«Liebling, wir haben es tatsächlich geschafft!» Mit diesen Worten meldet sich Bertrand Piccard bei seiner Frau Michèle.
Ja, sie haben es geschafft. Piccard, ein Facharzt für Psychiatrie aus Lausanne, und der 51-jährige Brite Brian Jones sind in der Oase Dakhla in der ägyptischen Wüste gelandet und haben damit als erste Menschen die Welt in einem Ballon umrundet, ohne einmal den Erdboden zu berühren.
Knapp drei Wochen zuvor sind Piccard und sein Co-Pilot in Château-d'Oex, in den Waadtländer Alpen, gestartet. Es ist schon der dritte Versuch des Schweizer Abenteurers, der erblich vorbelastet ist. Grossvater Auguste Piccard stieg 1932 mit einem Ballon bis in die Stratosphäre, auf fast 17'000 Meter, auf. Vater Jacques Piccard ging in die andere Richtung: Er brach unter anderem den Weltrekord im Tiefseetauchen, im Marianengraben tauchte er bis auf 10'916 Meter ab.
Die ersten zwei Versuche des 41 Jahre alten Piccards, die Welt nonstop im Ballon zu umrunden, waren misslungen. 1997 ging das Kerosin aus, 1998 musste er in Burma aufsetzen, nachdem China ein Überflugverbot erteilt hatte.
Nun soll es klappen. Um 09.05 Uhr am 1. März 1999 heben Bertrand Piccard und Brian Jones im Breitling Orbiter 3 ab, einer Kombination aus Heissluft- und Gasballon. Es geht über die Alpen in Richtung Turin und weiter nach Spanien. Am vierten Tag erreichen die zwei Piloten über Algerien den Jet-Stream, der sie schnell und weit tragen soll.
Sie kommen gut voran, auch bürokratische Hindernisse werden aus dem Weg geräumt. So darf Orbiter 3 über Jemen fahren und ab dem 9. März über China. Allerdings ist diese Passage heikel: Das Duo hat einen Korridor zugewiesen erhalten, den es nicht verlassen darf.
Der Ballon nimmt nun immer mehr an Geschwindigkeit auf. Am 10. März stellen Piccard und Jones, immer noch über China, mit 168 km/h einen neuen Rekord auf. Rund zehn Tage nach dem Start in den Schweizer Bergen befinden sie sich schon über dem Pazifik, die Hälfte der Weltumrundung ist geschafft.
Die beiden wechseln sich an der Steuerung ab. Acht Stunden lang arbeiten sie gemeinsam, dann für acht Stunden alleine, während der andere in einer schmalen Koje schläft. Eine Heizung sollte die Temperatur im Innern der Gondel auf 15 Grad Celsius halten, das gelingt aber nicht immer. Nachts ist es gelegentlich so kalt, das das Trinkwasser gefriert und Eis von der empfindlichen Elektronik abgekratzt werden muss.
Tagelang ist nur das Meer unter dem Ballon, der nun mit teils 180 km/h in Richtung Mexiko unterwegs ist. Die Landmasse ist wieder recht schnell überfahren, es geht in der Karibik über den Atlantik. Es ist ein prägender Abschnitt des Trips: «Über dem Golf von Mexiko froren wir und ich war krank», schildert Piccard nach der Landung. «Über Jamaika ging es mir wieder besser.»
Das Ziel ist Afrika. Nach knapp 18 Tagen erreichen Piccard und Jones den Kontinent. Nun bleibt als letzte Aufgabe, den Längengrad von Château-d'Oex zu überqueren. Das schaffen sie am 21. März, als sie in der ägyptischen Wüste aufsetzen. Bertrand Piccard und Brian Jones ist es tatsächlich gelungen, die Welt nonstop in einem Ballon zu umrunden.
«Wir waren in der Gondel wie in einer anderen Welt – in einem kleinen Stück Paradies», fasst Piccard zusammen. 19 Tage, 21 Stunden und 55 Minuten lang dauert das Abenteuer. «Wir hoben als Freunde ab und landeten als Brüder.»
Am Sonntagmorgen um 7.03 Uhr läuten die Kirchenglocken in Château-d'Oex nach dem Stundenschlag gleich nochmals: Sie künden von der erfolgreichen Mission. Für seinen Erfolg kassiert das schweizerisch-britische Duo einen Check von umgerechnet 750'000 Franken von einem amerikanischen Sponsor, der dieses Preisgeld für die erste Erdumrundung in einem Ballon versprochen hatte. 16 Anläufe zuvor waren gescheitert, der erste im Jahr 1981.
Co-Pilot Brian Jones feiert den Erfolg übrigens standesgemäss – mit einer Tasse Tee. «So macht das jeder richtige Engländer», sagt er im «Blick» schmunzelnd.
Bertrand Piccard lässt das Abenteuerfieber nicht los. 2016 gelingt ihm erneut eine Weltumrundung – dieses Mal im Solarflugzeug «Solar Impulse».