolgen mit Roger Federer und Rafael Nadal gleichgezogen – die «Big Three» haben nun allesamt 20 Major-Pokale in ihrem Trophäenschrank stehen.
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Während der «Djoker» sportlich zu seinen Dauerrivalen aufgeschlossen oder diese gar überflügelt hat, hinkt er in der Beliebtheit bei den Fans weiterhin hinterher. Ganz zu seinem Leidwesen: Schon des Öfteren konnte der beste Tennisspieler der Gegenwart nicht verbergen, dass ihm die unerwiderte Liebe durchaus zu schaffen macht.
Sein Ex-Coach Boris Becker zeigte im Eurosport-Podcast «Das Gelbe vom Ball» Verständnis für Djokovics Frust: «Ich finde es auch irgendwo normal, dass man nicht nur respektiert, sondern auch geliebt werden will, wenn man so lange Weltklasse ist», erklärte die ehemalige Weltnummer 1.
Es liege gar nicht mal so sehr an Djokovic. «Er ist halt die Nummer 1, der Weltbeste, und der Aussenseiter wird dann eben unterstützt. Doch Novak sieht das fast als Respektlosigkeit, wenn man nicht für ihn ist», erklärte Becker Djokovics jeweilige Gefühlslage. «Mit Federer und Nadal hat er zudem die wohl populärsten Spieler aller Zeiten als Rivalen. Deshalb ist es manchmal wirklich nervig, in seiner Haut zu stecken.»
Als Becker den 34-jährigen Serben von 2013 bis 2016 trainierte, habe er ihm mehrfach versucht zu erklären, dass das Publikum eigentlich nicht gegen ihn, sondern einfach für den Underdog sei. Für Becker sei Respekt aber ohnehin wichtiger als Liebe, denn «Liebe ist eine Emotion, die geht mal hoch, mal runter.»
Definitiv nicht nach unten zeigt Djokovics Formstand. Was der «Djoker» in Wimbledon gezeigt hat, war schlicht grandios. Das sah auch Becker so: «Novak war der beste Spieler des Turniers, weil er einfach gelernt hat, auf Rasen zu spielen. Es ist ein sehr komplexer Belag. Wenn man nicht weiss, wie man darauf spielen muss, dann hat man eigentlich gar keine Chance.»
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Im Gegensatz zur Konkurrenz verbessere sich Djokovic immer weiter: «Er ist der intelligenteste Tennisspieler und weiss mittlerweile auch, wie man sich auf Rasen bewegt und schnelle Punkte gewinnt.» Als Grundlinienspieler habe er sogar gelernt, wie man Serve and Volley spielt.
Dass sich die jüngeren Spieler ihn nicht zum Vorbild nehmen, kann Becker nicht nachvollziehen. Dass sie nach wie vor, fast schon stur, zwei, drei Meter hinter der Grundlinie spielen und glauben, auf Rasen erfolgreich Tennis spielen zu können, kann ich nicht nachvollziehen. Das geht nicht!»
Djokovic habe vor 15 Jahren auch so angefangen, aber dann schnell dazu gelernt. «Er hat seinen Aufschlag enorm verbessert und kommt eben auch mal häufiger ans Netz, um ein Überraschungsmanöver zu starten, aber auch, um den Punkt leicht mit einem Volley gewinnen zu können», erklärt Becker.
Ausserdem habe Djokovic nicht nur einen Plan A während eines Spiels, sondern auch einen Plan B, C oder D. «Das ist vielleicht das grosse Manko bei fast allen anderen, dass sie ein Spielsystem haben und wenn das funktioniert, dann sind die jungen Spieler Weltklasse.» Wenn nicht, dann gehe es meist schnell nach Hause.
Auch deshalb ist Djokovics Dominanz momentan drückend. Mit den ersten drei Grand-Slam-Titeln des Jahres im Sack winkt dem Serben nicht nur der «Grand Slam» (alle vier Major-Titel in einem Kalenderjahr), sondern gar der «Golden Slam» mit Olympia. Doch noch hat sich Djokovic nicht entschieden, ob er in Tokio an den Start geht. «Es war immer mein Plan, zu den Olympischen Spielen zu fahren. Aber im Moment bin ich ein bisschen zwiegespalten. Nach dem, was ich in den vergangenen paar Tagen gehört habe, ist es eine 50:50-Entscheidung», sagte er nach dem Wimbledon-Triumph.
Becker könnte es aufgrund des dichten Programms durchaus verstehen, wenn Djokovic Olympia sausen lassen würde: «Er hat jetzt drei von vier Majors gewonnen. Der Grand Slam ist sein grosses Ziel, alles andere kann und darf ihn auch nicht interessieren, das ist eine einmalige Möglichkeit. Olympia im Sommer passt so gar nicht rein. Ich glaube erst, wenn er in Tokio landet, dass er Olympia spielt», so Becker. (pre)