In den 1970er-Jahren erlebt der Fussball in den USA eine erste Blütezeit. In der North American Soccer League (NASL) lassen Weltstars wie Pelé, Franz Beckenbauer oder George Best ihre Karriere ausklingen. Auch Johan Cruyff und Gerd Müller zählen zu den zahlreichen grossen Namen, die bei Teams wie den New York Cosmos, den Los Angeles Aztecs oder den Fort Lauderdale Strikers zu vielen Dollars kommen.
Die FCZ-Legende Fritz Künzli zieht es ebenfalls in die Vereinigten Staaten. Bei den San Diego Sockers und den Houston Hurricane verdient sich der Lebemann eine goldene Nase. Der Stürmer geniesst Sonne und Ausgang, und dank dem Verkauf von Glarner Pasteten in einer Shopping Mall kommen sogar noch einige grüne Scheine mehr hinzu.
Der 2019 verstorbene Künzli war mit dem Fotomodell Monika Kaelin verheiratet. Wer weiss, ob sein «Möneli», ein Star im Schweizer Showbusiness, auch in der NASL hätte Karriere machen können. Immerhin war sie im Mai 1980 zum «Pet of the Month» im Magazin «Penthouse» ernannt worden – und eine von Kaelins Berufskolleginnen wurde tatsächlich von einem NASL-Team gedraftet.
Marilyn Lange, 1975 das Playmate des Jahres des weltberühmten «Playboy», wird von den Chicago Sting ausgewählt. In der vierten Runde des NASL-Drafts 1976 entscheidet sich das Team für die 24-Jährige.
Lange lebt zu der Zeit auf Hawaii und spielt im Surferparadies auch Fussball. «Uns gefiel, was wir gesehen haben», sagt Jim Walker, der General Manager der Sting. Ob er seine Aussage auf den Sport allein bezogen hat? «Marilyn hat eine Geschichte im Fussball, sie liebt diesen Sport», betont Walker in der «Chicago Tribune». Immer mehr Frauen würden sich im Profisport engagieren.
«Wir werden uns zusammensetzen, miteinander diskutieren, und dann sehen wir, wie sich alles entwickelt», sagt Walker über die anstehenden Vertragsverhandlungen. Denn der Draft alleine heisst ja noch nicht, dass Marilyn Lange auch wirklich in der NASL spielen wird.
Und das wird sie letztlich auch nie. «Ich würde nicht gegen die Jungs da spielen wollen», erklärt Lange, «die sind zu grob.» Und so bleibt die Verpflichtung des Playmates nichts anderes als ein PR-Gag der Chicago Sting.
Genau wie jener der Tampa Bay Rowdies, die im gleichen Draft nachziehen und ebenfalls eine Frau auswählen: Betty Jo Woodward. «Ich habe vorher nie Fussball gespielt, aber sie haben mir einige Tricks gezeigt», sagt die einstige College-Basketballerin, «ich habe ziemlich schnell kicken gelernt.» Nach einigen Wochen im Training mit den Rowdies ist der Spass vorbei, Woodward erhält zum Abschied ein Trikot als Erinnerung und läuft ebenfalls nie in der NASL auf.
Aktionen wie diese beiden passen zur Liga, denn in der NASL ist die Show mindestens gleich wichtig wie der Sport. Auf diese Weise wollen die Macher ihre amerikanischen Landsleute vom «langweiligen» Fussball überzeugen. Es beginnt bei der Uhr, welche die Zeit bis Null herunterzählt, statt von der 1. bis zur 90. Minute hinauf. Abseits gibt es nicht wie üblich ab der Mittellinie, sondern erst ab einer 35-Yard-Linie vor dem Tor. Und bei einem Unentschieden wird in einem Penaltyschiessen trotzdem ein Sieger ermittelt, zunächst herkömmlich, später mit Anlauf des Schützen wie im Eishockey.
Richtig wild ist das Punktesystem. Gibt es in Europa damals zwei Zähler für einen Sieg und einen für ein Unentschieden, ist die NASL revolutionär und grosszügig. Für einen Sieg gibt es je nach Saison bis zu sechs Punkte, hinzu kommen Bonuspunkte für erzielte Tore. So kommen die New York Cosmos in der Saison 1978 in 30 Spielen der Regular Season auf sagenhafte 212 Punkte.
Doch all die Show reicht nicht aus, um den Soccer dauerhaft in den USA zu etablieren. Zwar ziehen die New York Cosmos manchmal mehr als 40'000 Zuschauer an, insgesamt bleibt das Interesse aber überschaubar. So endet die Geschichte der NASL 1984.
Nach der Fussball-WM 1994 in den Vereinigten Staaten erlebt der Sport dort wieder einen Aufschwung. 1996 startet die Major League Soccer, die sich längst etabliert hat. Sie ist zwar international nicht so populär wie die europäischen Top-Ligen und wird das wahrscheinlich auch nie werden – doch auf billige PR-Tricks mit Playmates ist die MLS nicht angewiesen.