Dass er auch während des Spiels geraucht hat, ist nicht belegt. Aber abwegig ist der Gedanke nicht. Schliesslich rauchte Ricardo Zamora wie ein Bürstenbinder, die Rede ist von sechzig Zigaretten am Tag.
Verbrieft ist, dass er 1920 bei der Rückreise von den Olympischen Spielen in Antwerpen verhaftet wurde, als er beim Schmuggel von Havana-Zigarren erwischt wurde. Und ebenso bewiesen ist, was ihm an der WM 1934 in Italien widerfahren ist. Beinahe zum Krüppel geschlagen hätten die italienischen Gegner den spanischen Goalie, berichteten entrüstete Beobachter.
Am Nachmittag des 31. Mai 1934 kommt es in Florenz zum Viertelfinal zwischen dem WM-Gastgeber und Spanien. Vor dem Turnier stellt Diktator Benito Mussolini sicher, dass Italien in jedem Fall Weltmeister wird. Gegen allfällige starke Gegner sichert er sich ab, indem er die Schiedsrichter besticht.
Spaniens Ricardo Zamora gilt als einer der besten Goalies der Welt. «Zamora ist unschlagbar, also sind auch wir unschlagbar», fasst Verteidiger Jacinto Quincoces zusammen. Wie gut ihr Gegenüber ist, wissen auch die Italiener. Deren Taktik ist deshalb so simpel wie plump: Zamora immer und immer wieder attackieren, ihn treten und schlagen.
Muss der 33-Jährige einmal nicht gepflegt werden, treibt er die Italiener mit Glanzparaden in den Wahnsinn. Zamora hält fast alles, was auf seinen Kasten geflogen kommt. Den Platz zu verlassen, kommt für ihn nicht in Frage, weil 1934 noch nicht gewechselt werden darf. Hinkend hält der Goalie letztlich ein 1:1 nach Verlängerung fest.
Penaltyschiessen gibt es ebenfalls noch nicht, also wird der Viertelfinal nur einen Tag später wiederholt. Zamora darf nicht mitspielen, die spanischen Teamärzte verbieten es ihm. 24 Stunden nach dem Belgier Louis Baert pfeift der Schweizer René Mercet das Wiederholungsspiel – er gibt dabei eine noch schlechtere Figur ab als der Pfeifenmann tags zuvor.
Dass Italien im Stadio Giovanni Berta nur knapp mit 1:0 gewinnt, ist beinahe ein Witz. Beim einzigen Tor wird der spanische Goalie gleich von mehreren Italienern klar behindert, Torschütze Giuseppe Meazza stützt sich für seinen Kopfball gar auf dem Goalie auf. Danach haut die Squadra Azzurra weiter alles um, was nicht bei drei auf dem Baum ist.
Spanien beendet die Partie nur zu acht, weil drei verletzte Spieler nicht weiterspielen können. Der Tessiner Schiri verweigert den Spaniern ausserdem zwei Penaltys und versagt zwei regulären Toren die Anerkennung. «Mercet hat die Italiener auf schamloseste Weise bevorzugt», konstatiert die Basler «Nationalzeitung».
René Mercet pfeift nie mehr ein Fussballspiel. Sanktionen durch den Schweizerischen Fussballverband greift er angeblich durch seinen Rücktritt vor – in anderen Überlieferungen heisst es, er sei lebenslänglich gesperrt worden.
Weltmeister waren die Italiener damit aber noch nicht, sondern erst im Halbfinal. Diesen pfiff erneut ein Mann aus einem eigentlich als neutral bekannten Land: der Schwede Ivan Eklind. Er stellte sicher, dass der Befehl des «Duce» umgesetzt werden kann. Zwei Tage vor dem Halbfinal Italiens gegen Österreich gastierte Eklind bei einem Empfang Mussolinis.
Die Szenen müssen grotesk gewesen sein, bewegte Bilder aus 17 Winkeln wie heute gibt es von der WM 1934 leider nicht. Angeblich stiess Meazza bei seinem 1:0-Siegtreffer den österreichischen Goalie Peter Platzer, der den Ball in den Händen hielt, über die Linie. Und später soll Schiedsrichter Eklind höchstpersönlich eine Flanke der Österreicher aus dem Sechzehner der Italiener weggeköpft haben.
Als Belohnung durfte Eklind auch den Final pfeifen, von dem abgesehen von der üblichen überharten Gangart der Italiener keine Skandale bekannt sind. Mussolini durfte sich über den Titel freuen, die Azzurri schlugen die Tschechoslowakei mit 2:1 nach Verlängerung und das «Prager Tagblatt» hielt fest: «Die Weltmeisterschaft war für die Italiener von Anfang an bestimmt.»
Ob Mercet, Eklind und die anderen Schiedsrichter von Mussolini bestochen oder vielmehr von ihm bedroht wurden, blieb ungeklärt. Weltmeisterspieler Raimundo Orsi sagte jedenfalls später: «Wir hatten panische Angst, bei einer Niederlage hingerichtet zu werden. Nicht auszudenken, wenn Eklind nicht auf unserer Seite gewesen wäre.»
Nach der WM trat der frischgebackene Weltmeister zu einem Match gegen England an. Das Mutterland des Fussballs blieb der WM fern und erklärte das «Freundschafts»-Spiel zum wahren Finale.
Beim 3:2-Sieg der Engländer dauerte es keine zwei Minuten, da hatte Stürmer Ted Drake dem Italiener Luis Monti den Fuss gebrochen. «Das war Absicht», soll das Opfer gejammert haben und davon gehumpelt sein. Das Mitleid hielt sich ausserhalb Italiens in Grenzen.